Neues Einzugsverfahren für Kirchensteuer sorgt für Unruhe

Der Fiskus, die Banken und die Kirchen

Veröffentlicht am 12.08.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Kapitalerträge

Bonn ‐ Die Kirchen haben schon im Vorfeld geahnt, dass es Ärger geben könnte. Doch mittlerweile sorgt ein ab 2015 fälliges automatisches Verfahren zur Abführung von Kirchensteuern auf Kapitalerträge nicht nur für viel Unmut sondern auch zu Kirchenaustritten.

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Eigentlich geht es lediglich um ein vereinfachtes Einzugsverfahren der Steuer: Seit 2009 werden auf Kapitalerträge oberhalb eines Freibetrags pauschal 25 Prozent Ertragssteuer erhoben und als Quellensteuer direkt von der Bank, Versicherung oder Kapitalgesellschaft abgeführt. Schon bislang wurden auf diese Erträge auch Kirchensteuern fällig. Da die Geldinstitute aber nicht wussten, ob der Kunde kirchensteuerpflichtig ist, konnte auch kein automatischer Abzug der Kirchensteuer erfolgen. Es galt deshalb eine Übergangsregelung, nach der der Steuerpflichtige wählen konnte, ob er sein Kreditinstitut über seine Religionszugehörigkeit informieren oder entsprechende Angaben in seiner Steuererklärung machen wollte. Diese Übergangslösung läuft jetzt aus.

Eigentlich nichts Neues

Deshalb bekommen Kunden derzeit Post von ihren Geldinstituten. Banken und Versicherungen teilen darin mit, dass sie jetzt einmal im Jahr beim Bundeszentralamt für Steuern die Religionszugehörigkeit des Kunden erfragen. Wer das nicht offenbaren will, kann schriftlich widersprechen. In diesem Fall muss der Steuerzahler aber weiterhin in seiner Steuererklärung seine Kirchensteuerpflicht auf Kapitalerträge offenlegen.

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Video: © Mediaplus X und Bernward Medien

Die Kirchen in Deutschland finanzieren sich weitgehend über die Kirchensteuer. Was passiert mit der Abgabe? Und warum gibt es die Kirchensteuer überhaupt?

Eigentlich nichts Neues also, argumentieren die Kirchen. Schließlich sei es eine Frage der Gerechtigkeit, dass Kapitalerträge genau so kirchensteuerpflichtig sind wie andere Einkommensarten. Manche Bürger sehen das offenbar anders: Vielen Sparern scheint nicht bewusst gewesen zu sein, dass sie auch auf Kapitalerträge Kirchensteuern zahlen müssen. Dazu kommt, was Kirchenvertreter hinter vorgehaltener Hand als massiven Image-Verlust bezeichnen: Es sei der Eindruck entstanden, dass die Kirchen nun die Sparkonten ihrer Mitglieder unter die Lupe nehmen und dazu auch mit den ungeliebten Banken zusammen arbeiten, heißt es selbstkritisch.

Genaue Zahlen über Kirchenaustritte 2014 gibt es noch nicht. Doch mehrere evangelische Landeskirchen, darunter die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern und die Evangelische Kirche in Württemberg, berichteten von Steigerungen von über 50 Prozent gegenüber die Vorjahreszeitraum. In der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers rechnet man mit einem Plus von 30 bis 40 Prozent im ersten Halbjahr 2014. Auch Vertreter der katholischen Kirche bestätigen einen Trend zu höheren Zahlen.

Wie sehr die Nerven mitunter blank liegen, zeigen Vorwürfe des Finanzchefs der Evangelische Kirche im Rheinland, Bernd Baucks: Er hielt Geldinstituten vor, Kunden zum Kirchenaustritt geraten zu haben - ohne allerdings Belege vorzulegen. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz reagierte mit einer Informationsbroschüre, die mittlerweile mehr als eine Million Mal verteilt wurde.

Auch technische Schwierigkeiten

Dazu kommen technische Schwierigkeiten: Wie die "Welt" am Montag berichtete, haben bisher 375.000 Steuerzahler Einspruch gegen die Weitergabe ihrer Religionsdaten an die Banken erhoben. Darüber hinaus fehlen den Banken laut "Welt" immer noch die Steueridentifikationsnummern Zehntausender Steuerzahler. Sie sind notwendig, damit die Institute die Kirchensteuer für jeden Kunden an den Fiskus abführen können.

Banken und Bundeszentralamt weisen sich die Schuld an den Mängeln gegenseitig zu. Die Banken müssten in Sachen Kirchensteuer hoheitliche Aufgaben übernehmen und viel zusätzliche Arbeit schultern - und das, ohne einen Pfennig dafür zu bekommen, zitiert die Zeitung einen Bankmanager.

Die Zeit drängt, denn bis Ende August müssen allen Geldinstituten die Daten ihrer Kunden vorliegen. Ansonsten werden die Steuerzahler ihre Kirchensteuer auf Kapitalerträge doch noch über die Steuererklärung deklarieren müssen.

Von Christoph Arens (KNA)

Das Wichtigste auf einen Blick

Worum geht es bei der Kirchensteuer auf Zinserträge?

Seit 2009 werden auf sämtliche Kapitalerträge, die den Sparer-Pauschbetrag überschreiten, pauschal 25 Prozent Kapitalertragsteuer erhoben. Sie werden als sogenannte Quellensteuer direkt von der Bank abgeführt. Hinzu kommen der Solidaritätszuschlag in Höhe von derzeit 5,5 Prozent des Kapitalertragsteuerbetrags sowie eventuell Kirchensteuer, die je nach Bundesland 8 oder 9 Prozent des Kapitalertragsteuerbetrags ausmacht.

Was ändert sich 2015?

Da die Banken nicht wussten, ob jemand kirchensteuerpflichtig ist, konnte bisher kein automatischer Abzug des Kirchensteueranteils erfolgen. Es galt deshalb seit 2009 eine Übergangsregelung, nach der der Steuerpflichtige wählen konnte, ob er sein Kreditinstitut informieren oder entsprechende Angaben in seiner Steuererklärung machen wollte. Diese Übergangslösung läuft jetzt aus.

Wie gehen die Banken jetzt vor?

Ab 2015 werden auch die kirchlichen Abgaben auf Zinserträge direkt von der Bank abgeführt. Bei der Neuregelung handelt es sich nicht um eine neue Steuer, sondern lediglich um ein modernisiertes und automatisiertes Verfahren. Deshalb bekommen Kunden in diesen Wochen Benachrichtigungen von ihren Geldinstituten.

Sehen die Bankmitarbeiter, welcher Konfession der Kunde ist?

Nein, denn die Information soll in einer verschlüsselten, sechsstelligen Kennziffer verborgen werden.

Kann man sich gegen die Abfrage der Religionszugehörigkeit wehren?

Wer nicht will, dass die Bank über seine Religionszugehörigkeit Bescheid weiß, kann sich einen Sperrvermerk eintragen lassen. Dies muss schriftlich beim Bundeszentralamt für Steuern erfolgen. In diesem Fall muss der Steuerzahler aber weiterhin eine Einkommensteuererklärung mit den Angaben zu Kapitalerträgen abgeben, damit die Kirchensteuer korrekt abgeführt wird. (KNA)