Wahl zum Brixener Hochschuldekan war zunächst am Vatikan gescheitert

Lintner: Grund für "Nihil obstat"-Wende wurde mir nicht mitgeteilt

Veröffentlicht am 10.04.2024 um 10:59 Uhr – Lesedauer: 

Brixen ‐ Vergangene Woche wurde bekannt, dass der Vatikan dem Moraltheologen Martin M. Lintner doch noch das "Nihil obstat" für seine Wahl zum Dekan der Theologischen Hochschule Brixen erteilt hat. In einem Interview hat Lintner jetzt dazu Stellung bezogen.

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Der Südtiroler Moraltheologe Martin M. Lintner weiß nach eigener Aussage nicht, warum der Vatikan ihm doch noch das notwendige "Nihil obstat" für seine Wahl zum Dekan der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen erteilt hat. "Das wurde mir nicht mitgeteilt", antwortete Lintner am Mittwoch auf eine entsprechende Frage in einem Interview mit der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt". Ausschlaggebend für den Sinneswandel Roms dürfte seiner Vermutung nach jedoch die Unterstützung durch den Bozen-Brixener Diözesanbischof Ivo Muser gewesen seien. Dieser habe sich dezidiert hinter ihn gestellt und das Gespräch mit den vatikanischen Behörden gesucht, so Lintner.

"Dass die Verweigerung zurückgenommen und mein Fall neu geprüft worden ist, wurde offiziell damit begründet, dass Fragen zu klären seien, die mehrere Dikasterien betreffen", so der Moraltheologe weiter. Dies lasse vermuten, dass auch im Vatikan nicht alle mit dem negativen Entscheid einverstanden gewesen seien. Lintner sagte zudem, dass eine gut informierte Quelle ihm gesagt habe, dass sein Fall auf dem Schreibtisch von Papst Franziskus gelegen habe. Ob das Kirchenoberhaupt ihn wahrgenommen habe, wisse er aber nicht.

Lintner sieht eigenen Fall als "Präzedenzfall"

Dass ihm doch noch das notwendige "Nihil obstat" erteilt wurde, sieht Lintner nach eigenen Worten als "Präzedenzfall". Er werte dies "als Zeichen eines neuen Stils des Bildungsdikasteriums, sachlich und lösungsorientiert zu arbeiten". Für ihn persönlich sei es zudem wichtig, dass seine moraltheologischen Publikationen nicht oder nicht mehr beanstandet würden, sondern sich im Rahmen der auch von Rom zuerkannten theologischen Forschungsfreiheit bewegten.

Für andere Theologinnen und Theologen sei die Wende in seinem Fall ein "positives Signal", erläuterte der Theologe. Er hoffe, dass es helfen könne, Befürchtungen abzubauen, sich durch Publikationen von vornherein kirchliche Karrieren zu verbauen. Nach seiner Ablehnung habe er bei Nachwuchstheologinnen und -theologen eine "neue Verunsicherung" wahrgenommen. "Für uns als Kirche sind junge Menschen, die eine akademische Karriere anstreben, unglaublich wichtig. Zu sehen, wie sie zu hinterfragen beginnen, ob sie tatsächlich in der akademischen Theologie arbeiten wollen, wo sie von einem so intransparenten Verfahren wie dem Nihil obstat abhängig sind, hat mir wirklich leidgetan."

"Auch in der Theologie zählt die Kraft der Argumente"

Auf die Frage, wie er mit der Spannung zwischen Lehramtstreue und theologischer Forschungsfreiheit umgehe, sagte Lintner: "Theologische Forschung muss begründet und darf nicht antikirchlich angehaucht sein – diesen Vorwurf darf man mir auch wirklich nicht machen." Bei aller kritischen Auseinandersetzung mit der kirchlichen Lehre stelle er diese nicht grundsätzlich und pauschal infrage, sondern versuche, sie zustimmungsfähig darzustellen und dann seine eigene Position als solche kenntlich zu machen und seine kritischen Anfragen, aber auch Lösungsansätze zu motivieren und zu begründen. "Auch in der Theologie zählt die Kraft der Argumente."

Das Brixener Hochschulkollegium hatte Lintner im November 2022 zum Dekan gewählt; ursprünglich sollte die zweijährige Amtsperiode am 1. September 2023 beginnen. Im vergangenen Sommer teilte die Hochschule jedoch mit, dass das vatikanische Bildungsdikasterium Lintner das "Nihil obstat" nicht erteilt habe. Als Grund dafür wurden Lintners Positionen zur Sexualmoral genannt. Aus der akademischen Theologie im deutschsprachigen Raum gab es daraufhin Proteste gegen die vatikanische Entscheidung und Solidaritätsbekundungen für Lintner. Kurz darauf berichtete Bischof Muser bereits von Gesprächen hinter den Kulissen und stellte eine Einigung in Aussicht. Anfang April wurde dann bekannt, dass das "Nihil obstat" aus Rom doch noch bei Muser eingegangen sei. Lintner soll das Amt als Dekan nun zum 1. September dieses Jahres antreten. (stz)