Mit Rücktrittsgesuchen geht Papst Franziskus zurückhaltend um

Bischof Bode geht – andere bleiben

Veröffentlicht am 26.03.2023 um 00:01 Uhr – Von Andreas Otto und Annika Schmitz (KNA) – Lesedauer: 
Insignien des Bischofs
Bild: © KNA

Osnabrück ‐ Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode ist der erste deutsche Oberhirte, der im Zusammenhang mit dem kirchlichen Missbrauchsskandal seinen Hut nimmt. Andere Verantwortliche beließ Papst Franziskus dagegen bislang im Amt. Ein Blick auf deutsche und internationale Fälle.

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Zum ersten Mal legt in Deutschland ein katholischer Bischof wegen des Umgangs mit Missbrauchsfällen sein Amt nieder. Das kommt durchaus überraschend: Denn bislang hat Papst Franziskus solche Rücktrittsgesuche deutscher Bischöfe stets abgelehnt oder – wie im Fall des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki – offen gelassen. Doch für den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode hat die Amtszeit nun geendet. Dabei hat auch seine angeschlagene Gesundheit eine Rolle gespielt.

Katholische Bischöfe können laut Kirchenrecht nicht einfach wie Politiker ihr Amt niederlegen. Sie müssen stattdessen dem Papst ihren Rücktritt anbieten, der darüber befindet. In den zurückliegenden zwei Jahren haben im Rahmen des Missbrauchsskandals die Kardinäle Woelki und Reinhard Marx (München), Erzbischof Stefan Heße (Hamburg) und der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp ein solches Rücktrittsgesuch nach Rom geschickt. Ansgar Puff, ebenfalls Weihbischof in Köln, legte dort seinen Fall zur Prüfung vor. Papst Franziskus beließ sie alle im Amt.

Woelki ist der prominenteste Fall

Prominentester – und zugleich komplexester Fall – ist der von Woelki. Juristische Fehler im Umgang mit Missbrauch weist ihm eine Studie nicht nach. Dennoch hat die Art und Weise der Aufarbeitung in Deutschlands mitgliederstärkstem Bistum zu einer großen Vertrauenskrise geführt. Der Papst selbst schaltete sich in die Vorgänge ein und hielt nach einer Untersuchung fest, dass Woelki "große Fehler" vor allem in der Kommunikation gemacht habe. Er schickte den Erzbischof in eine mehrmonatige Auszeit und forderte ihn vor über einem Jahr auf, seinen Rücktritt anzubieten. Darauf reagiert hat der Papst bislang nicht.

Bild: ©KNA/Robert Kiderle

Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, bei einer Pressekonferenz in der Katholischen Akademie in München während seiner Stellungnahme zum Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl über Missbrauch im Erzbistum München und Freising am 27. Januar 2022 in München.

Im Gegensatz zu Woelki wurden anderen im Erzbistum Köln tätigen Bischöfen Pflichtverletzungen nachgewiesen – elf beim heutigen Hamburger Erzbischof Heße, früher Personalchef und Generalvikar in Köln. Er hatte daraufhin seine Amtsgeschäfte ruhen lassen. Für ihn unerwartet nahm der Papst sein Rücktrittsgesuch nicht an. Seither versucht Heße, das Vertrauen der norddeutschen Katholiken zurückzugewinnen.

Schwaderlapp hält das 2021 veröffentlichte Gutachten acht Pflichtverletzungen von 2004 bis 2012 in seiner Zeit als Leiter der Kölner Bistumsverwaltung vor. Nachdem der Papst seinen Rücktritt abgelehnt hatte, ging er für zehn Monate nach Afrika, um dort als einfacher Priester zu arbeiten. Als früherer Personalchef soll Puff einmal gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen haben. Er und Schwaderlapp hätten zwar vereinzelt Fehler begangen, nicht aber die Absicht gehabt, Missbrauch zu vertuschen oder Betroffene zu ignorieren, begründete der Papst die Ablehnung der Rücktrittsgesuche.

Für viel Aufsehen sorgte auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx. In einem Brief im Mai 2021 hatte Marx dem Papst seinen Amtsverzicht angeboten; er wolle Mitverantwortung tragen "für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche". Keine drei Wochen später, am 10. Juni, entschied Franziskus, den Erzbischof im Amt zu belassen. Ein erneutes Rücktrittsgesuch schloss Marx später nicht aus – "wenn sich eine neue Situation ergibt oder veränderte Umstände, die meinen Dienst grundsätzlich in Frage stellen".

Bild: ©Vatican Media/Romano Siciliani/KNA

2018 stimmte Papst Franziskus gleich fünf Rücktrittsgesuchen von chilenischen Bischöfen wegen Missbrauch zu.

Im Gegensatz zu Deutschland haben weltweit schon zahlreiche Bischöfe wegen ihres Versagens im Umgang mit Missbrauchsfällen ihr Amt niedergelegt. Als erster reichte der Bostoner Kardinal Bernard Law 2002 seinen Rücktritt ein, nachdem ihm Medien die Vertuschung zahlreicher Fälle nachgewiesen hatten. Sieben Jahre später folgten zwei Bischöfe und zwei Weihbischöfe aus Irland.

Regelrechte Rücktrittswelle 2018 in Chile

Eine regelrechte Rücktrittswelle gab es 2018 in Chile, wo 30 Mitglieder der Bischofskonferenz ihr Amt zeitgleich zur Disposition stellten. Fünf der Gesuche stimmte der Papst im selben Jahr zu. 2018 trat der Erzbischof von Adelaide in Australien, Philip Wilson, wegen Vertuschung zurück. Spektakulär war der Fall des französischen Kardinals Philippe Barbarin, dessen Rücktritt als Erzbischof von Lyon der Papst trotz eines Freispruchs vor einem weltlichen Gericht im März 2020 annahm.

Bode hatte im Herbst vergangenen Jahres nach der Vorstellung von ihn belastenden Studienergebnissen Rücktrittsforderungen zunächst zurückgewiesen. Die Kritik daran riss nicht ab. Zuletzt hatten Betroffene ihn im Vatikan angezeigt, weil er einen Fall gänzlich falsch eingeschätzt habe. Wann genau Bode eine Kehrtwende einlegte und dem Papst seinen Amtsverzicht – wohl auch aus gesundheitlichen Gründen – unterbreitete, ist nicht bekannt.

Von Andreas Otto und Annika Schmitz (KNA)