Kirchenhistoriker: Franziskus verspielte größte Chance von Pontifikat
Der italienische Kirchenhistoriker Alberto Melloni wirft Papst Franziskus vor, seine Möglichkeit zur Kirchenreform verspielt zu haben. In einem Beitrag für die Oktober-Ausgabe der "Herder Korrespondenz" schreibt Melloni, Franziskus habe bei der Weltsynode die wohl größte Chance seiner Amtszeit vertan.
Aufgeschreckt vom deutschen Synodalen Weg, dessen vermeintlich demokratische Mechanik der im April verstorbene Papst gefürchtet habe, habe Franziskus zwei Synoden geschaffen, "deren Methode per Definition keine Entscheidungen zulässt und am Ende auch diese Methode um die heikelsten Themen bereinigt". Das Ergebnis sei ernüchternd: "Synodalität wurde nicht zum Gegenstand von Entscheidungen, sondern zum Gegenstand von Enttäuschungen."
Misstrauen gegenüber Theologie
Melloni kritisiert zudem, dass Franziskus offene Fragen der Konzilsrezeption nicht gelöst habe. Zu groß sei sein Misstrauen gegenüber der Theologie gewesen, "von der er nur jene 'auf den Knien' gelten lässt – eine Frömmigkeitsfloskel, die die Mittelmäßigkeit dennoch nicht verhindert". Zudem habe er wie ein jesuitischer Ordensoberer gehandelt, "der alle anhört, aber allein entscheidet". Gleichzeitig sei das Kardinalskollegium, das Franziskus bewusst zersplittert und entmachtet habe, zu schwach gewesen, um gegenzusteuern.
Melloni ist Professor für die Geschichte des Christentums an der Università di Modena-Reggio Emilia. Zudem lehrt er als Inhaber des UNESCO-Lehrstuhls für religiösen Pluralismus und Frieden an der Università di Bologna und leitet die Stiftung für Religionswissenschaften Johannes XXIII. in Bologna. Melloni ist spezialisiert auf das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965). (KNA)
