Neymeyr: Welterbe-Titel verpflichtet zum Vorgehen gegen Judenhass

Mit dem Welterbe-Titel für Erfurt geht nach Ansicht von Bischof Ulrich Neymeyr auch eine Verpflichtung zum konsequenten Vorgehen gegen Judenhass einher. Er zeigte sich am Sonntag erfreut über die Unesco-Auszeichnung für das jüdisch-mittelalterliche Erbe der Thüringer Landeshauptstadt. Das Welterbekomitee hatte zuvor auf seiner Tagung im saudi-arabischen Riad die Aufnahme in die Welterbeliste bekannt gegeben.
Der Erfurter Bischof erklärte, die nun ausgezeichneten Denkmäler bezeugten zwar eine Blütezeit jüdischen Lebens in Erfurt, zugleich erlebe die jüdische Gemeinschaft bis heute Ablehnung, Diskriminierung und Gewalt. "Jüdinnen und Juden können immer noch nicht unbesorgt in Deutschland leben, und es sieht so aus, als würden sie es immer weniger können. Das ist ein Skandal! Dagegen vorzugehen und die gemeinsamen Wurzeln zu entdecken, die Juden und Nichtjuden verbinden, ist auch eine Verpflichtung, die sich aus dem Welterbe-Titel ergibt." Neymeyr ist in der Deutschen Bischofskonferenz zuständig für die Beziehungen zum Judentum.
"Wir dürfen als Erfurter und Thüringer durchaus stolz sein"
Weiter sagte er: "Wir dürfen als Erfurter und Thüringer durchaus stolz sein. Das auch, weil mit dem Erfurter Titel erst zum zweiten Mal jüdisches Welterbe in Deutschland von der Unesco gewürdigt wird." 2021 waren als erste die sogenannten SchUM-Stätten in Mainz, Speyer und Worms und deren jüdisch-mittelalterlichen Relikte ins Welterbe aufgenommen worden.
Zur neuen Welterbestätte zählen die Alte Synagoge, die Mikwe (Ritualbad) und das Steinerne Haus, ein historisches Wohngebäude, die sich in der Erfurter Altstadt befinden. Das Welterbekomitee entscheidet noch bis zum 25. September über insgesamt 50 Nominierungen. Aus Deutschland kam nur ein Antrag. Für Deutschland ist es der 52. Welterbetitel, für Thüringen der fünfte. Im Freistaat haben bereits die Wartburg, die Bauhaus-Stätten in Weimar, das Klassische Weimar und der Nationalpark Hainich den Welterbe-Status.
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Neymeyr kritisierte zudem eine wachsende Unversöhnlichkeit in den gesellschaftlichen Debatten. "Auch in unserer Kirche ist der Stil der Auseinandersetzungen zunehmend rau", sagte Neymeyr am Sonntag bei einer Erfurter Bistumswallfahrt. So sei er sich in Synodalversammlungen "mitunter vorgekommen wie bei einer Parlamentssitzung", sagte der Bischof in Anspielung auf den Reformprozess "Synodaler Weg" der Kirche in Deutschland.
"Wir dürfen uns in unseren Debatten und Diskussionen nicht die Heilige Schrift um die Ohren hauen oder die Lehre der Kirche wie eine Rüstung vor uns hertragen", mahnte Neymeyr. Notwendig sei eine Form des Gesprächs, in dem jeder seine Überzeugung äußern könne, und in dem es auch Bereitschaft gebe, "seine Meinung zu ändern, um einen gemeinsamen Weg zu finden".
Mit Blick auf die am 4. Oktober in Rom beginnenden Weltsynode der katholischen Kirche äußerte der Bischof die Hoffnung, "dass der große internationale Prozess der Synodalität, den Papst Franziskus angestoßen hat, auch bei uns in Deutschland den Geist der Synodalität stärkt". (rom/KNA)