Schwester Johanna Domek über das Sonntagsevangelium

Worauf geben wir Acht?

Veröffentlicht am 02.08.2025 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Köln ‐ Im Evangelium warnt Jesus eindringlich vor der Habgier. Diesem Menschheitsthema widmen sich die alten Mönchsvätern genauso wie der Intellektuelle Erich Fromm. Schwester Johanna Domek aber wird an ganz anderer Stelle fündig: bei den Gebrüdern Grimm.

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"Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier", sagt Jesus. Das Thema ist in jeder Zeit und in jeder Generation aktuell. Mal geht es bei den Dingen, für die wir unsere ganze Energie verbrauchen, um Streit ums Erbe oder Land, mal um irgendeine Rechthaberei, mal um Besitz, Karriere oder das Streben nach Geltung.

Habgier gehört, wie die alten Mönchsväter lehrten, zu den Wurzelsünden. D.h. da fängt etwas Übles klein an und wächst leise. Wenn wir solchen Gedanken und Strebungen Raum geben, greifen sie in uns um sich, fesseln und vergiften uns Sinne und Herz, nehmen uns die Luft zum Atmen und die Freiheit. Wir gehen dann im Vorläufigen unter und verlieren mehr, als wir im fokussierten Blick hatten.

"Haben oder Sein" lautete der Titel eines gesellschaftskritischen Buches von Erich Fromm (1900–1980) aus dem Jahr 1976, ein Bestseller dieses einflussreichen Denkers des 20. Jahrhunderts. Es geht um eine weit verbreitete Haltung, die konsumorientiert und in äußeren Besitztümern das Leben verschleißt und dem Leben des Einzelnen wie des Ganzen schadet. Im Jahr 1989 folgte noch als Ergänzung zu Fromms Buch aus dessen unveröffentlichten Manuskripten das Buch "Vom Haben zum Sein".

Mir kommen da die alten Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm (19. Jahrhundert) in den Sinn wie "Der Fischer und seine Frau" oder auch "Der Arme und der Reiche". Erinnern Sie sich auch?

Gott auf Wanderschaft will abends bei einem Reichen einkehren, weil er meint, dem wohl weniger zur Last zu fallen als armen Leuten. Aber er wird abgewiesen. Der Arme im Haus gegenüber und dessen Frau nehmen ihn freundlich auf, essen mit ihm und überlassen ihm ihr Bett zum Schlafen. Morgens gewährt Gott ihnen drei Wünsche, und der Mann wählt Seligkeit, Gesundheit und bekommt noch ein schöneres Haus dazu. Als der Reiche das hört, ärgert er sich. Seine Frau lässt ihn dem Wanderer nachjagen und auch drei Wünsche erbitten. Gott gewährt sie ihm, rät jedoch davon ab, sie umzusetzen. Auf dem Heimweg überlegt der Reiche krampfhaft, wie er sich genug wünschen könnte. Dabei stört ihn sein unruhiges Pferd so, dass er es tot wünscht, was sofort in Erfüllung geht. Mit dem Sattel auf dem eigenen Rücken muss er dann heimlaufen und in Gedanken verwünscht seine Frau, dass sie zuhause auf dem Sattel sitze und festklebe. Daheim will er allein über den letzten, verbliebenen Wunsch nachdenken, aber da muss sie von dem Sattel herunterwünschen und vertut so auch den dritten Wunsch.

Beide Geschichten sind klassische Beispiele für das, worum es im heutigen Gleichnis Jesu geht: "Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier."

Evangelium nach Lukas (Lk 12,13–21)

In jener Zeit bat einer aus der Volksmenge Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen! Er erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler bei euch eingesetzt? Dann sagte er zu den Leuten: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im Überfluss seines Besitzes lebt.

Und er erzählte ihnen folgendes Gleichnis: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er bei sich selbst: Was soll ich tun? Ich habe keinen Platz, wo ich meine Ernte unterbringen könnte. Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen.

Dann werde ich zu meiner Seele sagen: Seele, nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue dich! Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast?

So geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott nicht reich ist.

Die Autorin

Sr. Johanna Domek OSB ist seit mehr als 40 Jahren Benediktinerin in Köln-Raderberg, wo sie in der Kurs- und Exerzitienarbeit tätig ist. Darüber hinaus ist sie Beauftragte des Netzwerks alternde Ordensgemeinschaften und hat zahlreiche Publikationen zum Thema Spiritualität veröffentlicht.

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