Warum die Päpste ihren Namen wechseln

Weißer Rauch über dem Petersplatz verkündet unmissverständlich: Der Stuhl Petri ist wieder besetzt, ein neuer Papst wurde gewählt. Welchen Namen wird er annehmen? Denn: Nomen est omen. Die Wahl des Papstnamens ist Programm. Sie gibt eine erste Andeutung, in welche Richtung der neue Papst die Kirche steuern will.
Der nächste Papst kann unter 83 Namen wählen, die seine Vorgänger getragen haben – oder wie Franziskus einen Namen annehmen, der noch nie vorkam. Die Spitzenreiter unter den Papstnamen sind "Johannes" (23 Mal), "Gregor" (16), "Benedikt" (16), "Clemens" (14), "Innozenz" (13), "Leo" (13) und "Pius" (12).
Kaum ein Zweifel: Auch der neue Papst wird sich einen neuen Namen geben – eine Tradition, die seit rund 1.000 Jahren zur Papstwahl gehört wie Petrus zu Paulus. Dabei ist bis heute eine ungeschriebene, aber stets beachtete Regel, dass bestimmte Namen als tabu gelten. Dazu zählen die Namen der zwölf Apostel, der vier Evangelisten und des heiligen Josef. Von den großen Ordensgründern wie Benedikt, Dominikus, Franziskus oder Ignatius konnte nur der Name Benedikt sich auf Dauer einen Platz im Pool der Papstnamen sichern – bis 2013 noch Franziskus dazukam.
Keine heidnischen Namen
Tatsächlich war es dieses Tabu, das zu den ersten Namenswechseln führte. Aus Achtung und Ehrfurcht vor dem ersten Papst, dem Apostel Petrus, legten zwei seiner späteren Nachfolger ihren Taufnamen ab. Bischof Petrus von Pavia bestieg daher als Johannes XIV. (983-984) den Papstthron, Bischof Petrus von Albano als Sergius IV. (1009-1012). Mit dem Namen eines heidnischen Gottes als Papst das christliche Volk zu führen, erschien ebenfalls unpassend. So wurde aus dem Römer Mercurio Papst Johannes II. (533-535). Er ging in die Geschichte ein als erster Papst, der seinen Namen wechselte.
In den folgenden Jahrhunderten setzten weitere Päpste dieses Beispiel fort. So übernahm 955 Ottaviano, dessen Vorname an den ersten römischen Kaiser Oktavian – Augustus erinnerte, als Johannes XII. das Petrusamt. Bruno von Kärnten, der erste Deutsche auf dem Papstthron, fand seinen Taufnamen "zu barbarisch" und wurde 996 zu Gregor V.
Sergius IV. (1009-1012) ließ mit seinem Papstnamen den Spitznamen "Schweinsmaul" hinter sich, den er im Volk trug. Von da an wurde es zur Regel, dass jeder neue Pontifex einen neuen Namen annahm – nur drei Ausnahmen bestätigen sie: Julius II. (1503-1513), Hadrian VI. (1522-1523) und Marcellus II. (1555) behielten ihren Taufnamen.
Er setze eine weitere bedeutende Zäsur: Papst Johannes Paul I.
Die frühen Namenswechsel gründeten weniger auf persönlichen Vorlieben als auf Respekt vor der christlichen Tradition und dem Wunsch, weltliche oder heidnische Anklänge hinter sich zu lassen. Später wollten die Kirchenführer zeigen, dass ein Unterschied zwischen ihrer vorherigen Person und der Amtsperson bestand.
Eine besondere Zäsur setzte der Patriarch von Venedig, Albino Luciani, als er 1978 als Johannes Paul I. einen Doppelnamen wählte. Er verband damit bewusst das Erbe seiner beiden Vorgänger, nämlich Johannes XXIII. und Paul VI., und schuf so ein Novum im päpstlichen Namensrepertoire. Sein Nachfolger übernahm den Papstnamen und regierte als Johannes Paul II. 26 Jahre, 5 Monate und 17 Tage.
Eine große Überraschung
2013 sorgte dann der Argentinier Jorge Mario Bergoglio für eine Überraschung. Nicht nur, dass er der erste Papst aus dem Jesuitenorden und der erste Papst aus Lateinamerika war; er nahm auch einen Namen an, den wirklich niemand erwartet hatte: Franziskus.
Der Papst erklärte wenige Tage nach seiner Wahl, wie es dazu kam. Der brasilianische Kardinal Claudio Hummes habe ihm gesagt: "Vergiss die Armen nicht!" Das habe ihn auf die Idee gebracht, sich nach dem heiligen Franz von Assisi (1181/82-1226) zu benennen. Der Heilige und Schutzpatron Italiens lebte in radikaler Armut, um Gott und den Menschen zu dienen.
Wird es demnächst einen Franziskus II. geben oder eher einen Benedikt XVII.? Wenn weißer Rauch über dem Petersplatz aufsteigt und es kurz darauf heißt: "Habemus papam", dann wird sich zeigen, welche Wahl der neue Papst getroffen hat.
Das sind die beliebtesten Papstnamen
Innozenz, Gregor, Clemens oder Leo? Viele Papstnamen, die früher immer wieder und gern angenommen wurden, sind seit einigen Jahrhunderten schon in Vergessenheit geraten. Auch Papstnamen unterliegen der Mode. Der neue Pontifex kann sich aus einem Pool von 83 Namen bedienen – oder aber einen noch nie dagewesenen wählen wie sein Vorgänger Franziskus.
Johannes: 23 Päpste trugen diesen Namen, doch tatsächlich waren es weniger. Einen Johannes XX. gab es nicht; im Mittelalter passierte ein Zählfehler. Zudem gab es zwei Gegenpäpste mit dem Namen. Der sehr beliebte Johannes XXIII. (1958-1963) war der bislang letzte dieses Namens. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil leitete er wichtige Reformen ein.
Gregor: 16 Päpste. Der Name wurde seit dem Tod Gregors XVI. im Juni 1846 nicht mehr verwandt. Gregor XVI. war bis zur Wahl von Franziskus 2013 der letzte Ordensmann, der Papst wurde.
Benedikt: 16 Päpste. Der bislang letzte war der Deutsche Benedikt XVI. (2005-2013), schon vor seiner Zeit als Papst ein bedeutender Theologe eher konservativer Prägung.
Clemens: 14 Päpste. Der Name Clemens bedeutet "der Milde" und wurde seit fast genau 250 Jahren, dem Tod Clemens XIV. im September 1774, nicht mehr von einem Nachfolger gewählt.
Innozenz: 13 Päpste trugen diesen Namen, darunter Innozenz III., einer der wichtigsten Päpste des Mittelalters. Doch seit dem Tod Innozenz XIII. vor 301 Jahren, im März 1724, hat sich kein Papst mehr dafür entschieden.
Leo: ebenfalls 13 Päpste. Unter ihnen war Leo der Große (440-461), der als einer von nur zwei Päpsten diesen besonderen Beinamen trägt. Der bislang letzte war Leo XIII. (1878-1903), der das Papsttum auf die Schiene ins 20. Jahrhundert setzte.
Pius: 12 Päpste. Der Name war besonders im 19. und frühen 20. Jahrhundert beliebt. Pius IX. (1846-1878) berief das Erste Vatikanische Konzil ein und ließ die päpstliche Unfehlbarkeit zum Dogma erheben. Über die Rolle von Pius XII. (1939-1958) im Zweiten Weltkrieg wird kontrovers diskutiert.
Stephan: 9 Päpste. Stephan IX. starb 1058; seither kam der Name nicht mehr zum Einsatz.
Bonifatius: 9 Päpste. Der Name ist seit über 600 Jahren nicht mehr in Gebrauch, seit Bonifatius IX. 1404 starb. Eigentlich gab es nur acht Bonifaze – denn einer, Bonifatius VII., wurde nachträglich als Gegenpapst gezählt.
Urban: 8 Päpste. Auch dieser Name ist seit bald 400 Jahren, 1644, nicht mehr in Gebrauch.
Johannes Paul I. war 1978 der erste, der einen Doppelnamen wählte und sich damit bewusst in die Tradition seiner beiden direkten Vorgänger stellte, Papst Paul VI. und Johannes XXIII. Sein Nachfolger, Johannes Paul II., zählte später zu den bedeutenden Päpsten der Geschichte.
Franziskus war 2013 der erste Papst seit über 1.000 Jahren, der einen Namen wählte, den es vorher noch nicht gegeben hatte. Er stellte sich programmatisch in die Tradition des beliebten "Heiligen der Armen", Franz von Assisi (1181/82-1226).