"Bittet, und es wird euch gegeben": Beten – aber wie?

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Vor Kurzem berichtete mir ein guter Freund von einer Gebetserhörung: Er hatte sein Smartphone und Portemonnaie mitsamt Ausweis und Bargeld im Fitnessstudio liegen lassen. So intensiv habe er schon lange nicht mehr gebetet, sagte er, als er schnell zurückrannte. Zum Glück (oder besser: Gott sei Dank!) hatte ein ehrlicher Mensch seine Sachen gefunden und abgegeben.
Was aber, wenn unser Gebet nicht erhört wird?
Natürlich habe ich mich für den Freund gefreut! Andererseits frage ich mich, warum so viele Gebete, oft in größter Not gesprochen, offenbar unerhört bleiben? Auf diese Frage werden wir in diesem Leben wohl keine komplett zufriedenstellende Antwort finden. Oft ist es daher in solchen leidvollen Situationen am wichtigsten, einfach "nur" DA ZU SEIN: die betroffene Person nicht allein zu lassen, sondern still an ihrer Seite zu verweilen. Schlaue Worte oder fromme Sprüche sind da fehl am Platz! Unser Gebet wird stattdessen ganz leise, besteht zuweilen bloß aus einem Seufzen, einem stummen Schrei, verbunden mit dem verzweifelten, manchmal auch trotzigen Fünkchen Hoffnung, dass Gott auch mitten im Elend da sein muss und uns hält – zumindest irgendwie... Vielleicht sieht er Perspektiven, die wir in dem Augenblick (noch?) nicht wahrnehmen können.
Beten will gelernt sein: Offenbar waren sich selbst die Jünger damals unsicher, daher ihre Bitte: "Herr, lehre uns beten!" Auch wir sind im Gebet immer wieder Anfänger und Lernende. Beten ist ein lebenslanges Abenteuer! Es gibt verschiedene Arten des Gebets, die alle ihren Wert haben, je nach Anlass, Stimmung und kultureller Prägung. Das kann sich im Laufe eines Lebens durchaus wandeln: Eine Gebetspraxis, die mir bisher lieb und vertraut war, trägt auf einmal nicht mehr – oder umgekehrt. Gut, dass es so viele unterschiedliche Möglichkeiten zu beten gibt, die ich (neu) entdecken darf!
Verknüpfen: Das Vaterunser auf neue Weise beten!
Das Vaterunser ist sicherlich DAS christliche Gebet schlechthin, eben das "Gebet des Herrn"! Es braucht ein ganzes Leben, um es immer wieder neu für sich zu erschließen. Ein kluger Kollege regte mich zu dieser Übung an: Jedes Gebet, das ich spreche, und jede Bitte, die ich vor Gott bringe, sollte ich zunächst mit einem Element des Vaterunser in Beziehung bringen. Zum Beispiel:
- meine Sehnsucht nach Geborgenheit: mit "Vater",
- meine Dankbarkeit für eine schöne Erfahrung: mit "Geheiligt werde dein Name",
- meine Wut über Ungerechtigkeit und Lüge: mit "Dein Reich komme",
- meine Bitte um Genesung eines erkrankten Gemeindemitglieds: mit "Dein Wille geschehe",
- meine ganz alltäglichen Sorgen und Probleme: mit „Unser tägliches Brot gib uns heute“,
- meine Scham über eigene Fehler: mit "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir...", usw.
Dadurch wird mein Beten in ein größeres Ganzes eingeordnet und – das ist das Entscheidende! – mit dem Gebet Jesu verknüpft. So kann Vertrauen wachsen, dass all mein Beten und Bitten bei Gott gut aufgehoben ist, und dass er am Ende alles zum Guten führen wird, auch wenn mir der Weg dorthin noch unklar ist.
Natürlich weiß Gott schon längst, worum wir ihn bitten und was wir brauchen. Er weiß es sogar besser als wir. Doch er drängt sich nicht auf und handelt nicht einfach über unsere Köpfe hinweg. Vielmehr nimmt er uns ernst und sucht das Gespräch, den wirklichen Austausch mit uns. Schließlich sind wir für Gott keine programmierbaren Roboter, sondern seine geliebten Kinder, denen er keinen Wunsch abschlagen kann, weil er nichts sehnlicher will als unser Bestes, unser Heil! Womöglich ist das, was er uns eigentlich geben will, noch viel größer als das, was wir erbitten oder uns erträumen? Daher: DEIN Wille geschehe!
"Bitte stören!" Gott bestürmen wie einen Freund, auch mitten in der Nacht!
Es gehört schon einiges dazu, jemanden bewusst aus dem Schlaf aufzuwecken, insbesondere nachts. Da muss die Not doch sehr groß sein – oder eben: die Vertrautheit! Denn eigentlich ist Gott der Freund, an dessen Tür wir nachts klopfen und den wir aus dem Schlaf reißen sollen, ganz ohne Scheu, so wie wir es nur bei einem wirklich sehr (!) guten Freund wagen würden. "Und wer ist mehr unser Freund als der, der seinen Leib für uns hingegeben hat." (Ambrosius) Es ist, als würde Jesus zu uns sagen: "Bitte, stört mich! Habt keine Scheu, mich anzurufen! Weckt mich ruhig auf, selbst wenn es schon lange dunkel ist! Ich bin für euch da, auch in tiefster Nacht!"
Manchmal mag unser Gebet schreiend und klagend, insistierend oder auch verhandelnd sein wie bei Abraham. Ein anderes mal könnten wir vor Freude in die Luft springen. Manchmal wird unser Beten ganz leise oder verstummt sogar. Die Bibel bietet hier die verschiedensten Modelle, besonders im Buch der Psalmen. Vor allem ist Beten jedoch Ausdruck unserer Sehnsucht nach Verbundenheit mit dem Herrn und Antwort auf seine zuvorkommende Liebe. Teresa von Avila fasst es in diese Worte: "Beten ist nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt."
Aus dem Evangelium nach Lukas (Lk 11,1–13)
Jesus betete einmal an einem Ort; als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat!
Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen! Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung!
Dann sagte er zu ihnen: Wenn einer von euch einen Freund hat und um Mitternacht zu ihm geht und sagt: Freund, leih mir drei Brote; denn einer meiner Freunde, der auf Reisen ist, ist zu mir gekommen und ich habe ihm nichts anzubieten!, wird dann der Mann drinnen antworten: Lass mich in Ruhe, die Tür ist schon verschlossen und meine Kinder schlafen bei mir; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben?
Ich sage euch: Wenn er schon nicht deswegen aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen und ihm geben, was er braucht.
Darum sage ich euch: Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet. Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet.
Oder welcher Vater unter euch, den der Sohn um einen Fisch bittet, gibt ihm statt eines Fisches eine Schlange oder einen Skorpion, wenn er um ein Ei bittet? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten.
Der Autor
P. Philipp König ist Dominikaner und unterrichtet derzeit am ordenseigenen Gymnasium in Vechta die Fächer Französisch, Latein und Religion.
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