Schwester Jordana Schmidt über das Sonntagsevangelium

Vom Mut, sich gegen Liebgewonnenes zu stellen

Veröffentlicht am 01.07.2023 um 12:30 Uhr – Lesedauer: 
Ausgelegt!

Schwalmtal-Waldniel ‐ Das heutige Evangelium fordert Schwester Jordana Schmidt besonders heraus: Sie kann einfach nicht glauben, dass Jesus zu jemandem sagt: "Du bist meiner nicht wert." Aus ihrer Erfahrung beim Klostereintritt erschließt sich ihr dann eine Bedeutung.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Ehrlich gesagt, ich stoße mich an diesem Text. Ich kann einfach nicht glauben, dass Jesus zu jemandem sagt: "Du bist meiner nicht wert." Das passt so gar nicht in das Bild, dass ich mir über die Jahre von Jesus aufgebaut habe und zu dem Glauben, den ich so sehr liebe. Doch es gibt sie, diese "unbequemen Worte Jesu". Vielleicht ja nur auf den ersten Blick…?

Bei so einem Text würde ich gerne die Zeitmaschine anschmeißen und mich Jesus zu Füßen setzen oder gar vor ihm stehen, ihm in die Augen schauen und nachfragen, was genau er damit meint und ob er das nicht ein wenig hart ausdrückt, er, der doch die Vergebung, die Liebe (besonders zu den Eltern!) predigte und die Annahme eines jeden Menschen.

Vielleicht habe ich ja auch nur diesen "Softglauben", den, bei dem ich eigentlich nur hören möchte, dass Gott mich liebt und er keine Anforderungen an mich stellt. Da wirkt so ein Text auf mich wie einer aus finsteren Zeiten, in denen der Glaube mit Angst geschürt wurde. Gut, die Grundaussage Jesus ist: Liebe mich, folge mir! Und zwar absolut, mit allen Konsequenzen. Dein Glaube braucht Entscheidungen, die manchmal hart aussehen.

Letztendlich habe ich genau das vor 33 Jahren gemacht, als ich mich dazu entschied, in ein Kloster einzutreten. Meine Eltern waren dagegen und viele meiner Freund:innen waren ebenfalls recht kritisch. Sie meinten, ich wäre zu jung dafür. Und ich habe es trotzdem gemacht! Theoretisch müsste ich mich also gar nicht so schwer tun mit diesem Text. Tue ich aber. Vielleicht hilft mir dieses kleine Wort "mehr". Denn Jesus sagt ja: Wer Vater oder Mutter "mehr" liebt als mich, ist meiner nicht wert" Also immer dann, wenn ich mich entscheiden muss und von (Familien-)Traditionen oder Verpflichtungen gehalten bin, soll diese Rede mich ermutigen, mich für Jesus zu entscheiden, WENN ich die Nachfolge und die Verkündigung antreten möchte.

Für den normalen Alltagsglauben predigt er da gerade nicht… obwohl, gibt es den für Jesus überhaupt? Er hat sich radikal für seine Mission entschieden, bis zum Tod am Kreuz, einen Weg, vor dem er uns die Angst nehmen möchte. Diese Kraft will er uns weitergeben. Also, ich bin Jesus lieb und teuer, aber wenn ich wirklich die Werte Jesu leben möchte, gehört der Mut dazu, sich gegen Traditionen, gegen Liebgewonnenes zu stellen – auch wenn dies auf den ersten Blick lieblos aussieht. Aus diesem Blickwinkel mir meine Familienverhältnisse, Freundschaften und auch die Institution Kirche anzuschauen, wäre doch zumindest einen Versuch wert.

Evangelium nach Matthäus (Mt 10,37-42)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Aposteln: Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.

Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert. Wer das Leben findet, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.

Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, wird den Lohn eines Gerechten erhalten.

Und wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist – Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.

Die Autorin

Schwester Jordana Schmidt OP ist gelernte Familientherapeutin und Diplom-Heilpädagogin. Seit 1994 gehört sie den Dominikanerinnen von Bethanien an. Von 2002 bis 2012 arbeitete sie als Erziehungsleiterin im Bethanien Kinderdorf in Schwalmtal-Waldniel und war zwischen 2012 und 2020 Kinderdorfmutter. Heute lebt sie als SPLG Mutter (Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften) mit zwei Kindern in Krefeld. Momentan sie ist mehrmals im Jahr im Radio bei "Kirche im WDR" zu hören. Ihre Bücher "Auf einen Tee in der Wüste" und "Ente zu verschenken" waren wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreiben Ordensleute und Priester für uns.