In Eichstätt wird einer gesucht – in St. Gallen wurde einer gewählt

Kirchenrecht und Sonderregelungen: Wie Diözesanbischöfe ins Amt kommen

Veröffentlicht am 28.06.2025 um 00:01 Uhr – Von Matthias Altmann – Lesedauer: 

Bonn ‐ Normalerweise kann der Papst neue Diözesanbischöfe frei ernennen. Im deutschen Sprachraum gibt es aber einige Sonderregelungen, wie Bischöfe in ihr Amt kommen. Und was ist mit der höheren Laienbeteiligung bei der Suche nach einem Diözesanbischof, die sich die Weltsynode wünscht?

  • Teilen:

Das Bistum Eichstätt sucht nach dem überraschenden Rücktritt von Gregor Maria Hanke einen neuen Bischof – und will dabei möglichst viele Stimmen aus der Diözese einbinden. Man wolle ein Profil entwickeln, dabei seien die Gremien auch frei, Namen zu nennen, hieß es in einer Pressemitteilung des Bistums in dieser Woche. Die Frage ist jedoch, inwieweit das erarbeitete Profil bei der offiziellen Ernennung des neuen Oberhirten eine Rolle spielt. Denn in einem bayerischen Bistum wie Eichstätt ernennt der Papst neue Bischöfe relativ frei. 

In St. Gallen ist das Ganze etwas anders: Dort konnte Ende Mai Beat Grögli nur deshalb zum neuen Oberhirten gewählt werden, weil er einem gewählten Laiengremium "genehm" war – und er zuvor auf einer Sechserliste stand, die das Domkapitel nach der Befragung kirchlicher Gruppierungen zum Profil eines neuen Bischofs selbst erstellt hat. Das kommt dem ziemlich nahe, was sich die Mehrheit der Delegierten beim Synodalen Weg der Kirche in Deutschland gewünscht hat.  

Die übliche kirchenrechtliche Praxis ist die, dass ein Papst Diözesanbischöfe frei ernennt. Der Apostolische Nuntius in den betreffenden Ländern kann aus der Ortskirche Meinungen zu geeigneten Kandidaten einholen – auch von Laien. In der entsprechenden Passage im Codex Iuris Canonici gibt es jedoch eine Ergänzung: "… oder bestätigt den rechtmäßig Gewählten". Diese Formulierung nimmt Rücksicht auf die Sonderregelungen, die es so nur im deutschsprachigen Raum gibt. Die sehen zumeist ein Wahlrecht für das jeweilige Domkapitel vor – verbunden mit regionalen Besonderheiten.

König erhielt Nominationsrecht

Grundlage sind die jeweiligen Konkordate des Heiligen Stuhls. Alles begann mit der Säkularisation im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses 1803, durch die Kirchenbesitz an weltliche Herrscher überging. Das bedeutete für sie aber auch die Verpflichtung, für die Ausstattung der künftigen Bischöfe, Domkapitel und Priesterseminare zu sorgen. Über die genaue Ausgestaltung des Verhältnisses wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen der Kirche und einzelnen Staaten auf dem Gebiet des ehemaligen Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation verhandelt. 

So wurden zu dieser Zeit in Bayern, in Preußen und in der späteren oberrheinischen Kirchenprovinz sowie in der Schweiz Konkordate oder andere Verträge mit dem Heiligen Stuhl geschlossen. Überall ging es auch um die Frage, wer die Bischöfe ernennt. "Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war überall in den Köpfen die Vorstellung, dass der Souverän, also der König, das macht", sagt der emeritierte Luzerner Kirchenhistoriker Markus Ries. So wurde es beispielsweise in Bayern mit seinem katholischen Herrscherhaus der Wittelsbacher geregelt: Der König erhielt das Nominationsrecht.  

Bild: ©Bistum St. Gallen/Urs Bucher (Archivbild)

Vor seiner Wahl hat das Domkapitel selbst eine Liste erstellt, aus dem Beat Grögli zum neuen Bischof von St. Gallen gewählt wurde.

Dem preußischen König hingegen – einem Protestanten – wollte man dieses Recht jedoch nicht zugestehen. Man gestatte ihm aber gewisse Ausschlussrechte. Die Domkapitel auf preußischem Gebiet stellten fortan eine Kandidatenliste zusammen; der König konnte missliebige Kandidaten streichen, dann wählte das Domkapitel einen der Übriggebliebenen aus. Und am Ende bestätigte und ernannte der Papst den Gewählten. Diese Regelung wurde schließlich in den Schweizer Bistümern St. Gallen und Basel übernommen – wo sie bis heute gelten.  

In der Schweiz hatte man es bei den Verhandlungen allerdings nicht mit Fürsten zu tun: Dort waren die Vertragspartner kleine, weitestgehend demokratisch organisierte Republiken – die Kantone. Viele von diesen waren zudem eher protestantisch geprägt. Deshalb gab es dort wie in Preußen kein Nominationsrecht für die Regierungen, sondern eben nur Ausschlussrechte. Diese vertraglich garantierten Widerspruchsrechte nahmen schließlich staatliche besetzte (Basel) oder staatskirchenrechtliche (St. Gallen) Gremien wahr, wobei in Basel einige Kantonalregierungen ihr Recht auf Delegierte kirchlichen Gremien überlassen haben. 

Für das Bistum St. Gallen heißt das konkret: Das Domkapitel erstellt eine Sechserliste mit Kandidaten, die nach Rom geschickt wird. Nach einer dortigen Prüfung – der Vatikan kann gegen Kandidaten ein Veto einlegen – kommt die Liste nach St. Gallen zurück. Danach wird sie dem sogenannten Katholischen Kollegium, dem Parlament des Katholischen Konfessionsteils des Bistums, vorgelegt. Dieses kann seinerseits drei "mindergenehme" Kandidaten von der Liste streichen. Dann wählt das Domkapitel – der Gewählte muss anschließend noch offiziell vom Papst ernannt werden. 

Synodalversammlung
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht (Archivbild)

Legten einen Beschluss zur Laienbeteiligung bei Bischofsbestellungen vor: die Delegierten der Synodalversammlung.

In den deutschen Bistümern nahm der Vatikan im Lauf der Zeit das Heft wieder stärker in seine Hand: So hat nach dem neuen und aktuell gültigen Bayerischen Konkordat (1924) jeder Bischof und jedes Domkapitel der bayerischen Diözesen alle drei Jahre dem Heiligen Stuhl eine Liste von geeigneten Kandidaten für das Bischofsamt vorzulegen. Bei Vakanz eines Bischofsstuhls legt das Domkapitel der entsprechenden Diözese nochmals eine eigene Kandidatenliste vor. Aus all diesen Kandidatenlisten wählt der Papst den aus, den er zum Bischof ernennt – sofern die Landesregierung aus politischen Gründen keine Vorbehalte gegen den Kandidaten hat.  

Auch das Badische (1932) sowie das Preußische Konkordat (1929) bestimmen, dass die Bischöfe und Domkapitel dem Heiligen Stuhl Listen geeigneter Kandidaten für das Bischofsamt vorlegen. "Unter Würdigung" dieser Vorschläge nennt der Heilige Stuhl dem Domkapitel drei Kandidaten, aus denen dieses dann in freier und geheimer Abstimmung den Bischof wählen darf. Einzige Einschränkung: Nach dem Badischen Konkordat muss unter den drei vom Papst dem Domkapitel zur Wahl des Bischofs benannten Kandidaten mindestens ein Angehöriger der betreffenden Diözese sein. Auch im österreichischen Erzbistum Salzburg und im Schweizer Bistum Chur wählt das Domkapitel aus einer Dreierliste, die der Papst erstellt.  

Echte Laienbeteiligung in Deutschland an der Bischofswahl ist daher nur äußerst begrenzt möglich: Unter den gegebenen Voraussetzungen sitzt immer der Vatikan am längeren Hebel. In den Diözesen, in denen der Bischof vom Domkapitel gewählt wird, ist der Papst bei der Zusammenstellung seiner Dreierliste nur verpflichtet, die Vorschläge zu berücksichtigen. "Berücksichtigen heißt, er nimmt sie zur Kenntnis", betont der emeritierte Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier. Das Kirchenoberhaupt muss sich also nicht an die Vorschläge halten. Nichtsdestotrotz hat der Synodale Weg versucht, einen Weg vorzuschlagen, wie man in Einklang mit den Konkordaten mehr wirksame Laienbeteiligung erreichen könnte. Doch der erste Versuch, dies praktisch umzusetzen, wurde zurückgepfiffen.  

Ähnliche Beschlüsse: Wo Synodaler Weg und Weltsynode gleiches wollen

Papst Franziskus hat mehrfach appelliert, die Ergebnisse der Weltsynode umzusetzen. Die Forderungen des Abschlussdokuments ähneln in einigen Punkten dem, was auch der Synodale Weg will. Katholisch.de zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Reformvorstellungen beider Prozesse auf.

Als im Erzbistum Paderborn die Wahl eines Nachfolgers für Erzbischof Hans Josef Becker anstand, erarbeitete das Domkapitel nach Beratung mit 14 Delegierten aus Laiengremien eine Vorschlagliste von Personen für das Amt, die an den Nuntius in Deutschland ging. Dieser wurde zudem darum gebeten, das sogenannte "päpstliche Geheimnis" auf die Delegierten auszuweiten. Dadurch sollte im Vorfeld der Wahl des neuen Erzbischofs eine gemeinsame Beratung mit diesen Delegierten aus dem Erzbistum ermöglicht werden. Das wurde vom Vatikan abgelehnt – mit dem Verweis darauf, das dadurch die Rechtmäßigkeit der Wahl gefährdet sei, da das konkordatär nicht abgesichert sei. In Osnabrück, wo auch ein euer Bischof gesucht wurde und ebenfalls das Domkapitel wählt, hat man schließlich in abgespeckter Form Laien an der Kandidatenauswahl beteiligt. 

Für viele wirkt angesichts dieser Lage das Modell aus St. Gallen und Basel wie eine Art Privileg. Dazu wird nicht geregelt, wie das Domkapitel zu seiner Sechserliste kommt. So gab es etwa in St. Gallen erneut einen Konsultationsprozess vor der Wahl. Doch Markus Ries betont, dass dieses Prozedere einen falschen Eindruck vermittle: Es sei weder demokratisch noch sonderlich synodal. "Im Ursprung war es von der römischen Kurie als Fortführung der alten Ordnung in den Reichsbistümern gedacht, wo die Domkapitel die Bischöfe gewählt haben." Noch dazu gelten Regelungen, die aus heutiger Sicht nur noch schwer verständlich sind. So können in St. Gallen und Basel nur Bischöfe gewählt werden, die aus der eigenen Diözese kommen – in Basel sogar nur Weltpriester. "Diese Regelung stammt daher, weil man Jesuiten vom Bischofsstuhl fernhalten wollte", erklärt Ries.

Vatikan versucht Recht zur Bischofsbestellung an sich zu ziehen

Um also wirklich mehr Laienbeteiligung zu erreichen, müsste man an die Konkordate ran. Doch wer versucht, diese aufzuschnüren, laufe Gefahr, dass der Apostolische Stuhl selbst die bisherigen Zugeständnisse gar nicht mehr erneuert, erläutert Georg Bier. Er beobachtet nämlich die Tendenz, dass der Vatikan bei konkordatären oder ähnlichen Vereinbarungen versucht, das Recht zur Bischofsbestellung näher an sich zu ziehen. So habe es etwa im Bistum Basel in der Vergangenheit starke Bestrebungen des Apostolischen Stuhls gegeben, mehr Einfluss auf die Bischofswahl zu nehmen.  

Auch wenn die Rechte zur Bischofswahl im deutschsprachigen Raum einmalig sind, stoßen sie doch auch weltkirchlich auf Zustimmung: So sprach sich auch die Weltsynode für mehr Laienbeteiligung bei Bischofsbesetzungen aus. In Nummer 70 des Abschlussdokuments heißt es: "Der Dienst des Bischofs ist ein Dienst in, mit und für die Gemeinschaft (LG 20). Er wird durch die Verkündigung des Wortes und durch den Vorsitz bei der Feier der Eucharistie und der anderen Sakramente ausgeübt. Deshalb wünscht die Synodenversammlung, dass das Volk Gottes bei der Wahl der Bischöfe eine größere Stimme hat." Geht also doch wieder eine Tür auf? 

"Was die Weltsynode sagt, ist erstmal nicht so richtig greifbar", sagt Georg Bier. "Eine Mehrbeteiligung von Laien könnte eigentlich nur bedeuten, dass im Zuge Vorüberlegungen zu Kandidaten eine größere Einbindung erfolgt." Dass plötzlich weltweit Bischofswahlen durch Domkapitel oder durch größere Gremien mit Laienbeteiligung stattfinden – ein Fernziel des Synodalen Wegs – kann der Kirchenrechtler sich eher weniger vorstellen. 

Von Matthias Altmann