Schwester Regina Greefrath über das Sonntagsevangelium

Eine Achterbahn der Gefühle

Veröffentlicht am 01.04.2023 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
Ausgelegt!

Essen ‐ Freude und Leid liegen oft sehr nah beieinander. Für Schwester Regina Greefrath ist die Passionsgeschichte eine Achterbahn der Gefühle. Begeisterung, Zweifel, Einsamkeit, Hingabe, Trauer – alles Gefühle, die uns auch im Alltag begegnen.

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Freude und Leid liegen oft so nah beieinander. Diese Erfahrung machten die Jünger Jesu an seinen letzten Tagen in Jerusalem. Die ganze Stadt erbebte, schreibt Matthäus, als Jesus mit ihnen in Jerusalem einzog. Da muss mächtig was los gewesen sein. Und so bombastisch die Stimmung hier gewesen sein mag – wenige Tage später wird sie auf dem Nullpunkt sein.

Mit dem Palmsonntag steigen wir ein in die Karwoche, in der das Leiden und Sterben Jesu in den Fokus gerückt werden. Die Passionsgeschichte ist eine Achterbahn der Gefühle. Begeisterung, Verrat, Zweifel, Reue, Einsamkeit, Angst, Hingabe, Demütigung, Schmerz, Betroffenheit, Trauer. Jesus und seine Jünger durchleben Gefühle, die uns auch aus unserem Alltag wohl vertraut sind.

Im vergangenen Jahr wurde in meiner Heimatstadt Essen die Passion Jesu von RTL aufgeführt, ein Projekt, das schon im Vorfeld eine ganze Bandbreite an Reaktionen hervorrief. Was den Produzenten wirklich gut gelungen ist, ist das Einflechten von verschiedenen Songs in die Passionsgeschichte. Es sind Songs, die wir aus anderen Zusammenhängen kennen und die wir eigentlich gar nicht mit dem Passionsgeschehen in Verbindung bringen würden. Songs, die den Protagonisten in den Mund gelegt wurden und uns so eintauchen lassen in ihre mögliche Gefühlswelt. Songs, die uns dadurch die Passion Jesu ganz eindrücklich miterleben lassen, die uns Jesus und seine Jünger greifbarer machen.

Jesus reitet nicht auf einem Esel, sondern fährt gemeinsam mit seinen Jüngern im Bus in die Essener Innenstadt. Die Stimmung ist ausgelassen, wir sehen eine eingeschworene Gemeinschaft, die zusammen durch dick und dünn geht. "Ein Hoch auf uns, auf dieses Leben!" singen sie, "Auf einen Tag Unendlichkeit." (vgl. Andreas Bourani – Auf uns) Die Zuschauer werden mitgenommen auf dieser Welle der Begeisterung und erleben die Euphorie der Jünger, ihr Bewusstsein, das Richtige gewählt zu haben, ihre Überzeugung, die Welt verändern zu können. Es wird deutlich spürbar, dass sie dankbar sind für das, was sie gemeinsam erreicht haben und dass sie bereit sind, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen – bis ans Ende.

Später, nach dem letzten Abendmahl, ist Jesus allein im Garten Getsémani. Seine Verzweiflung, seine Angst, seine Fragen werden sehr eindrücklich ins Wort gebracht: "Ist da jemand, der mein Herz versteht? Und der mit mir bis ans Ende geht? […] Der mir den Schatten von der Seele nimmt? Und mich sicher nach Hause bringt? Ist da jemand, der mich wirklich braucht? Ist da jemand?" (vgl. Adel Tawil – Ist da Jemand?) Hier zeigt sich Jesus von seiner menschlichen Seite. In der größten Einsamkeit, im Angesicht des Todes, wünscht er sich jemanden, der diesen schweren Weg mit ihm geht, doch seine Jünger schlafen wiederholt ein. Aber er weiß auch, dass nach allem Leid das Zuhause auf ihn wartet – an der Seite seines Vaters.

Ganz am Ende der Veranstaltung steht der Auferstandene hoch über dem Publikum auf dem Dach eines Gebäudes. "Halt dich an mir fest, wenn dein Leben dich zerreißt. Halt dich an mir fest, wenn du nicht mehr weiter weißt. Ich kann dich verstehn. Halt dich an mir fest, weil das alles ist, was bleibt." (vgl. Revolverheld – Halt dich an mir fest) Was für eine tröstende, Mut machende Zusage! Auch wenn Jesus für seine Jünger nach seiner Himmelfahrt nicht mehr so verfügbar ist wie zu Lebzeiten, so können sie sich doch an ihm festhalten, sich an ihm orientieren, so ist er doch weiterhin in ihrer Mitte – durch seinen Hl. Geist, der sie von innen her stärken soll.

Eine derartige empathiegeleitete Auseinandersetzung mit biblischen Texten – diese Erfahrung mache ich auch immer wieder im Religionsunterricht – lässt uns mit-fühlen, mit-erleben, mit-leiden… und eröffnet uns so einen neuen Zugang.

Evangelium nach Matthäus (Mt 21,1–11)

Als sich Jesus mit seinen Begleitern Jerusalem näherte und nach Bétfage am Ölberg kam, schickte er zwei Jünger aus und sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt; dort werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los und bringt sie zu mir!

Und wenn euch jemand zur Rede stellt, dann sagt: Der Herr braucht sie, er lässt sie aber bald  zurückbringen. Das ist geschehen, damit sich erfüllte, was durch den Propheten gesagt worden ist: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist sanftmütig und er reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers.

Die Jünger gingen und taten, wie Jesus ihnen aufgetragen hatte. Sie brachten die Eselin und das Fohlen, legten ihre Kleider auf sie und er setzte sich darauf.

Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf dem Weg aus, andere schnitten Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Leute aber, die vor ihm hergingen und die ihm nachfolgten, riefen: Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe!

Als er in Jerusalem einzog, erbebte die ganze Stadt und man fragte: Wer ist dieser?

Die Leute sagten: Das ist der Prophet Jesus von Nazaret in Galiläa.

Die Autorin

Schwester Regina Greefrath CSA gehört dem Orden der Augustiner-Chorfrauen an. Sie unterrichtet am klostereigenen Gymnasium die Fächer katholische Religion und Spanisch und engagiert sich in der AG Berufungspastoral der Orden (AGBO).

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.