Die Spur der Fragen

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Impuls von Schwester Johanna Domek
Von klein auf bis heute liebe ich es zu fragen und mich fragen zu lassen. Das hilft mir, etwas besser zu verstehen.
Es gibt Augenblicke da braucht das Leben die Antwort, meine Antwort. Aber vielmehr noch als die Antworten brauchen wir die Fragen, die uns bewegen und treiben, dass wir weitergehen, offenbleiben, suchen und erwarten. Fragen sind wie Schlüssel, öffnen uns noch verschlossene Türen, weisen uns die Richtung. Manchmal finden wir nicht die Antwort, die wir erwarteten, aber einen Weg, auf dem wir weiter gehen können, als wir es für möglich hielten.
In den Wochen des Advents folge ich in diesem Jahr der Spur der Fragen in den Lesungstexten der Liturgie. Über 50 Fragen finden sich – oder bestenfalls: mich – in dieser Zeit in den alt- und neutestamentlichen Lesungstexten. Die meisten von ihnen sind in den Evangelien Fragen Jesu an seine Zuhörer, in den alttestamentlichen Lesungen Fragen Gottes an die Menschen. Aber auch Menschen fragen. Sie fragen Gott oder auch sich selbst. Sie fragen einander. Es fragen Junge, Alte, Liebende und Hassende, Feinde und Freunde, Gerechte, Ungerechte, Zweifelnde, Angefochtene. In welcher Tonart das auch geschieht, immer ist eine Frage eine Beziehungssache, immer ist Fragen ein Beziehungsgeschehen.
Johannes der Täufer, eine der großen adventlichen Gestalten und Wegbereiter Jesu, kommt mit zwei Fragen zu Wort. Die eine hören wir heute. "Wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Zorngericht entrinnen könnt?" (Mt 3,7) In der zweiten, die uns am kommenden Sonntag begegnet, ringt er im Gefängnis des Herodes mit sich selbst. Sein Zweifel ringt sich zur Frage durch: "Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?" (Mt 11,3; Lk 7,19) Mit dieser Frage schickt er Freunde zu Jesus.
Darin sind wir wie er: Wir wissen eines deutlich und wissen anderes nicht. Und doch kann die Qualität der Fragen sehr verschieden sein. Wenn ich auf Johannes schaue, sehe ich einen Menschen, der die Menschen seiner Zeit wachrütteln will, er stellt ihren Lebensstil in Frage. Aber eben so, dass er sie sehr frag-würdig findet, sich ihnen leidenschaftlich und wirklich zuwendet, Anteil an ihnen nimmt. Er tut nichts, um ihnen zu gefallen, und doch kommen die Menschen zu ihm, lassen sich von ihm ins Gewissen reden. Das darf nicht jeder. Es geht Johannes eindeutig nicht um sich selbst, sondern um die, die da kommen.
So nehme ich heute seine Frage auf, lasse mir vielleicht schon gewohnte Sicherheiten beiseite und frage mich neu, wie es bei mir und meinem Lebensstil ist, ob Jesus da ankommen kann mit dem, was er bringt und sagt, was er mir zutraut und mir schenken will.
Evangelium nach Matthäus (Mt 3,1–12)
In jenen Tagen trat Johannes der Täufer auf und verkündete in der Wüste von Judäa: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.
Er war es, von dem der Prophet Jesája gesagt hat: Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen! Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften; Heuschrecken und wilder Honig waren seine Nahrung.