Younia Hilbert ist Subdiakonin in der chaldäisch-katholischen Kirche

Subdiakonin: Ohne Kirche kann ich nicht leben

Veröffentlicht am 11.06.2023 um 12:08 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Bonn ‐ Ursprünglich kommt Younia Hilbert aus dem Irak. 1986 heiratet sie und zieht mit ihrem Mann von Bagdad nach Schorndorf. In der chaldäisch-katholischen Gemeinde findet sie Heimat und wird sogar Subdiakonin. Im Interview mit katholisch.de berichtet Hilbert über ihr Amt und ihre Aufgaben.

  • Teilen:

Younia Hilbert ist 63 Jahre alt und Kirchengemeinderätin der chaldäisch-katholischen Gemeinde "Mar Schimon Bar Sabai" in Rohracker bei Stuttgart. Seit 2012 ist sie auch Subdiakonin. Die kaufmännische Angestellte kommt ursprünglich aus dem Irak. 2006 lernt sie die chaldäische Gemeinde in Stuttgart kennen und beginnt sich dort zu engagieren. Die Kirche gibt ihr Heimat. Eines Tages fragt sie der dortige Pfarrer, ob sie gerne Subdiakonin werden möchte. Im Interview mit katholisch.de spricht sie über ihr Amt und die damit verbundenen Aufgaben in der Gemeinde. 

Frage: Frau Hilbert, wurden Sie zur Subdiakonin beauftragt oder geweiht?

Hilbert: Ich bin geweihte Subdiakonin. Der Erzbischof von Erbil, Bashar Matti Warda, hat mich am 26. August 2012 in der Kirche St. Clemens in Stuttgart-Botnang geweiht. Er ist damals extra für die Weihe aus dem Irak nach Stuttgart angereist. Es war eine sehr schöne Feier und es waren viele Priester dazu eingeladen.

Frage: Wie lief denn die Weihe damals genau ab?

Hilbert: Die Feier der Weihe fand im chaldäischen Ritus statt. Wenn wir Gottesdienst feiern, feiern wir immer nach dem chaldäischen Ritus. Das ist ein Ritus, der noch von der Ostkirche geprägt ist und die Sprache in der Liturgie ist Aramäisch, Chaldäisch und ein Teil Arabisch. Insgesamt waren wir bei der Weihe damals 20 Kandidaten, davon 17 Männer und drei Frauen. Wir sind mit dem Bischof eingezogen und standen dann alle vor dem Altar. Zu Beginn des Gottesdienstes hat Erzbischof Warda jedem von uns ein Stück Haar vom Kopf abgeschnitten und dazu das Gebet gesprochen: "Christus nimmt dir die Last der Sünde und schenke dir Reinheit, jetzt und in aller Zeit". Danach wurde uns die weiße Albe angezogen und dazu das Gebet gesprochen: "Unser Herr und Gott kleidet dich wie einen neuen Menschen und möge er dich erneuern, die Wahrheit zu erkennen durch die Gnade Christi." Dann haben wir von ihm das Zingulum bekommen mit diesem Gebet: "Herr, dein Diener soll mit diesem Zingulum als Symbol der Reinheit geschürzt sein, damit er dir mit aller Demut und Ehrerbietung für immer dient." Anschließend wurde uns die Stola über die Schulter gehängt. Dann haben wir neuen Subdiakone jeweils unsere Hand auf das Lektionar gelegt. Denn es ist eine der Aufgaben des Subdiakons neben dem Dienst am Altar, aus diesem Buch im Gottesdienst die Lesung vorzulesen.

Frage: Gab es auch eine Handauflegung bei der Weihe?

Hilbert: Ja, wir Kandidaten haben uns hingekniet und Erzbischof Warda hat uns einzeln die Hand auf den Kopf gelegt und uns so gesegnet. Danach sind wir zum Altar hochgegangen und konnten das erste Mal als neugeweihte Subdiakone den Gottesdienst mitfeiern. Es war ein sehr schönes Gefühl, es war ergreifend. Ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages da oben am Altar stehen würde und einen Gottesdienst auf diese Weise mitfeiern darf. Ich wollte gar nicht mehr runter gehen. Ich wollte auch nicht, dass der Gottesdienst vorbei geht.

Chaldäische Christen

In Deutschland leben rund 20.000 chaldäische Christinnen und Christen, davon etwa ein Drittel im Großraum Stuttgart. Seit 2014 feiern die Stuttgarter Chaldäer ihre Gottesdienste in der Kirche St. Paulus in Stuttgart-Rohracker.

Frage: Warum wollten Sie Subdiakonin in der chaldäisch-katholischen Gemeinde in Stuttgart sein? 

Hilbert: Zuerst hatte ich mit Kirche nicht so viel zu tun. Ich bin im Nordirak aufgewachsen, da gabe es nur sehr wenige Christen. Später musste meine Familie wegen des Krieges nach Bagdad flüchten. Auf der Schule musste ich Arabisch lernen. Dann habe ich Geologie studiert und in einer deutschen Firma meinen Mann kennengelernt. 1986 sind wir aus dem Irak nach Stuttgart gezogen. 2006 hat sich dort eine chaldäische Gemeinschaft gebildet. Das waren Christen, die aus dem Irak geflohen sind. Sie haben in der Kirche zusammen gebetet. Dort habe ich Heimat gefunden. 2007 kam Pfarrer Sizar Happe zu der Gemeinde und begann mit uns Gottesdienste zu feiern. Ich habe ihm gleich gesagt: Wenn du Unterstützung brauchst, ich bin immer bereit zu helfen. Eines Tages hat er in der Gemeinde erzählt, dass er einen einjährigen Ausbildungskurs macht, weil er Subdiakone brauchte. Er hat auch berichtet, dass im Irak Frauen daran teilnehmen. Meine Freundin und ich haben daran teilgenommen. Ich wollte mehr über meine chaldäische Kirche erfahren. Am Ende des Kurses hat mich der Pfarrer gefragt, ob ich mich gerne zur Subdiakonin weihen lassen wollte. Da habe ich Ja gesagt. Ich war damals schon sehr in der Gemeinde engagiert und habe die Erstkommunionkinder begleitet. Für mich hat es gepasst. Ich kann ohne Kirche nicht leben. So wurde ich Subdiakonin.

Frage: Tragen Sie auch eine Stola im Gottesdienst?

Hilbert: Eine Stola habe ich nur in der ersten Zeit nach der Weihe getragen. So wie meine männlichen Kollegen. Der Patriarch von Bagdad hat aber gesagt, dass es besser wäre, wenn die Frauen bei der Messe einen Kragen mit einem V-Ausschnitt statt der Stola tragen würden. Das mache ich heute so und trage diesen Kragen. Auf dem Kopf habe ich einen dünnen Schleier. Ich mache das aus Respekt vor dem Allerheiligsten. Ich kann nicht ohne Kopfbedeckung am Altar stehen. Viele Frauen im Irak tragen im Gottesdienst so einen Schleier, vor allem beim Empfang der Kommunion.

Bild: ©Chaldäische Gemeinde Stuttgart / Sacko

Younia Hilbert ist Subdiakonin in der chaldäisch-katholischen Kirchengemeinde in Stuttgart-Rohracker. Sie trägt statt einer Stola, einen Kragen mit V-Ausschnitt.

Frage: Welche konkreten Aufgaben haben Sie als Subdiakonin im Gottesdienst?

Hilbert: Als Subdiakonin stehe ich bei jedem Gottesdienst mit dem Pfarrer am Altar und übernehme verschiedene Aufgaben. Ich trage das Weihrauchfass, halte Lesungen und Gebete im Dialog mit dem Priester. Meist in arabischer oder alt-aramäischer Sprache. Im Notfall, etwa in Kriegszeiten, kann ich auch eine Taufe durchführen. Segnung und Salbung geschieht dann aber durch den Priester. Ich habe auch schon die Taufvorbereitung für zwei Muslime in unserer Gemeinde gestaltet. Es ist viel Arbeit, aber es bereitet mir große Freude. Ansonsten begleite ich unseren Pfarrer bei Taufen, Trauungen und Beerdigungen von Gemeindemitgliedern. Ich gehe auch mit zu Krankensalbungen. Sakramente spende ich aber keine. Im Notfall darf ich taufen, aber danach muss die Salbung nochmals unser Pfarrer machen. Weil unsere Gemeinde immer größer wurde, sind wir 2013 von der Botnanger St. Clemens-Kirche in die Pauluskirche in Rohracker gewechselt. Dort haben wir mehr Platz. Ich bin in der Gemeinde für die Erstkommunionkinder zuständig und betreue den Frauenkreis. Zusätzlich mache ich auch den Unterricht für unsere Ministranten. Weil die Kinder, die zum Ministrieren kommen, hier in Deutschland aufwachsen und die chaldäische bzw. arabische Sprache im Gottesdienst oft nicht mehr verstehen, erkläre ich ihnen den Inhalt des jeweiligen Evangeliums in Form einer kurzen Predigt.

Frage: Machen Sie das alles ehrenamtlich?

Hilbert: Ja, alle diese Aufgaben übernehme ich ehrenamtlich. Denn es ist eine Ehre für mich, Subdiakonin zu sein. Meine Hauptaufgabe ist dabei der Dienst am Altar und das Lesen der Lesung. Ich denke schon, dass ich durch die Weihe ein Stück näher bei Gott bin. Mit der Weihe bin ich eine Stufe höher aufgestiegen als früher, als ich noch normale Laiin war. Bei uns in der Kirche St. Paulus in Rohracker hat der Altar einzelne Stufen. Ganz oben steht der Pfarrer, darunter stehen die Subdiakone. Also da stehe ich jetzt auch. Unser Pfarrer sagt immer wieder, dass er uns Subdiakone braucht. Schließlich betreut unser Pfarrer noch weitere chaldäische Gemeinden in Heilbronn und in Pforzheim, Ludwigshafen usw. etwa. Das ist viel Arbeit. Daher braucht er Helfer. Ich sage immer: Wir Subdiakone sind seine großen Ministranten.

Frage: Würden Sie gerne auch Diakonin sein?

Hilbert: Nein, ich bin von Herzen gerne Subdiakonin. Als Frau kann ich in der katholischen Kirche keine Diakonin sein. Da komme ich nicht weiter. Ich will es auch nicht, für mich passt es so.

Frage: Was empfehlen Sie Frauen, die gerne geweihte Diakonin in der katholischen Kirche sein möchten?

Hilbert: Ich sage einfach: Betet, habt Geduld und macht immer ein Stückchen mehr mit in der Kirche. Das ist besser als nur abzuwarten, bis es endlich einmal möglich sein wird, dass auch Frauen zu sakramentalen Ämtern in der Kirche zugelassen werden. Ich kann mir schon vorstellen, dass es eines Tages einmal in der katholischen Kirche hier Subdiakoninnen geben wird. Ich denke mir, der Heilige Geist wird schon wissen, was in der Kirche dringend benötigt wird und was die Kirche braucht.

Von Madeleine Spendier