Der Mindestlohn darf niemandem vorenthalten werden
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Seit ein paar Tagen ist die Spargelsaison vorbei. Erdbeeren und Gemüse werden aber weiterhin geerntet, in Handarbeit und fast ausschließlich von Saisonarbeitern aus Osteuropa. Hand aufs Herz: Würden Sie für 12,82 Euro in der Stunde Erdbeeren pflücken? Oder Pakete ausfahren? Oder gar Schweinehälften im Schlachthof zerlegen? Wohl kaum. Und doch arbeiten hierzulande mehr als 6 Millionen Menschen – das sind fast 17 Prozent der Beschäftigten – am unteren Ende der Lohngrenze.
Die Mindestlohnkommission, paritätisch besetzt mit Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften, hat am vergangenen Wochenende entschieden, dass der Mindestlohn in zwei Schritten steigt. Ab Anfang 2026 beträgt er 13,90 Euro pro Arbeitsstunde, 2027 dann 14,60 Euro. Ein solcher Stundenlohn bringt 2026 also für einen Vollbeschäftigten einen monatlichen Bruttoverdienst von etwa 2.300 Euro. Den Saisonarbeitern allerdings werden vom Lohn nicht selten bis zu 50 Prozent für Unterkunft und Verpflegung abgezogen.
Dieses Plus von fast 14 Prozent bis 2027 sorgt für harte gesellschaftliche und politische Kontroversen. Die Agrarverbände prognostizieren wegen der steigenden Lohnkosten gar das Aus für die deutschen Spargel-, Obst- und Weinbauern. Fragt man in der Debatte die katholische Soziallehre um Rat, ist die Antwort eindeutig. Seit der ersten Sozialenzyklika der Kirche, Rerum Novarum (1891) von Leo XIII., gilt, dass der Arbeitslohn ausreichen muss, um dem Arbeiter und seiner Familie ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen. Dazu gehören ganz selbstverständlich auch Ersparnisse und Eigentum. "Die einfache Übereinkunft zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hinsichtlich der Höhe der Vergütung genügt nicht, um den vereinbarten Lohn als 'gerecht' zu qualifizieren, denn dieser darf nicht so niedrig sein, dass er einem genügsamen, rechtschaffenen Arbeiter den Lebensunterhalt nicht abwirft", fasst das Kompendium der Soziallehre mit Bezug auf Leo XIII. zusammen.
Wer also, wie Bauernpräsident Rukwied oder Agrarminister Rainer, eine Kürzung des Mindestlohns für Saisonarbeiter auf 80 Prozent für möglich hält, begeht ein Unrecht. Der Verfasser des Jakobusbriefes ist sogar davon überzeugt, dass sich Gott selbst parteiisch zugunsten der Armen mit dem Mindestlohn beschäftigt: "Der Lohn der Arbeiter, die eure Felder abgemäht haben, der Lohn, den ihr ihnen vorenthalten habt, schreit zum Himmel; die Klagerufe derer, die eure Ernte eingebracht haben, dringen zu den Ohren des Herrn der himmlischen Heere" (Jak 5,4).
Der Autor
Dominik Blum ist Pfarrbeauftragter in der Katholischen Pfarreiengemeinschaft Artland im Bistum Osnabrück.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.