Es braucht kirchliche Gegenrede – gerade im Wahlkampf
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Wer aus eigenen Fehlern klug wird, beweist Urteilskraft und Größe. Wahlhirtenbriefe, dem gläubigen Volke mit Amtsautorität von den Kanzeln verkündet, waren ein Fehler, den die deutschen Bischöfe seit langem korrigiert haben. Dass daraus die Klugheitsregel "sechs Wochen vor der Wahl die Klappe halten" wurde, war vorige Woche den Worten des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck zu entnehmen.
Unklug ist es aber, daraus ein Prinzip zu machen. Die Absicht des Unionsfraktionschefs und Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, im Bundestag erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik das Tabu eines Schulterschlusses mit der extremen Rechten zu brechen, bedurfte einer deutlichen, kritischen Reaktion der Kirchen. Auch und gerade drei Wochen vor einer Wahl. Was wäre die bischöfliche Erklärung zur Unvereinbarkeit von völkischem Nationalismus mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild wert, wenn sie "nur" für Wählerinnen und Wähler gelten sollte, nicht aber für die gewählten Volksvertreter?
Die Absetzbewegungen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und einzelner Bischöfe vom ökumenischen Brandbrief aus der vorigen Woche stellen den Chef ihres Berliner Büros in ein – gelinde gesagt – merkwürdiges Licht. Sollte sich ein kirchenpolitisch so gewiefter Mann wie Prälat Karl Jüsten für seine Positionierung wirklich keine Rückendeckung im Ständigen Rat der Bischöfe geholt haben? Das ist schlechterdings kaum vorstellbar. Fatalerweise entsteht der Eindruck eines Dissenses genau an einer Stelle, an der sich die Bischöfe erfreulich einig und geschlossen gezeigt hatten.
Reaktionen aus dem Merz-Lager zeigen indes auch, wie wenig Kredit die Kirchen dort haben. "Überrascht nicht, interessiert nicht" – dieser maximal brüske Kommentar zur Mahnung in Sachen Asylpolitik und AfD kommt einem Schnitt durchs Tischtuch ziemlich nahe. Der Rückzug von Merz Vorvorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) einerseits, Proteste aus den katholischen Frauenverbänden gegen die Unterstützung der CDU-Anträge im Bundestag durch CDU-Parlamentarierinnen in der Verbandsführung andererseits sind weitere Belege für eine augenfällige Beziehungskrise. Die gehört spätestens nach dem 23. Februar durch DBK und ZdK als C-Institutionen und die CDU/CSU als C-Parteien dringend bearbeitet.
Der Autor
Joachim Frank ist "DuMont"-Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion des "Kölner Stadt-Anzeiger". Außerdem ist er Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.