Was tun wir, was tun wir nicht?

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Gerade heute, da ich diesen Text schreibe, klingelt es an meiner Tür und am Gartentor steht jemand aus dem benachbarten Kindergarten, der mir sagt, dass man gerade eine obdachlose Frau aus meinem Garten entfernt hätte, die dort wohl übernachtet habe. Ich sehe unsere Picknickdecke auf der Truhe liegen und ein paar Pflegeartikel stehen an meiner Regentonne, die wohl als Waschgelegenheit gedient hat. Die Jacke und ein paar Habseligkeiten der Frau sind ebenfalls noch in meinem Garten. Ich hänge alles von außen an den Zaun und schließe die Tür zur Garage ab.
Dann gehe ich frühstücken und lese den Evangelientext, über den ich hier schreiben soll. Es geht um den "armen Lazarus", der vor der Türe des Pharisäers liegt und nur die Hunde lecken an seinen Wunden, er bekommt aber nicht den kleinsten Krümel vom Tische des Pharisäers. Wow, so einen direkten Alltagsbezug zum Evangelium erlebe ich selten…! Es springt mich heute an zu fragen, was hätte Jesus in dieser Situation getan? Etwas, was wir uns als Christinnen und Christen doch immer fragen sollten, oder?
Sollte ich meinen Garten, meine Tür öffnen, um jemandem Obdach zu geben? Nichts war kaputt, nichts gestohlen. Nur ein Dach, eine Decke, ein Boden im Trockenen. So wenig. Wirklich nur die Krümel, die sich der "arme Lazarus" wünschte, oder? Ist das nicht meine Christenpflicht, zumindest dies zu gewähren? Meine Befürchtung: Machst du es einmal, dann hast du einen Dauergast, weil mir eine Grenzsetzung nicht gelingt? Würde Jesus diese Grenzen setzen? Das Evangelium ist da knallhart. Jesus klagt die Reichen an, die zu wenig tun. Und er hat heute klare Worte für das, wie Gott damit umgeht – denn auch ER setzt dann die unüberwindbare Grenze. Den tiefen Graben zwischen dem "armen Lazarus" und dem reichen Pharisäer, den dann niemand mehr überwinden kann.
Was tun wir, was tun wir nicht? Wir, die wir diese Texte auf katholisch.de lesen können, gehören zu den privilegierten Menschen, die Essen, ein Dach über dem Kopf, medizinische Versorgung haben. Vielleicht haben wir die eine oder andere Sorge, Krankheit oder Sonstiges, was unser Leben schwer macht. Aber kein Vergleich zum Elend so vieler Menschen. Das Evangelium erinnert uns daran, dass wir schon in diesem Leben ein Stück Himmel haben. Nehmen wir ihn wahr. Teilen und öffnen wir ihn für Notleidende – dann wird Gott uns weiterhin in den Armen halten – zusammen mit den Schwestern und Brüdern, die leiden müssen. Und das Leben bietet uns ganz konkrete Anfragen – manchmal ganz unerwartet.
Evangelium nach Lukas (Lk 3,1–6)
In jener Zeit sprach Jesus zu den Pharisäern: Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag glanzvolle Feste feierte.
Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lázarus, dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Stattdessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren.
Es geschah aber: Der Arme starb und wurde von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben. In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von Weitem Abraham und Lázarus in seinem Schoß.
Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und schick Lázarus; er soll die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer.
Abraham erwiderte: Mein Kind, erinnere dich daran, dass du schon zu Lebzeiten deine Wohltaten erhalten hast, Lázarus dagegen nur Schlechtes. Jetzt wird er hier getröstet, du aber leidest große Qual. Außerdem ist zwischen uns und euch ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, sodass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte.
Da sagte der Reiche: Dann bitte ich dich, Vater, schick ihn in das Haus meines Vaters! Denn ich habe noch fünf Brüder. Er soll sie warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen. Abraham aber sagte: Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören.
Er erwiderte: Nein, Vater Abraham, aber wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren. Darauf sagte Abraham zu ihm: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.
Die Autorin
Schwester Jordana Schmidt OP ist gelernte Familientherapeutin und Diplom-Heilpädagogin. Seit 1994 gehört sie den Dominikanerinnen von Bethanien an. Von 2002 bis 2012 arbeitete sie als Erziehungsleiterin im Bethanien Kinderdorf in Schwalmtal-Waldniel und war zwischen 2012 und 2020 Kinderdorfmutter. Heute lebt sie als SPLG Mutter (Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften) mit zwei Kindern in Krefeld. Momentan sie ist mehrmals im Jahr im Radio bei "Kirche im WDR" zu hören. Ihre Bücher "Auf einen Tee in der Wüste" und "Ente zu verschenken" waren wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste.
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