Synodensekretärin: Widerstand gegen Synodalität kommt häufig von außen
Die katholische Kirche befindet sich aktuell in der Umsetzungsphase der Weltsynode. Der Fahrplan bis 2028 steht zwar fest, doch während an vielen Orten bereits erste konkrete Schritte getan werden, bleiben zentrale Fragen offen: Wie kann Synodalität in höchst unterschiedlichen kulturellen und kirchlichen Kontexten gelebt werden? Welche Experimentierräume eröffnen sich – und wo verlaufen ihre Grenzen? Über diese und weitere Fragen spricht eine der einflussreichsten Frauen im Vatikan: die französische Theologin und Ordensfrau Nathalie Becquart. Als Untersekretärin des Generalsekretariats der Synode gehört sie zu den wichtigsten Akteurinnen des Prozesses. 2024 wurde sie vom US-amerikanischen Magazin Forbes unter die 50 mächtigsten Frauen der Welt gewählt.
Frage: Frau Becquart, während der Heilig-Jahr-Veranstaltung für Synodenteams haben sieben Vertreter aus verschiedenen Regionen Papst Leo XIV. erste Ergebnisse der Umsetzungsphase präsentiert. Wie beurteilen Sie diese?
Becquart: Die Präsentationen der sieben kontinentalen Vertreter beim Jubiläum der Synodenteams zeigten eine bemerkenswert vielfältige Aneignung von Synodalität in der ganzen Welt. Die Berichte der verschiedenen kontinentalen Bischofskonferenzen zeigen, dass die Umsetzung in den Ortskirchen bereits begonnen hat und pastorale Kreativität hervorbringt, die sich an lokale Kontexte anpasst und zugleich auf das Schlussdokument der Synode Bezug nimmt. Mehrere Regionen zeichnen sich durch eine besonders dynamische Umsetzung aus. Lateinamerika steht mit dem Prozess des CELAM-Bischofsrats zur Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils in vielerlei Hinsicht an vorderster Front der Synodalität. Wir sehen zudem, wie Asien begeistert eine Kommission für Synodalität eingerichtet hat. Aber auch andere Regionen bemühen sich...
Frage: Gibt es auch Regionen, die besonders zögerlich sind?
Becquart: Papst Leo XIV. sprach die Frage des Widerstands gegenüber dem synodalen Prozess direkt an, insbesondere die Sorge mancher, dies sei ein Versuch, die Autorität der Bischöfe zu schwächen. Er lud besonders die Priester – noch mehr als die Bischöfe – dazu ein, ihre Herzen zu öffnen und an diesen Prozessen teilzunehmen, und stellte fest, dass Widerstand oft aus Angst und mangelndem Wissen komme.
Frage: Papst Leo XIV. hat auf "kulturelle Unterschiede" im Umsetzungsprozess hingewiesen. Wie kann Synodalität in so unterschiedlichen Kontexten gelebt werden, ohne die Einheit der Kirche zu gefährden?
Becquart: Der Papst war da sehr deutlich, als er klarstellte, dass die Kirche kein einheitliches Modell suche. Synodalität werde nicht in einem Modell bestehen, bei dem alle und jedes Land sagen: So muss es gemacht werden. In seiner Antwort an den Generalsekretär von SECAM betonte er, dass die jeweilige lokale Realität zu respektieren sei. Es gebe viele Weisen, Kirche zu sein, und dass man kein einziges Modell kirchlichen Lebens aufzwingen dürfe. Wir betonen die Ortskirche, unterstreichen aber zugleich die Wichtigkeit gestärkten Dialogs zwischen den Ortskirchen – auf Ebene der Kirchenprovinzen, der Bischofskonferenzen und des Kontinents.
Sie ist eine der einflussreichsten Frauen im Vatikan: die französische Theologin und Ordensfrau Nathalie Becquart. Als Untersekretärin des Generalsekretariats der Synode gehört sie zu den wichtigsten Akteurinnen des Prozesses. 2024 wurde sie vom US-amerikanischen Magazin Forbes unter die 50 mächtigsten Frauen der Welt gewählt.
Frage: Ist es ein Problem, dass es offenbar sehr unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, was Synodalität eigentlich bedeutet?
Becquart: Das Schlussdokument der Weltsynode bietet ein klares Verständnis: Synodalität ist sowohl eine Weise, Kirche zu sein – als pilgerndes Volk Gottes – als auch eine Art, den Auftrag der Kirche gemeinsam zu tragen, als Getaufte, die zu missionarischen Jüngern berufen sind. Sie geht Hand in Hand mit der Ökumene, aber auch mit dem interreligiösen Dialog, dem Dialog mit der Gesellschaft und allen Menschen, und betont die Wichtigkeit, jedem zuzuhören, besonders den Armen und Ausgegrenzten. Papst Leo macht deutlich, dass Synodalität – wie auch die Synode hervorgehoben hat – immer auf Mission ausgerichtet ist.
Frage: Mission heißt in dem Fall?
Becquart: Missionarisch sein heißt, das Evangelium zu verkünden. Das ist keine Kampagne, sondern eine Lebensweise, und eine Weise, Kirche zu sein. Wie Papst Leo sagte: Sie fördert eine Haltung, die damit beginnt, einander zuzuhören.
Frage: Das Synodensekretariat hat vorgeschlagen, dass die Ortskirchen lokale Experimente in Bereichen wie Amt, Entscheidungsprozessen oder Beteiligungsgremien durchführen. Wie könnten solche konkreten Experimente aussehen?
Becquart: Das Dokument für die Umsetzungsphase betont, dass wir zur Umsetzung der Synodalität in Praktiken investieren müssen. Es geht nicht nur darum, darüber zu reden, sondern konkrete Experimente zu eröffnen – und diese haben bereits begonnen. Es gibt dafür nicht nur einen Weg. Synodalität muss von der jeweiligen Situation und dem Kontext ausgehen. Der beste Ansatz ist, auf diözesaner oder pfarrlicher Ebene synodale Teams zu haben, die kreativ mit dem Bischof oder Pfarrer anhand der Leitlinien des Schlussdokuments die Prioritäten und die konkreten Schritte unterscheiden. Dies kann zum Beispiel bedeuten, das geistliche Gespräch im Pfarrgemeinderat einzuführen, synodale Pfarrversammlungen zu organisieren, einen diözesanen Pastoralkonferenz einzurichten, mehr Laien – besonders junge Menschen und Frauen – in Leitungsaufgaben einzubinden, Seminaristen und Priester in synodalem Führungsstil auszubilden usw.
„Es geht nicht nur darum, darüber zu reden, sondern konkrete Experimente zu eröffnen – und diese haben bereits begonnen.“
Frage: Gibt es Grenzen für solche Experimente?
Becquart: Das Dokument erinnert daran, dass Experimente Teil von Unterscheidungs- und Entscheidungsprozessen sein müssen, die durch das Gesetz und durch das Dokument selbst vorgesehen sind. In seiner Predigt beim Jubiläum betonte Papst Leo XIV., dass die Unterscheidung innere Freiheit, Demut, Gebet, gegenseitiges Vertrauen und Offenheit für das Neue erfordert. Dies sei niemals lediglich die Darstellung persönlicher oder gruppenspezifischer Meinungen oder die Summe individueller Ansichten. Es gilt also zuerst, eine Spiritualität der Synodalität zu fördern und zu vertiefen. Experimente dürfen nicht nur technische Antworten oder Strukturen sein. Synodalität muss im Leben jedes Getauften und jeder Gemeinschaft verkörpert werden.
Frage: Der Papst betonte, dass Widerstand aus Angst und Unwissen entsteht. Was ist nötig, damit solche Experimente reibungslos funktionieren, ohne Konflikte oder Gefährdung der Einheit der Kirche?
Becquart: Papst Leo XIV. besteht darauf, Ausbildung und Vorbereitung auf allen Ebenen zu priorisieren. Manchmal werden vorgefertigte Antworten gegeben, so der Papst, ohne die notwendige Vorbereitung, um zu Schlussfolgerungen zu kommen, die einige vielleicht schon gezogen haben, andere aber noch nicht teilen können oder gar verstehen.
Frage: Das heißt?
Becquart: Die meisten Widerstände und Ängste kommen eben von Menschen, die Synodalität von außen betrachten. Wenn sie Gelegenheit haben, sie zu erleben und ihre Früchte zu erfahren, verändern sie sich. Deshalb müssen wir erlauben, dass Ängste ausgesprochen und anerkannt werden und Räume für echte Erfahrungen des Zuhörens, des Dialogs und der gemeinsamen Unterscheidung öffnen.
Frage: Wenn er sagt, dass nicht alle im gleichen Tempo voranschreiten, ist es dann denkbar, dass einige Kirchen weiter sein werden als andere?
Becquart: Ja, das ist nicht nur denkbar, sondern wird von Papst Leo XIV. ausdrücklich gefordert. Beim Jubiläum sagte er, dass wir nicht alle im gleichen Tempo laufen und manchmal geduldig miteinander sein müssen. Der Papst jedenfalls hofft, dass unterschiedliche Gruppierungen in der Kirche, wie etwa regionale Bischofskonferenzen, weiter wachsen werden – Ausdruck der Gemeinschaft in der Kirche.
Frage: Das beste Beispiel ist der Ständige Diakonat. Warum könnte das nicht auch in anderen Bereichen der Fall sein?
Becquart: Das Beispiel des Ständigen Diakonats zeigt tatsächlich, dass es in der Kirche je nach Kontext legitime Vielfalt gibt. Er wurde beim Zweiten Vatikanum wiederhergestellt, aber es wurde den Bischofskonferenzen und den einzelnen Bischöfen überlassen, ob sie ihn einführen. Deshalb gibt es die meisten Ständigen Diakone in Europa und Nordamerika, nur wenige in Lateinamerika und fast keine in Asien und Afrika – und das ist kein Problem. Wahrscheinlich werden wir sogar eine größere Vielfalt an Diensten entsprechend lokalen Bedürfnissen erleben.
Papst Leo XIV. sprach die Frage des Widerstands gegenüber dem synodalen Prozess direkt an, insbesondere die Sorge mancher, dies sei ein Versuch, die Autorität der Bischöfe zu schwächen.
Frage: Ihr Synodensekretariat soll die Ortskirchen unterstützen. Wie soll das konkret funktionieren?
Becquart: Unsere Aufgabe ist es, den Bischöfen und Synodenteams zuzuhören und sie zu begleiten, hauptsächlich durch den Dialog mit den entsprechenden Strukturen auf kontinentaler Ebene. Wir stehen auch zur Begleitung einzelner Ortskirchen, Orden, Gemeinschaften, Bewegungen oder anderer kirchlicher Institutionen bereit, die um Unterstützung bitten, wobei wir Kirchen mit weniger Ressourcen Priorität einräumen. Zudem gehört zu unseren Aufgaben, Synodalität zu fördern, indem wir ermutigen, den Weg in synodaler Weise zu gehen. Praktisch bedeutet das: viele Treffen in Rom mit Bischöfen und anderen Mitgliedern der Ortskirchen, aber auch zahlreiche Reisen zu Ortskirchen, um Impulse zu geben, zuzuhören und zu entdecken, wie Synodalität in der Vielfalt kultureller und kirchlicher Kontexte umgesetzt wird.
Frage: Kommen noch zusätzliche Aufgaben hinzu, vor allem mit Blick auf 2026?
Becquart: Im Hinblick auf Oktober 2028 werden wir zudem die Aufgabe haben, die Organisation der kontinentalen Evaluationsversammlungen (in den ersten vier Monaten 2028) sowie der kirchlichen Versammlung im Oktober 2028 in Rom zu begleiten.
Frage: Die Umsetzungsphase für die Ortskirchen läuft bis Dezember 2026. Wo werden wir Ihrer Meinung nach in einem Jahr stehen?
Becquart: Der Zeitraum von Juni 2025 bis Dezember 2026 ist den Umsetzungswegen in den Ortskirchen und ihren Zusammenschlüssen gewidmet. Wir wissen, dass die Umsetzung der Synodalität auf allen Ebenen Zeit braucht; wichtig ist, Schritt für Schritt voranzugehen. Ein dreijähriger Rahmen mit definierten Etappen wurde eingerichtet, der im Oktober 2028 mit einer kirchlichen Versammlung in Rom endet, um die Früchte zu teilen und den Prozess zu evaluieren. Bis November 2026 sollten lokale Initiativen gut etabliert sein, mit beginnendem Erfahrungsaustausch zwischen Diözesen und Bischofskonferenzen, als Vorbereitung auf die diözesanen Evaluationsversammlungen, die für das erste Halbjahr 2027 geplant sind.
Frage: Wann können wir Ergebnisse der von Papst Franziskus eingeführten Studiengruppen erwarten?
Becquart: Die Studiengruppen sollten ursprünglich ihre Zwischenberichte im Juni 2025 vorlegen, doch aufgrund des Todes von Papst Franziskus und der Wahl von Papst Leo XIV. gab es Verzögerungen. Die Frist zur Vorlage der Abschlussberichte mit Vorschlägen wurde nun auf den 31. Dezember 2025 verlängert.
