Schwester Christine Klimann über das Sonntagsevangelium

Zurückgehen an den Ort des Schmerzes

Veröffentlicht am 08.04.2023 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 
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Rom ‐ Bedeutet Ostersonntag, alles Leid für einen Tag auszublenden, um ungestört Halleluja singen zu können? Für Schwester Christine Klimann ist Maria Magdalena, die zum Grab zurückkehrt und sich so dem Schmerz aussetzt, eine wichtige Hoffnungsträgerin.

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Manchmal kommt der Ostersonntag sehr plötzlich. Eben waren wir noch mitten im Schmerz des Karfreitags, der auch gut zu unserer so leidenden Welt passt – und nun soll wie auf einen Schlag alles eitel Wonne Sonnenschein sein? Ganz abgesehen davon, dass ich für diesen Übergang vielleicht mehr Zeit brauche, macht dabei auch unsere Welt nicht mit. Der Krieg in der Ukraine ist nicht plötzlich vorbei, nur weil Ostersonntag ist. Auch heute werden geliebte Menschen sterben und Welten zusammenbrechen. Bedeutet Ostersonntag dann, das alles zumindest mal für einen Tag auszublenden, um ungestört Halleluja singen zu können? All dem Deprimierenden und Beängstigenden den Rücken zuzukehren, um sich am Osterfeuer wärmen zu können?

Das Evangelium zeigt einen anderen Weg, für den es viel Mut braucht. Maria Magdalena hat sich nicht einfach abgelenkt, sondern sie ist zurückgegangen zum Ort des Schmerzes. Zu diesem Ort, wo ihre Hoffnung begraben lag. Vielleicht hätten wohlmeinende Freundinnen ihr etwas anderes geraten: Luftveränderung, Schonung, neue Perspektiven.

Maria Magdalena aber zieht es zurück dorthin und sie folgt diesem Impuls – wider alle Logik. Denn wer sollte ihr den Stein vom Grab wegwälzen? Genau dort, am Ort ihres Schmerzes macht sie eine Erfahrung, die alles umwälzt. Nicht so, wie sie sich das gedacht hat. Sie findet nicht Trost in der Sorge für den geliebten toten Körper. Denn er, den sie liebt, ist nicht tot. Er lebt. Aber um das zu verstehen, braucht sie eine sehr direkte Ansprache. Die Zeichen allein zu deuten, dazu ist sie nicht im Stande. Das war aber auch gar nicht notwendig. Vielleicht hat der Mut genügt, sich ihrem Schmerz auszusetzen und zurückzukehren. Denn dort begegnet ihr der Auferstandene über ihre eigenen inneren Grenzen hinweg.

Es ist allerdings auch nicht so, dass das, was geschehen war, doch nicht wahr ist, nur ein böser Traum. Vielleicht hat Maria Magdalena für einen Moment gehofft, dass nun alles so weitergehen kann wie bisher. Mit Jesus gemeinsam unterwegs sein, für ihn sorgen, seine Nähe spüren. "Halte mich nicht fest", sagt Jesus und zerstört damit auf einen Schlag alle diesbezüglichen Hoffnungen. Eine neue Ära hat begonnen und Maria muss eine neue Art der Verbundenheit mit ihm lernen. Ob ihr das leicht oder schwer gefallen ist, wissen wir nicht. Aber ihr lapidarer Satz zu den Jüngern "Ich habe den Herrn gesehen" hat etwas Tröstliches an sich.

Was bedeutet das alles für Ostern 2023? Vielleicht, dass sich Ostern nicht an unseren Schmerzen – den individuellen ebenso wie den großen Schmerzen dieser Welt – vorbei ereignet, sondern genau dort geschehen will, wo wir sie spüren. Und vielleicht auch, dass wir nicht wissen, was genau daraus entstehen wird. Vor allem aber wahrscheinlich, dass Ostern Mut braucht und Maria Magdalena eine gute Patronin dafür ist.

Aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 28,1-10)

Am ersten Tag der Woche kam Maria von Mágdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.

Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als Erster ans Grab. Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging jedoch nicht hinein. Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Haupt Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle. Da ging auch der andere Jünger, der als Erster an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte.

Denn sie hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse. Dann kehrten die Jünger wieder nach Hause zurück. Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten.

Diese sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen
und ich weiß nicht, wohin sie ihn gelegt haben. Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um
und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war.

Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast! Dann will ich ihn holen.

Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und sagte auf Hebräisch zu ihm: Rabbúni!, das heißt: Meister. Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen.
Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.

Maria von Mágdala kam zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte.

Die Autorin

Schwester Christine Klimann gehört zur Kongregation der Helferinnen, ist Pastoralreferentin und studiert in Rom Psychologie.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.