Hannah Ochel erzählt von ihrem Leben zwischen Priestern und Palazzi

Theologiestudentin in Rom: In manchen Kursen war ich die einzige Frau

Veröffentlicht am 02.12.2025 um 00:01 Uhr – Von Jasmin Lobert – Lesedauer: 
Die 25-jährige Hannah Ochel lebt und studiert seit zwei Jahren in Rom.
Bild: © privat

Rom ‐ Aus einem Auslandsjahr wurde ein neuer Lebensmittelpunkt: Hannah Ochel studiert Theologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Im katholisch.de-Interview erzählt sie vom Leben zwischen Priestern und Palazzi, vom Glauben in der Ewigen Stadt – und einem unvergesslichen Konklave.

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Hannah Ochel, aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart, ging 2023 für ein Auslandsjahr nach Rom – und entschied danach, auch den Rest ihres verbleibenden Theologiestudiums an der Päpstlichen Universität Gregoriana zu absolvieren. Im katholisch.de-Interview erzählt die 25-Jährige, warum sie in Rom bleiben wollte, wie sich ihr Glaube in der italienischen Hauptstadt verändert hat und wie sie das Konklave in diesem Jahr hautnah erlebt hat.  

Frage: Frau Ochel, sind Sie die einzige Frau, die an der Gregoriana studiert?

Ochel: Ich würde sagen, circa 90 Prozent der Studenten sind Männer und 10 Prozent Frauen, aber fast alle sind Ordensfrauen. Also in manchen Kursen war ich die einzige Frau – oder zumindest die einzige Frau ohne Schleier. Und das hört sich vielleicht etwas albern an, aber wenn ich wusste, dass in einem Kurs alle meine Kommilitonen im schwarzen Kollarhemd sitzen werden, dann habe ich extra etwas Farbenfrohes angezogen, um zu zeigen: Hier sind nicht nur Männer – nicht nur Priester, sondern wir sind noch mehr.

Frage: Wie reagieren Ihre Dozenten auf Sie?

Ochel: Ich finde es immer schön, wenn die Emails mancher Professoren mit "Cari studenti, cara studentessa" – also "liebe Studenten, liebe Studentin" anfangen. Daran merke ich, dass meine Präsenz Wirkung zeigt. Früher haben hier halt nur Männer studiert. Aber diese Zeiten sind vorbei und darauf muss man reagieren.

Außenansicht der Päpstlichen Universität Gregoriana
Bild: ©Fotolia.com/lamio (Archivbild)

Die Päpstliche Universität Gregoriana in Rom.

Frage: Aus welchen Ländern kommen Ihre Mitstudenten?

Ochel: Viele sind aus Latein- und Südamerika und aus den verschiedensten afrikanischen Ländern. Viele haben Spanisch oder Französisch als Muttersprache. Ansonsten Indien, Philippinen, Vietnam, Korea, USA, Europa – sehr viele aus Osteuropa, also Polen, Slowenien, Slowakei, Rumänien.

Frage: Gibt es Priesteramtskandidaten, die ein Problem damit haben, dass Sie als Laiin Theologie studieren? 

Ochel: Es gibt mit Sicherheit Männer, die damit ein Problem haben. Das ist dann oft ein kulturelles Thema, weil es den Beruf der Pastoralreferentin nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt und nirgendswo anders auf der Welt. Ich muss dann immer erst mal erklären, was das Ziel meines Studiums ist. Aber ich bekomme ganz viel positive Rückmeldung – gerade auch aus afrikanischen Ländern. Viele finden das unglaublich spannend, dass es sowas gibt. Also ich persönlich habe keine schlechten Erfahrungen gemacht, aber das heißt nicht, dass es die nicht gibt. Ich glaube, dass die, die wirklich ein Problem mit Frauen, die Theologie studieren, haben, nicht auf die Idee kommen würden, mit mir darüber zu reden.

Frage: Kommt es theologisch zu Auseinandersetzungen?

Ochel: Also mein Studium hier ist tatsächlich eher vorlesungslastig. Ich habe grundsätzlich wenig Seminare, in denen diskutiert wird und ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir da irgendwelche konfliktreichen Themen behandelt hätten. Aber das ist vielleicht auch ein Punkt, an dem man die Sprachbarriere merkt. Die Diskussionen sind nicht so intensiv, wie ich sie aus Deutschland kenne. Ansonsten ist der Austausch unter den Studierenden eher durch Neugier geprägt – es geht mehr darum: Wie regelt das dein Heimatland? Welche Optionen gibt es da? Wie steht ihr zu diesen Themen? Solche Vorwürfe wie "ihr macht das falsch, das ist der richtige Weg" gibt es hier nicht. Niemand ist auf Streit aus, sondern es geht eher um das gegenseitige Verstehen.

Warum ein Priesteramtskandidat eine Pause in Rom macht

Wer in ein Priesterseminar eintritt, hat nicht selten einen festen Plan für sein Leben. Was aber, wenn Zweifel aufkommen? Daniel Wowra macht deshalb eine Pause – und das in Rom. In der Ewigen Stadt erzählt er von einem anderen Alltag und drängenden Fragen.

Frage: Sie wollten ursprünglich nur für ein Auslandsjahr in Rom studieren – und sind dann hiergeblieben, um Ihr Studium zu beenden. Warum?

Ochel: Ich habe einfach gemerkt, dass mir die Stadt unglaublich gut gefällt und guttut. Auch das Studium an der Uni hat mir viel Spaß gemacht – hier gibt es circa 3000 Studierende und mindestens die Hälfte studiert Theologie. Im Vergleich zu den deutschen Fakultäten ist das ein enormer Unterschied. An der Uni in Tübingen saß ich immer nur mit den gleichen 15 Leuten im Kurs. Hier studiere ich in einer großen Gemeinschaft, dadurch habe ich auch viel mehr Optionen, was die Kurse und Vorlesungen angeht.

Frage: Gibt es irgendwelche inhaltlichen Unterschiede zwischen dem Studium in Rom und in Deutschland?

Ochel: Das hängt von den Hochschulen ab. An der Gregoriana gibt es zum Beispiel keine praktische Theologie. Aber das liegt vermutlich daran, dass hier kaum einer das Ziel hat, Religionslehrer zu werden. Deshalb braucht es das Fach hier nicht. An der päpstlichen Universität der Salesianer wird dagegen sehr viel Religionspädagogik gelehrt.

Frage: Was war für Sie die größte Herausforderung, als Sie nach Rom gekommen sind?

Ochel: Am Anfang auf jeden Fall die Sprache. Ich konnte zwar schon ein bisschen Italienisch, aber durch die beiden Intensivkurse hier vor Ort konnte ich meine Sprachkenntnisse noch deutlich verbessern. Und meine Kommilitonen hatten alle das gleiche Problem. 90 Prozent der Studierenden sind keine Muttersprachler. Auch viele Professoren sind keine Italiener. Da verliert man schnell die Angst, sich sprachlich falsch auszudrücken.

Die deutsche Gemeinde in Rom ist in der Kirche Santa Maria dell'Anima zu Hause.
Bild: ©privat

Die deutsche Gemeinde in Rom ist in der Kirche Santa Maria dell'Anima zu Hause.

Fragen: Haben Sie sich hier auch mal allein oder einsam gefühlt?

Ochel: Eigentlich nicht. Die deutsche Gemeinde Santa Maria dell'Anima ist ein Stückchen deutsche Heimat in Rom. Ich wohne auch in einer Wohngemeinschaft der Gemeinde. Das gibt schon Sicherheit, weil ich mit meinen Mitbewohnerinnen zusammen die Stadt und die Kultur erkunden kann. Aber mir ist schon wichtig, mich auch bei den Italienern zu integrieren. Schließlich möchte ich hier nicht im deutschen Rom, sondern im italienischen Rom leben.

Frage: Nehmen Sie im alltäglichen Leben die Weltkirche in Rom wahr?

Ochel: Auf jeden Fall, die verschiedenen Formen des Christentums sind eigentlich durchgehend präsent. Gerade bei Veranstaltungen mit dem Heiligen Vater sind oft Vertreter verschiedener Ostkirchen dabei, die schon allein an ihrer Kleidung erkennbar sind. In Gottesdiensten wird dann zum Beispiel das Evangelium sowohl auf Latein von einem römisch-katholischen Diakon als auch auf Altgriechisch von einem griechisch-katholischen Diakon vorgetragen. Das schafft ein Bewusstsein dafür, dass katholische Kirche nicht nur in Deutschland und Europa existiert, sondern auf der ganzen Welt – in unterschiedlichen Formen, mit verschiedenen historischen und kulturellen Hintergründen. Das wird in Rom einfach sichtbar.

Frage: Und wie sieht es mit anderen Religionen aus?

Ochel: Ich wohne zum Beispiel sehr nah an der großen Synagoge in Rom und sehe dort häufiger Männer mit Kippa. Oder wenn Schabbat ist, fällt mir auf, dass alle Cafés und Restaurants im jüdischen Viertel geschlossen sind. An sich, würde ich sagen, gibt es in Rom ein recht aktives jüdisches Leben.

Die Studentin besucht sehr gerne die Vesper und Messe der Schwestern der Monastischen Gemeinschaften von Jerusalem auf dem Palatin.
Bild: ©privat

Die Studentin besucht sehr gerne die Vesper und Messe der Schwestern der Monastischen Gemeinschaften von Jerusalem auf dem Palatin.

Frage: Wie erleben Sie die Gottesdienste – gibt es Unterschiede zu Deutschland?

Ochel: Also ich gehe schon relativ viel in italienische Messen, weil mir das einfach wichtig ist, den gelebten Glauben hier kennenzulernen. Und das ist schon eine Umstellungssache. Zwar ist es der gleiche Messablauf, aber die Art und Weise, wie gefeiert wird, ist dann doch irgendwie anders, irgendwie lebhafter. Die musikalische Gestaltung ist etwas freier – es gibt zum Beispiel kein klassisches Liederbuch oder -heft, aus dem gesungen wird. Die Lieder kann man meistens nur dann mitsingen, wenn man die Gottesdienste regelmäßig besucht. Ansonsten wird sich vor und nach dem Gottesdienst viel mehr unterhalten und auch der Priester geht beim Einzug nicht direkt zum Altar, sondern spricht gezielt Leute an, fragt, wie es ihnen geht.

Frage: Hat sich durch Ihren Studienort auch Ihr Glaube verändert?

Ochel: Definitiv, Rom bietet einfach so viel mehr Möglichkeiten. Es gibt so viele verschiedene Ordensgemeinschaften, die regelmäßig öffentliche Stundengebete oder Messen feiern und allgemein viel mehr Gemeinden und Kirchen. Da kann man viel mehr ausprobieren und findet heraus, was man gerne mag. Ich habe hier zum Beispiel das Stundengebet noch einmal anders kennengelernt. Die Art und Weise, wie die Schwestern der Monastischen Gemeinschaften von Jerusalem auf dem Palatin Vesper und im Anschluss Messe feiern, hat mich sehr angesprochen. Es ist eine sehr, sehr kleine Kirche und die Schwestern freuen sich, wenn jemand zu Besuch kommt, weil sich dorthin eigentlich kein Tourist verirrt. Diese Ruhe und Abgeschiedenheit ist für mich wie eine kleine Oase in der sonst so trubeligen, lauten, vollen Stadt.

Frage: Was werden Sie aus Ihrer Zeit in Rom niemals vergessen?

Ochel: An das Konklave werde ich mich wohl immer erinnern können. Ich war wirklich bei allen Veranstaltungen – von der Ostersonntagsmesse von Papst Franziskus, also seinem letzten Auftritt, bis hin zur Einführungsmesse von Papst Leo. Weil die Wahrscheinlichkeit, dass ich bei einem weiteren Konklave in Rom leben werde, ist relativ gering – deshalb wollte ich alles mitnehmen. Die ganze Zeit über war die Stadt im Ausnahmezustand.

Hannah Ochel war im Petersdom, als Papst Franziskus dort aufgebahrt war, hat den weißen Rauch während des Konklaves gesehen und Papst Leos ersten Auftritt miterlebt.
Bild: ©privat

Hannah Ochel war im Petersdom, als Papst Franziskus dort aufgebahrt war, hat den weißen Rauch während des Konklaves gesehen und Papst Leos ersten Auftritt miterlebt.

Frage: Waren Sie auch dabei, als der weiße Rauch aufstieg?

Ochel: Ja, ich bin tatsächlich allein zum Petersplatz gegangen und habe mich dann in der Menge mit einer Kanadierin, einem Franzosen und einem Römer angefreundet. Als dann der Rauch kam, haben alle Menschen angefangen zu schreien und zu jubeln. Und es war dann irgendwie ein befreiendes Gefühl, zu wissen, wir haben einen neuen Papst. Als dann eine Stunde später das "Habemus Papam" kam und der Name verkündet wurde, war das ein sehr emotionaler Moment. Ich habe mich sehr gefreut, Prevost war einer meiner Favoriten.

Frage: Was nehmen Sie neben dieser Erinnerung sonst noch mit aus Rom?

Ochel: Vermutlich die italienische Lebensart, dass alles ein bisschen entspannter läuft, die Menschen flexibler sind, sich auf alles einlassen können. Und vielleicht auch, dass die Italiener mehr ihr Leben genießen, anstatt nur von Termin zu Termin zu hetzen.

Von Jasmin Lobert