Ende nach zwei Jahren

"In der Diskussion um den Krippenausbau wurde immer wieder betont, dass auch die Eltern, die sich dafür entscheiden, keinen Krippenplatz für ihre Kinder in Anspruch zu nehmen, Wertschätzung erfahren müssen. Das Betreuungsgeld war ein Ausdruck dieser Wertschätzung", sagte Koch wörtlich. Die Bischöfe appellieren an den Bund und die Länder, nun familienpolitische Instrumente zu entwickeln, die die Erziehungsleistung von Eltern anerkennen und die Wahlfreiheit von Eltern unterstützen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte sein Urteil mit der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die familienpolitische Leistungen begründet. Denn laut Grundgesetz seien dem Bundesgesetzgeber Maßnahmen der "öffentlichen Fürsorge" nur dann erlaubt, wenn es um die bundesweite "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse" oder um die "Wahrung- der Rechts- oder Wirtschaftseinheit" gehe. Beides sei beim Betreuungsgeld nicht der Fall. Zuständig für ein Betreuungsgeld seien daher die Länder, nicht der Bund. (Aktenzeichen: 1 BvF 2/13)
Die Verfassungsrichter gaben damit der Normenkontrollklage Hamburgs gegen die Bundesregierung statt. Das Urteil wurde einstimmig gefällt. Damit haben Eltern ab sofort keinen Anspruch mehr auf Betreuungsgeld. Bereits bewilligte Zusagen könnten aber Bestandsschutz haben. Derzeit beziehen etwa 460.000 Eltern Betreuungsgeld. Sie erhalten 150 Euro monatlich, wenn ihr zwischen 15 und 36 Monate altes Kind keine öffentlich geförderte Kinderbetreuung in Anspruch nimmt. Für 2015 sind im Bundeshaushalt rund 900 Millionen Euro für das Betreuungsgeld eingeplant.
Über die ebenfalls von den Klägern aufgeworfenen Fragen, ob das Betreuungsgeld inhaltlich mit den Grundrechten vereinbar ist, entschied Karlsruhe indes nicht. "Das Urteil enthält keine materielle Entscheidung über das Betreuungsgeld, sondern allein eine Aussage zur Kompetenz des Bundes zum Erlass des Betreuungsgeldgesetzes", so Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof. Die Vertreter des Hamburger Senats hatten argumentiert, das Betreuungsgeld sei verfassungswidrig, weil es die frühe und intensive Förderung von Kindern in Kitas und Kindergärten behindere.
Das Land Hamburg begrüßte die Entscheidung. "Die Klage Hamburgs war wichtig und notwendig", sagte Justizsenator Till Steffen (Grüne). Es könne nicht sein, dass ein solches Gesetz ohne Rücksicht auf die bundesstaatliche Kompetenzordnung nur deshalb beschlossen werde, weil einer der Koalitionspartner es so wolle. Auf die verfassungsrechtlichen Bedenken sei die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren wiederholt hingewiesen worden. "Wer so unbelehrbar ist, muss sich über die Konsequenzen nicht wundern." Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) forderte den Bund auf, "das nun freiwerdende Geld für die Verbesserung der Qualität in den Kitas zur Verfügung zu stellen".
Caritas: Nun Elterngeld und Betreuungsgeld zusammenführen
Der deutsche Caritasverband kritisierte ebenso wie die deutschen Bischöfe das Urteil. 'Betreuungsgeld oder Kita' – vor diese Entscheidung dürfe man Eltern nicht stellen, sagte Caritas-Präsident Peter Neher. Kleine Kinder müssten rund um die Uhr betreut werden. "Ob Eltern ihr Kind 24 Stunden am Tag selbst oder teilweise von Verwandten oder in einer Kita betreuen lassen, darf nicht den Ausschlag geben, wie sie finanziell gefördert werden", so Neher.
"Zu kurz gesprungen"
Ein Jahr nach Einführung des Betreuungsgelds sorgte eine Studie zu dem Thema für Aufsehen. Sie legte nahe, dass die Zahlung Familien mit Migrationshintergrund und Eltern mit geringer Bildung davon abhalte, ihre Kinder in eine Kita zu schicken. Katholisch.de hat darüber mit dem Kölner Diözesan-Caritasdirektor Frank Johannes Hensel gesprochen. Im Interview erzählt er, warum eine Polarisierung des Themas nicht zielführend sei und das Betreuungsgeld weiterentwickelt werden müsse.Nun sei zu befürchten, dass das wichtige Anliegen, Familien mit kleinen Kindern in besonderer Weise zu unterstützen, unter den Tisch falle und die für das Betreuungsgeld eingeplante Summe nicht mehr den Familien zu Gute komme. Die Caritas schlägt daher vor, das Elterngeld und das Betreuungsgeld zu einer einkommensunabhängigen Leistung für alle Familien zusammen zu führen. "Alle Familien sollten unabhängig von der Art der Kinderbetreuung in den ersten drei Jahren nach der Geburt eines Kindes 300 Euro monatlich zusätzlich zum Kindergeld und Sozialgeld erhalten", fordert Neher. Wer nur kurz aussetzen möchte, könnte sich einen höheren Betrag in einem kürzeren Zeitraum auszahlen lassen.
Bayern will Betreuungsgeld weiter auszahlen
Das Betreuungsgeld wurde zum 1. August 2013 eingeführt. Innerhalb der großen Koalition hatte vor allem die CSU auf die neue Sozialleistung bestanden. Kritikerbezeichneten es spöttisch als "Herdprämie", die dazu führen könne, dass junge Mütter weniger arbeiteten und frühkindliche Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten weniger genutzt würden.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte schon vor dem Urteil angekündigt, Bayern werde das Geld weiter auszahlen. Nun forderte er, der Bund müsse den Ländern, die das Geld in Eigenregie weiterführen wollten, dafür Geld zur Verfügung stellen. Der Bund sei "in der Pflicht, den Ländern die bisher für das Betreuungsgeld eingesetzten Mittel in vollem Umfang zur Verfügung zu stellen", meint Seehofer. Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) bekam vom bayerischen Kabinett den Auftrag, sehr rasch die gesetzlichen Grundlagen für eine Fortzahlung des Betreuungsgeldes in Bayern zu schaffen. Seehofer stellte einen entsprechenden Beschluss für September in Aussicht. (gho/dpa/KNA)
21.07.2015, 12.00 Uhr: Um Statement von Ministerpräsident Horst Seehofer ergänzt
21.07.2015, 12.10 Uhr: Um Vorschlag der Caritas zur Zusammenführung von Eltern- und Betreuungsgeld ergänzt
21.07.2015, 14.51 Uhr: Um Reaktion von Bischof Koch ergänzt