Warum manche Kinofilme an Karfreitag tabu sind

Wer Spaß an Kuriositäten hat, für den ist diese Liste das Richtige: Bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft gibt es eine Aufstellung von Filmen, die an sogenannten stillen Feiertagen nicht gezeigt werden dürfen. Wer als Kinobetreiber an einem solchen Tag also Kulturgut wie "Charley's Tante" oder das "Texas Chainsaw Massacre" aufs Programm setzt, bekommt Ärger.
Zu den stillen Feiertagen gehören je nach Bundesland unter anderem der Karfreitag, aber auch Allerheiligen. Sie genießen einen besonderen Schutz, deshalb sind auch Tanzveranstaltungen an diesen Tagen verboten. In Kinos dürfen keine Streifen laufen, deren "Charakter diese[n] [stillen] Feiertage[n] so sehr widerspricht, dass eine Verletzung des religiösen und sittlichen Empfindens zu befürchten ist", heißt es von der FSK. Diese Grundhaltung, dass manche Tage einen speziellen zu bewahrenden Charakter haben, stammt noch aus der Weimarer Republik.
Aus diesem Grund vergibt die FSK eine "Feiertagsfreigabe", damit ein Film an einem stillen Feiertag gezeigt werden darf – oder eben auch nicht. Dann landet der Titel auf der etwa 700 Streifen umfassenden Liste. Was könnte also das "religiöse und sittliche Empfinden" verletzen? Dabei sind eine ganze Menge Horrorfilme, "Die Nacht der lebenden Toten" zum Beispiel – oder auch Sexlastiges wie "Die liebestollen Dirndl von Tirol", als Kombination beider Genres ist auch "Horrorsex im Nachtexpress" darunter. Die Filmseite "Moviepilot" sagt zum Niveau des Films: "Gelegentliche Versuche, die Charaktere zu differenzieren, gehen im Schmierentheater der Darsteller (ganz ganz schlimm: Silvia Dionisio) unter."
Klassiker auf der Liste
Es ist also eine ganze Menge Vernachlässigbares dabei. Daneben stehen aber auch Klassiker wie "The Rocky Horror Picture Show", "Vier Fäuste für ein Halleluja", "Die Feuerzangenbowle", "Ghostbusters", "Terminator" oder "Top Gun" auf der Verbotsliste. Besonders spannend sind die Filme, die die Diskussion um das Prinzip der stillen Feiertage verkörpern. Ganz vorne mit dabei ist das Meisterwerk "Das Leben des Brian", das sich wie die anderen Filme der britischen Komikergruppe Monty Python auf der Liste befindet. Die Religionssatire (laut dem britischen Filminstitut auf Platz 28 der besten britischen Filme aller Zeiten) sorgt seit ihrer Erstaufführung 1979 für leidenschaftliche Diskussionen und das Aufführverbot an Karfreitag beschäftigt in schöner Regelmäßigkeit die Gerichte. 2019 entschied beispielsweise ein Stuttgarter Gericht, dass der Film gezeigt werden durfte, aber nicht zu Unterhaltungszwecken und nur mit geschlossenen Fenstern und Türen. Humanisteninitiativen organisieren immer wieder Brian-Vorstellungen am Karfreitag, um ein Zeichen zu setzen.
Der bekannteste Film auf der FSK-Liste: "Monty Python's - Das Leben des Brian"
Dass die Filmregelung zu stillen Feiertagen alles andere als unumstritten ist, sieht auch die FSK selbst: "Sicherlich diskussionswürdig ist, inwieweit diese Regelung insgesamt noch als zeitgemäß empfunden wird. Hier wären ein gesellschaftlicher Diskurs und der Gesetzgeber gefragt", heißt es da. Denn die FSK arbeitet im Auftrag des Jugendschutzgesetzes, auf dessen Grundlage haben auch die Bundesländer vereinbart, die Einschätzungen der FSK zu übernehmen. Die gelten auch nur fürs Kino. Wer privat etwa "Mary Poppins" (auch auf der Liste) schauen will, kann das tun, egal ob auf DVD, im Fernsehen oder als Stream – all dies wird von der Regelung nicht berührt.
Auch an der Freigabepraxis zeigt sich, dass sich am "religiösen und sittlichen Empfinden" in der Gesellschaft etwas bewegt hat. Bis in die 1970er Jahre wurden noch mehr als die Hälfte aller geprüften Filme aussortiert, seit 2000 liegt der Anteil bei einem Prozent oder weniger. So galt in den 1980er Jahren "Ghostbusters" noch als nicht genehm für Karfreitag, heute würden das sicher viele anders sehen.
Unterlassene Freigabe
Dass Filme wie "Max und Moritz" oder auch die Kleist-Verfilmung "Der zerbrochene Krug" nicht feiertagsfrei sind, kann einen sehr profanen Grund haben: Dass die FSK die Feiertagstauglichkeit prüft, muss bei einem Prüfantrag mit angegeben werden. Geschieht das nicht, wird der Film nicht geprüft und gilt damit automatisch als nicht feiertagsfrei. In diesem Falle müssten Kinobetreiber "eine entsprechende Einschätzung" treffen, so die FSK. Mittlerweile sind die Altersfreigabe und die Feiertagsfreigabe aneinander gekoppelt, zu solchen Fällen kommt es also nicht mehr.
Auf Seiten der Kirchen gibt es noch Verteidiger der stillen Feiertage. Der Karfreitag sei "der letzte gesamtgesellschaftliche Konsens, wenigstens an einem Tag im Jahr innezuhalten", sagte etwa der Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Berlin-Mitte, Bertold Höcker vergangenes Jahr. Er glaube, dass sich die Gesellschaft keinen Gefallen tue, "wenn wir die letzten Reste gemeinsamer Trauer abräumen – zugunsten von: Es hält halt jeder, wie er will – und wenn man Karfreitag eben tanzen will, will man tanzen". Für Menschen, die sich nicht an das Verbot hielten, habe er "keinerlei Verständnis".
So wird es wohl auch in diesem Jahr wieder ein Nebeneinander geben: Die einen, die um den ans Kreuz geschlagenen Heiland trauern – und die anderen, die begierig auf eine Vorstellung der "verbotenen Filme" lauern. Die Gesellschaft teilt sich, nicht nur an Karfreitag.