Deutschlands wohl einzige Papst-Leo-Straße liegt in Bayern

Moment! Stand das da wirklich? Bremsen, wenden – tatsächlich: Papst-Leo-Straße. Der Mann ist erst wenige Wochen im Amt und schon werden Wege nach ihm benannt? Noch dazu nicht etwa im Vatikan, sondern im Norden Bayerisch-Schwabens, in Auchsesheim, einem Gemeindeteil von Donauwörth? Es ist schon spät – niemand unterwegs, den man fragen könnte. Also weiterfahren, Recherche vertagt.
Später im Büro lässt sich eines rasch festhalten: Die Papst-Leo-Straße scheint bundesweit einmalig. Zwar führen die Verkehrsministerien in Berlin und München keine kompletten Straßenverzeichnisse. Aber die Behörde im Freistaat verweist auf ihren Onlinekartendienst "Bayern-Info". Und darin taucht die Papst-Leo-Straße ebenso oft auf wie bei Google Maps und anderen Navigationsportalen: einmal.
Gut, Leostraßen gibt es, zum Beispiel in Köln, Münster und Paderborn. Sie sind nach Leo XIII. benannt, der von 1878 bis 1903 amtierte. Aber eine Papst-Leo-Straße? Dafür muss man schon nach Auchsesheim fahren.
Ein paar Wohnhäuser, ein wenig wilde Wiese
Wunder sollte man dort trotz des katholischen Titels allerdings keine erwarten, keine optischen jedenfalls. Ein paar Wohnhäuser, ein wenig wilde Wiese, dazu Hecken aus Thuja und Liguster, eine Bayernflagge, ein Bierwerbeschild – die Papst-Leo-Straße schaut aus, wie so manche Straße im Freistaat ausschaut. Auf 200 Metern Länge sind zehn Personen gemeldet, wie die Stadt Donauwörth auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) informiert. Und was hat's nun mit dem Namen auf sich?
Ein Gemälde zeigt Papst Leo IX. auf einem Esel bei der Kirchweihe vor 1000 Jahren in Donauwörth.
Die Straßenbenennung sei 1972 im Zuge der Eingemeindung von Auchsesheim nach Donauwörth erfolgt, erklärt das Donauwörther Stadtarchiv. Warum? Gab's Debatten dazu, Kritik daran? Unklar.
Gewiss ist dafür nun: Mit dem jüngst ins Amt gekommenen Leo XIV. kann die Straße nichts zu tun haben. Dann mit seinem Vorgänger, wie in Köln, Münster und Paderborn? Nein, in Auchsesheim muss man weiter zurück zählen: "Es ist überliefert, dass Papst Leo IX. 1051 auf einer Reise von Regensburg nach Mainz in Werd (früherer Name Donauwörths) Station machte", erläutert die Stadt. "Er weihte bei dieser Gelegenheit die kleine Kirche in Auchsesheim." Daran wollte man 1972 wohl einfach erinnern.
Die von Leo geweihte Kirche tut das längst nicht mehr. Ihr Schicksal ist unklar. Im Stadtarchiv vermutet man, dass sie einst an der Stelle der heutigen Auchsesheimer Sankt-Georg-Kirche stand, deren Geschichte mindestens bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. In diesem Gotteshaus findet sich immerhin ein Hinweis auf Leo: ein Wandbild, das ihn bei der Kirchweihe vor tausend Jahren zeigt.
Die Stelle, an der der Esel von Papst Leo IX. niedergekniet sein soll, ist heute mit einem Gedenkstein markiert.
Darauf ist auch der Esel zu sehen, der die Tat erst provoziert hat: Denn laut Legende wollte Leo zunächst tatenlos an Auchsesheim vorbeireiten. Doch als das Tier plötzlich niederkniete, erkannte der Papst die Weihe als göttlichen Willen. Auf freier Flur soll das gewesen sein; die Stelle zwischen Auchsesheim und dem Nachbarort Nordheim wird heute von einem Gedenkstein markiert.
Zurück in die Gegenwart: Wie finden's denn die Anwohner, dass ihre Papst-Leo-Straße seit dem jüngsten Konklave sozusagen wieder up to date ist? Aufs erste Klingeln folgt ein Abwimmeln: "Fragen S' doch bitt' schön bei den Nachbarn." Die Nachbarin erzählt, ihr Enkel habe sie per Whats-App über Leos Wahl informiert. Eine Feier in der Straße? "Ach nein, des net." Ein weiterer Anwohner sagt am Telefon: Doch, gefreut habe er sich schon über den neuen Leo. "Aber jetzt entschuldigen Sie, ich mache gerade Mittag."
Leo war ein Reformer – auch sein Nachfolger?
Wenden wir uns also dem Namensgeber selbst zu. Er lebte von 1002 bis 1054 und wurde als Bruno von Egisheim-Dagsburg im Elsass geboren. 1048 ließ ihn Kaiser Heinrich III. auf dem Wormser Hoftag als Leo IX. zum Papst wählen. Der später als heilig verehrte Pontifex erwies sich als Reformer: Er drängte den Einfluss Adliger zurück, bekämpfte die Priesterehe und erneuerte kirchliche Verwaltungsstrukturen.
Ob auch von Leo XIV. Umwälzungen zu erwarten sind? Das scheint offen. Offen wie die Papst-Leo-Straße: Sie geht am Ende in einen unbefestigten Feldweg über.