Pfarrer Alexander Bergel über das Sonntagsevangelium

Wie wir zu Schatzsuchern werden

Veröffentlicht am 29.07.2023 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 
Ausgelegt!

Osnabrück ‐ Pfarrer Alexander Bergel fragt sich: Sind die Worte der Bibel nur schöne Geschichten, die am wirklichen Leben mit all seinen Zwängen vorbeigehen? Oder können wir uns von dem, was wir vermeintlich müssen, befreien? Und ist dieser Wunsch verrückt?

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"Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie." Eine Perle. Sonst nichts. Und wovon will er leben? Typisch Bibel! Immer wieder werden da große Bilder gezeichnet und verrückte Lebensentwürfe vorgestellt. Nur wie das dann gehen kann, so ganz praktisch, davon hören wir nichts. Der Mann mit der Perle ist da kein Einzelfall.

Und genau darüber bin ich so froh! Auf diese Weise eröffnet die Bibel nämlich eine Dimension des Lebens, die ich mit ziemlicher Regelmäßigkeit aus dem Blick verliere. Sie zeigt eine Welt ohne Kosten-Nutzen-Analyse, ohne wirtschaftliche Fachberatung, ohne Hausrat-, Haftpflicht-, Lebens- und Gefühlsversicherung. So wird die Bibel zu einer Mutmacherin für alle, die genug haben von den vielen Bedenkenträgern und den "Ich hab’s Dir doch gleich gesagt"-Typen. Heute gleich in allen drei Lesungen.

Und trotzdem: So verrückt kann man doch gar nicht sein! Eine Perle – und dafür alles verkaufen? Bist du dir da sicher, Jesus? – So verrückt kann man doch gar nicht sein: "Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht." Alles wird gut?! Bist du dir da sicher, Paulus? – So verrückt kann man doch gar nicht sein: "Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz!" Was ist mit Macht und Einfluss, mit Kriegsgewinn und großer Politik? Bist du dir da sicher, Salomo?

Wer in die Welt schaut, wie sie ist, der kann schon ernsthafte Zweifel bekommen, ob wir es nicht doch eher mit großen Märchenerzählungen zu tun haben, mit Geschichten, die sich am Lagerfeuer wunderbar erzählen lassen – am wirklichen Leben mit all seinen Zwängen jedoch ziemlich vorbei gehen.

Genau das aber ist doch der Punkt! Was sind denn das für Zwänge? Und wo kommen sie her? Natürlich müssen wir unseren Lebensunterhalt verdienen. Natürlich wollen wir, dass unsere Kinder eine gute Ausbildung bekommen. Natürlich macht sich der Abwasch nicht von selbst. Natürlich geht es in der großen wie der kleinen Politik um Verhandlung und Kompromiss. Und natürlich werden sich verfeindete Kriegsparteien nicht in die Arme fallen, wenn man nur oft genug weiße Tauben in die Lüfte steigen lässt.

Aber irgendwann muss es doch mal anfangen. Irgendwann muss doch einer anfangen, nach der Perle zu suchen, nach dem Schatz, der zum tragenden Grund des eigenen Lebens wird. Irgendwann können wir nicht mehr davor weglaufen. Auch wenn die Begründungen sehr einleuchtend sind: "Das hat doch noch nie funktioniert!" Oder: "Man sieht doch, was aus diesen Träumern geworden ist!" Oder: "Wenn die Kinder groß, die Raten fürs Haus abbezahlt sind, ich endlich in Rente bin – dann habe ich vielleicht Zeit für solche Sachen!"

Kann man so sehen, sicher. Führt aber dazu, das Wichtigste zu verpassen. Genau davor will uns die Bibel schützen. Mut will sie machen. Mut, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und sich bewegen zu lassen. Denn wer genau hinschaut, der spürt: Die Bibel ist kein Märchenbuch, in ihr begegnet uns die harte Realität. Wer sich dieser Realität aber stellt und so verrückt ist, an einen Gott zu glauben, der alles zum Guten führt – der kann und wird sein Leben verändern!

Und wenn sich dann auch noch alle Schatzsucher dieser Welt zusammentun…

Sie haben ja recht: Das ist verrückt! Aber vielleicht – vielleicht machen Sie es einfach trotzdem?!

Evangelium nach Matthäus (Mt 13,44-46)

In jener Zeit sprach Jesus zu den Jüngern:

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn
und grub ihn wieder ein.Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker.

Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.

Der Autor

Alexander Bergel ist Pfarrer der Pfarrei Christus König in Osnabrück.

Ausgelegt!

Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.