Bernd Lang rettet durch seine Knochenmarkspende ein Leben

Ein zweites Leben

Veröffentlicht am 06.01.2015 um 23:58 Uhr – Von Verena Wilhelm – Lesedauer: 
Serie: Nächstenliebe

Als Bernd Lang Stammzellen für eine leukämiekranke Amerikanerin spendet, ist das für ihn wie ein Sechser im Lotto. Heute setzten sich beide für die Stammzellspende ein.

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Bernd Lang sitzt auf seiner Terrasse. Es ist ein schöner Spätsommertag Anfang September, die Sonne geht langsam unter und es wird kühl. Obwohl vor und in seinem Haus Chaos herrscht, wirkt er ruhig, entspannt und glücklich. Der Tag, der hinter ihm liegt, war anstrengend, aber auch erfolgreich. Denn heute haben 20 Menschen in seinem Wohnzimmer genau das gemacht, was er an gleicher Stelle schon vor fünf Jahren getan hat – sie haben sich als Knochenmarkspender registrieren lassen.

Als Bernd sich 2008 mit einem Wattestäbchen durch den Mund fuhr, um sich bei der DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei als Stammzellspender registrieren zu lassen, war ihm klar, dass er mit diesem Schritt irgendwann einem kranken Menschen das Leben retten könnte. "Für mich stand von Anfang an fest: Wenn ich irgendwie helfen kann, dann mache ich das!"

Wie ein Lottogewinn

Dass es dann aber so schnell gehen würde, hatte Bernd nicht gedacht. 2010 bekam er die Mitteilung, dass er als potenzieller Spender in Frage kommen könnte. "Als sich die DKMS bei mir gemeldet hat, fühlte sich das für mich wie ein Lottogewinn an." Es folgten Voruntersuchungen beim Hausarzt, Informationsgespräche mit der DKMS und Gesundheitschecks im Krankenhaus, bis dann im Juli 2010 feststand:

Collage mit Fotos Amanda Trybula während ihrer Krankheit.
Bild: ©katholisch.de

Die Bilder zeigen, dass Amanda Trybula während ihrer Krankheit nicht den Mut verloren hat.

Bernds Stammzellen passen zu denen einer jungen, kranken Frau in den USA – Amanda. "Von da an habe ich mich immer wieder gefragt: Warum habe ausgerechnet ich das Glück, einem anderen Menschen helfen zu dürfen?" Doch im Vordergrund stand für ihn die ganze Zeit: Hauptsache helfen. Als er einen Tag vor der Spende mit seiner Frau nach Frankfurt ins Krankenhaus fährt, weiß nur sein Chef von der Spende.

"Ich wollte keinem davon erzählen – weder Freunden oder Kollegen, noch meinen drei Kindern. Wie hätte ich ihnen erklären sollen, wenn Amandas Körper die Spende nicht angenommen hätte und sie gestorben wäre?" In weniger als fünf Stunden war alles vorbei. Für die Spende wurde Bernd an eine Maschine angeschlossen, die an einem Arm sein Blut entnimmt, die Stammzellen herausfiltert und das Blut am anderen Arm wieder in den Körper laufen lässt. "Die Ärzte und Schwestern haben sich die ganze Zeit super um mich gekümmert. Abschalten konnte ich trotzdem nicht … ich habe mir die ganze Zeit Gedanken gemacht, ob alles klappt und es Amanda hilft."

Die Spende ist zunächst anonym

Während sich Bernd in Deutschland diese Gedanken macht, kämpft Amanda auf der anderen Seite der Erde ums Überleben. Als der passende Spender für sie gefunden war, bekam sie eine hoch dosierte Chemotherapie, um ihre eigene Zellproduktion und das Immunsystem herunterzufahren. Nur so war es möglich, dass sich die neuen Blutstammzellen einnisten und sich ein neues, gesundes Immunsystem bilden konnte.

Diese Zeit hat die beiden für immer miteinander verbunden, auch wenn sie sich gar nicht kannten. Um Spender und Empfänger zu schützen, ist die Stammzellspende anonym. So sind die Richtlinien. Erst wenn beide zustimmen, dürfen sich Spender und Empfänger zwei Jahre nach der Spende persönlich kennenlernen.

Sportlicher schlanker Mann mit Glatze sitzte neben einer strahlenden blonden Frau.
Bild: ©Verena Wilhelm

Knochenmarkspender Bernd Lang und die heute gesunde Empfängerin Amanda Trybula.

Um die Frist von zwei Jahren zu überbrücken, bietet die DKMS Spender-Empfänger-Paaren auch schon vorher die Möglichkeit, anonymisiert Briefe auszutauschen. Und so bekam Bernd Lang vier Monate nach seiner Spende die lang ersehnte Post: "Als im November 2010 ein Brief aus St. Louis kam, war ich überglücklich. In Gedanken habe ich mich immer wieder gefragt, ob alles gut gegangen ist. Mit dem Brief hatte ich Sicherheit, denn Amanda schrieb, dass ihr Körper die Spende angenommen hat und es ihr schon besser ginge."

Ein neues Familienmitglied

Von da an wurde seine Spende zum Familienprojekt: "Ich bin ein totaler Familienmensch. Wir machen einfach alles zusammen und erzählen uns alles. Als meine Kinder erfahren haben, weshalb ich vier Monate zuvor in Frankfurt war, waren sie begeistert. Ab diesem Zeitpunkt haben wir gemeinsam neuen Briefen von Amanda entgegengefiebert und mein Sohn hat mir geholfen, ihre Briefe zu übersetzen und auf Englisch zu antworten. Schon da habe ich gemerkt, dass Amanda jetzt zu unserer Familie gehört."

Im März 2013 war es dann endlich so weit: Bernd und Amanda haben sich in St. Louis (USA) zum ersten Mal persönlich in die Augen sehen können. "Ihn zu treffen hatte etwas Surreales. Irgendwie kannten wir uns durch die Briefe ja schon, trotzdem hatten wir uns noch nie getroffen. Dazu kam, dass ich ihm unendlich dankbar für seine Spende war. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass ein Traum wahrgeworden ist", beschreibt Amanda die ersten Augenblicke mit Bernd.

Amanda weiß, dass sie ohne Bernds Hilfe heute wahrscheinlich nicht mehr am Leben wäre. Seit der Spende hat sich auch für sie viel verändert: Sie hat ihren langjährigen Freund geheiratet und ihre eigene Marketingfirma gegründet. Um zu zeigen, dass man die Krankheit mit dem passenden Spender besiegen kann, ist Amanda Anfang September nach Deutschland gekommen.

Open House

Gemeinsam mit Bernd hat sie an diesem Spätsommertag ein "Open House" veranstaltet. Was in den USA ganz normal ist, ist hier nahezu unbekannt. Bernd hat sein Haus zur Verfügung gestellt, um andere Menschen für die Stammzellspende zu gewinnen. Amanda hat ihn dabei unterstützt. Überall im Wohnzimmer hängen Bilder von den beiden, sie erzählen ihre Geschichte.

Amanda ohne Haare und mit Mundschutz auf einem Krankenbett, Bernd mit seiner Familie und jede Menge Bilder von ihrem ersten gemeinsamen Treffen. Dass sie diese Bildergeschichte mit vielen weiteren Briefen und Fotos fortsetzen werden, da sind sich beide schon jetzt sicher.

Informationen zur Stammzellspende

  • Alle 16 Minuten erkrankt in Deutschland ein Mensch an Blutkrebs.
  • Die Datei der DKMS umfasst derzeit 3,7 Millionen Spender.
  • Täglich spenden mindestens 14 DKMS-Spender Stammzellen für Blutkrebspatienten in der ganzen Welt.
  • In den vergangenen 22 Jahren sind 36.000 Stammzellen gespendet worden.
  • Für eine erfolgreiche Transplantation müssen die Gewebemerkmale von Patient und Spender nahezu hundertprozentig übereinstimmen.
  • Die Wahrscheinlichkeit, einen passenden Spender zu finden, liegt zwischen 1 : 20.000 bis zu 1 : mehreren Millionen.
  • Daher gilt: Je mehr mitmachen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein passender Spender gefunden wird. Grundsätzlich kann jeder im Alter zwischen 18 und 55 Jahren Stammzellspender werden. Wichtig ist nur, dass Sie in einer guten körperlichen Verfassung sind, keine chronischen Erkrankungen haben und keiner Risikogruppe angehören. Über einen einfachen Wangenabstrich oder über eine Blutuntersuchung werden Ihre Gewebemerkmale bestimmt.
  • Weitere Infos unter dkms.de
Von Verena Wilhelm