Reihe: So bunt ist die Kirche in Deutschland

Englischsprachige Gemeinde: In Berlin kommt die Weltkirche zusammen

Veröffentlicht am 22.07.2025 um 00:01 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

Berlin ‐ Englisch ist eine Weltsprache – entsprechend vielfältig ist die englischsprachige Mission in Berlin. Das erfordert viel Kommunikation, bedeutet aber auch eine Ressource für den Glaubensalltag – auch über die Gemeinde hinaus.

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Englisch spricht heutzutage fast jeder. Das merkt man der englischsprachigen Gemeinde in Berlin an: "Wir haben Menschen aus Afrika, aus Lateinamerika, Asien – bei uns kommen alle zusammen", sagt Sylvester Ajunwa. "Das ist eine sehr dynamische, interkulturelle Gemeinschaft, man sieht das Gesicht der Welt", sagt er. Der nigerianische Priester leitet die englischsprachige Mission in Berlin. Die ist durch historische Voraussetzungen und heutige Befindlichkeiten aus aller Welt geprägt.

Alles begann in der Allerheiligenkapelle (All Saints) im Hūttenweg, Ortsteil Dahlem. Sie entstand 1957 als Kirche für die US-Soldaten, die zur Zeit der deutschen Teilung in Berlin stationiert wurden. Bis Mitte der 1990er Jahre diente sie als Kapelle der amerikanischen Military Community. Die heutige englischsprachige Mission entstand dann 1998 durch die Vereinigung der ehemaligen amerikanischen und britischen Militärgemeinden. Infolgedessen wurde St. Bernhard in der Königin-Luise-Straße in Dahlem Hauptsitz der Mission, hier befindet sich momentan das Büro der englischen Gemeinde.

Die gibt es aber auch innerhalb der Mission, erzählt er. "Es gibt mittlerweile an fünf Orten in der Stadt englischsprachige Gottesdienste." Die sind ganz unterschiedlich geprägt. In eine Kirche gehen überwiegend Menschen mit einem ghanaischen Hintergrund – "da wird schwere ghanaische Musik gespielt". Ein anderer Ort zieht Menschen etwa aus Kenia, Tansania oder Nigeria an. "Da gibt es afrikanisch Rhythmen und Trommeln – die Identität zeigt sich ganz lebendig in der Liturgie." Wiederum andere Kirchen werden von Gläubigen ganz verschiedener Herkunft frequentiert. "Bei einer sehr internationalen Gemeinde wie etwa St. Bernhard setzen wir auf europäische Klassiker. So kann sich jeder heraussuchen, was am besten passt."

Verschiedene Bilder von Kirche

Hinter dieser Strategie steckt eine pastorale Grundintention: "Menschen aus aller Welt haben ganz unterschiedliche Bilder von Kirche", so Ajunwa. Das sei Bereicherung wie Konfliktherd. "Wir versuchen, so viel wie möglich der Bereicherung mitzunehmen und so wenig wie möglich von den Konflikten." Das heißt: Es gibt Gottesdienste je nach Geschmack, aber auch gemeinsame Aktivitäten. Ajunwa nennt einen christlichen Buchclub oder Rosenkranzgebete, die gezielt mit der Vielfalt spielen. "Da wird dann in der jeweiligen Muttersprache vorgebetet und die Gemeinde antwortet auf Englisch." Bei Hochfesten wie der Karwoche und den Ostertagen kommen dann die Gläubigen aus allen Standorten zusammen und feiern gemeinsam. "Die Motivation der Menschen ist sehr groß, manche fahren sonntags eine Stunde zum Gottesdienst – und ja auch wieder zurück."

Doch nicht nur innerhalb der eigenen Sprachgruppe ist die Zusammenarbeit und Vernetzung Thema – auch im Zusammenspiel mit den deutschsprachigen Gemeinden. Da gibt es bereits Schritte, um näher zusammenzurücken, sagt Ajunwa. "Der Hauptsitz der englischen Gemeinde und mein Büro als Leiter der englischen Mission sind in Dahlem und St. Bernhard gehört zur Pfarrei Maria Rosenkranzkönigin“ erzählt er. Dadurch trifft er den Pfarrer regelmäßig: "Wir machen Besprechungen und Sprechstunden zusammen." Auch die Firmung dieses Jahr feiern englisch- und deutschsprachige Gläubige gemeinsam.

Bild: ©Bodo Kubrak (Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, Montage: katholisch.de

Die All Saints Church in Berlin.

Denn die Gemeinde ändert sich: "Wenn Menschen hierherkommen und Kinder bekommen, dann sprechen diese Kinder ja in der Regel Deutsch als Muttersprache. Sie sind dann also eigentlich gar nicht mehr im engeren Sinne englischsprachig – kommen aber trotzdem zu uns." Ebenso gäbe es deutschsprachige Gläubige, die zu den Gottesdiensten kämen, weil sie jemanden aus der Gemeinde geheiratet haben – oder einfach, weil ihnen die Gottesdienste gefallen.

An persönlichen Verbindungen mangelt es also nicht. Wenn es dann aber an gemeinsame Gottesdienste mit deutschsprachigen Gemeinden geht, muss etwas Organisationsarbeit her – denn was ist dann die Liturgiesprache? "Wir haben das so organisiert, dass jeweils der leitende Zelebrant bestimmt, in welcher Sprache der Gottesdienst gefeiert wird. Dann versuchen wir aber auch, die jeweils andere Seite mit einzubinden." Im Großen und Ganzen sei das kein Problem, denn in einer Weltmetropole wie Berlin kann man Englischkenntnisse voraussetzen. Doch durch die Sprachüberlegungen ist noch eine ganz andere Sprache wieder aufgekommen: Latein. "Latein ist eine Sprache, die die ganze Kirche verbindet. Das nutzen wir." So kommt es etwa zu Situationen, in denen der Priester sagt: "Peace be with you" und die Gemeinde antwortet: "Et cum spiritu tuo."

Minderheitensituation annehmen

Natürlich gibt es zwischen den verschiedensprachigen Gemeinschaften auch Befindlichkeiten – etwa, wenn sich die muttersprachliche Gemeinde von der deutschsprachigen zurückgesetzt fühlt. "Wie gesagt, da geht es um Gefühle, nicht um Fakten", sagt Ajunwa dazu. "Wir müssen nun einmal annehmen, dass wir hier eine Minderheit sind. Wenn es hier eine englischsprachige Mehrheit gäbe, würden sich die Deutschsprachigen beklagen", sagt er. "Das ist ein Dialogprozess, der nicht von heute auf morgen erledigt werden kann. Niemand ist eine Insel, wir gehören alle zusammen."

Ajunwa hat sich mit den verschiedenen Grundhaltungen schon in seiner wissenschaftlichen Arbeit auseinandergesetzt. Er mahnt eine menschliche Grundhaltung an. "Natürlich dividieren und Sprache und Herkunft auseinander, aber das Menschsein verbindet uns alle." Zum Beispiel: "Setzen sie Menschen aus aller Herren Länder in einen Raum und konfrontieren Sie sie mit Schmerz. Alle werden weinen – einfach, weil das menschlich ist." Das versucht er auch in seiner Seelsorge in den Mittelpunkt zu stellen. "Wir begegnen uns immer als Menschen – das muss spürbar werden." Denn Gott habe zu den Menschen in der Sprache der Menschen gesprochen. " Viele Menschen stellen sich sehr ähnliche Fragen im Leben: Sie wollen ihren Alltag meistern, Frieden, Freude, Erfüllung – das alles ist unabhängig von der Kultur. Es gibt immer etwas, das uns verbindet."

Er glaube auch, dass sich Gläubige mit verschiedenen Hintergründen spirituell gegenseitig bereichern können. "Wenn wir uns eine Bibelstelle anschauen, gibt es immer einen Kontext: einen, in dem der Text geschrieben wurde und einen, in dem er gelesen wird." In Europa lese man als Teil einer individualistischen Gesellschaft, in der der Verstand eine große Rolle spiele. Menschen etwa aus vielen afrikanischen Ländern kämen auch kollektivistischen Gesellschaften, in denen der Glaube eher eine Sache des Gefühls sei. "Da gibt es kein richtig und falsch – das sind zwei Perspektiven, die wir miteinander in Balance bringen können. Da können wir in der Begegnung wachsen."

Bild: ©Privat, Montage: katholisch.de

Sylvester Ajunwa leitet die englischsprachige Mission in Berlin.

Diese Verbindungen fühlt der Geistliche innerhalb des Erzbistums aber gegeben. "Wir als muttersprachliche Gemeinde fühlen uns hier gut aufgehoben", sagt er. "In jedem Gremium, bei jeder synodalen Arbeit sitzen Vertreter der muttersprachlichen Gemeinden mit am Tisch. Dann treten wir in den Dialog." Man bekomme Raum und Ermutigung. "Wir kommen uns hier nie als Fremdkörper vor, sondern als Mitglieder der Ortgemeinde."

Diskriminierungserfahrungen machen die Gemeindemitglieder jedoch auch. "Unsere Gemeinde an sich wurde noch nie angegriffen. Das findet eher in den dunklen Ecken des Alltags statt", sagt Ajunwa. "Wenn für eine schwarze Familie kein Platz mehr im Kindergarten ist oder sie beim Amt ewig warten müssen oder ungleich behandelt werden. Das erzählen natürlich schon viele hier." Doch das sei, so hart es klinge, Alltag einer Minderheit.

Für die Zukunft seiner Gemeinde ist Sylvester Ajunwa in erster Linie positiv gestimmt. "Nach der Coronazeit gibt es bei uns ein großes Bedürfnis nach Spiritualität und Begegnung, über mangelnden Messbesuch kann ich mich nicht beklagen." Was ihm Sorgen macht, ist die Finanzlage des Erzbistums: "Wir haben keinen eigenen Haushalt und sind abhängig davon, wie sich die Ortskirche hier entwickelt. Wenn kein Geld mehr da ist, was machen wir dann? Mit diesem Szenario müssen wir uns noch auseinandersetzen."

Von Christoph Paul Hartmann