Pater Philipp König über das Sonntagsevangelium

Unbequem und hoffnungsvoll – die Botschaft des Täufers

Veröffentlicht am 06.12.2025 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Vechta ‐ Johannes der Täufer ist radikal. Pater Philipp König gibt zu, dass er lange gebraucht hat, um einen Zugang zu ihm zu finden. Inspiriert durch eine Serie entdeckte er den Propheten neu – und möchte sich seine Botschaft im Advent besonders zu Herzen nehmen.

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Über lange Zeit konnte ich mit Johannes dem Täufer nur wenig anfangen: Ein Radikaler in einem Mantel aus Kamelhaaren, der sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährt und in der Wüste Anhänger um sich schart? Das war mir alles zu krass: sein extremes Auftreten, seine harschen Worte, seine abstoßende Erscheinung…

Johannes: Ein Radikaler, aber doch so menschlich

Nach und nach hat sich mein Blick auf Johannes den Täufer dann zum Positiven verändert. Einen wichtigen Beitrag zu meinem Sinneswandel hat die (äußerst sehenswerte!) Serie "The Chosen" geleistet. Die Art, wie der Schauspieler David Amoto dort den Täufer darstellt, fand ich beeindruckend. Johannes war zwar noch immer der Radikale, als den ich ihn schon gekannt hatte, doch irgendwie kam er mir dabei viel menschlicher und nahbarer vor. Ich konnte etwas davon ahnen, dass auch er Konflikte und Zweifel mit sich herumtrug, dass er bei all seiner Eindeutigkeit und Unerbittlichkeit doch viel mehr unterschiedliche Seiten zu bieten hat, als man auf den ersten Blick meint.

Mich fasziniert, dass Johannes keinerlei Rücksicht auf die herrschende Meinung nimmt, unverblümt Klartext spricht und für die Wahrheit eintritt, ohne Kompromisse und ohne Rücksicht auf sich selbst. Er spart nicht mit Kritik an den Mächtigen, sondern legt stattdessen verbal noch eins drauf, wenn er die Pharisäer und Sadduzäer als "Schlangenbrut" bezeichnet, und schonungslos das Gericht ankündigt. Johannes läuft keinen Trends hinterher, weder modisch (Kamelhaarmantel galten schon damals nicht als schick) noch kulinarisch (Heuschrecken und Wildhonig war das Essen der Allerärmsten). Er sucht nicht die große Öffentlichkeit, sondern zieht sich in die Wüste zurück – spannend, dass ihm die Menschen bis dorthin bereitwillig folgen.

Für die Wahrheit im Gefängnis: Johannes der Täufer und Alexej Nawalny

In "The Chosen" hat mich ganz besonders die Szene beeindruckt, als Johannes im Gefängnis sitzt. Die Faszination, die von ihm ausgeht, ist ungebrochen, das Feuer in seinen Augen ungetrübt, selbst in dieser finstersten Stunde seines Lebens, da sich sein gewaltsamer Tod immer klarer abzeichnet. Johannes musste die Konsequenzen dafür tragen, dass er gegenüber den Mächtigen kein Blatt vor den Mund nahm und ihnen die Leviten las. Lange konnte das nicht gutgehen, denn mit diesem Verhalten macht man sich nicht nur Freunde… Aber es braucht solche unbequemen Menschen damals wie heute!

Ich musste dabei unweigerlich an den russischen Oppositionellen und Regimekritiker Alexej Nawalny denken, der - wie schon Johannes damals - ins Gefängnis musste, weil er es gewagt hatte, den Despoten, der sein Land unterdrückte, öffentlich anzuprangern. Seine Autobiographie PATRIOT gehört zu meinen stärksten Leseerlebnissen dieses Jahres (Lektüreempfehlung!). Auch wenn Nawalny wusste, dass er irgendwann für seine Überzeugungen mit dem Leben würde bezahlen müssen, so war ihm ebenso klar: Der Wandel wird unweigerlich kommen! Die Veränderung ist nicht aufzuhalten, auch nicht mit staatlicher Gewalt! Die unbändige Hoffnung, die Alexej angetrieben hat, schöpfte er auch aus seinem christlichen Glauben, zu dem er (zur Überraschung vieler) während der Haft durch die Lektüre der Bergpredigt immer mehr gefunden hat. Und Nawalny war alles andere als eine blasse, eindimensionale Märtyrergestalt.

"KEHRT UM!" – Eine unbändige Hoffnung in die Zukunft!

Die Kernbotschaft des Johannes ist aktueller denn je: "KEHRT UM, denn das Himmelreich ist nahe!" Dieser Satz sollte den Grundrhythmus unseres Lebens als Christen vorgeben, gerade dann, wenn wir uns sicher oder gesettelt fühlen, wenn wir uns "eingerichtet" haben. Besonders jetzt im Advent will ich mich selbstkritisch fragen , ob ich tatsächlich mit dem Kommen Gottes, mit dem Anbrechen des Himmelreiches in unserer Welt rechne, ob ich seine Ankunft (lat. adventus) in meinem Leben WIRKLICH erwarte und herbeisehne.

"KEHR UM!" – Diese Aufforderung des Täufers will ich mir in dieser Adventszeit daher besonders zu eigen machen. Umkehren - ohne mir irgendetwas einzubilden auf das, was ich (vermeintlich) bin oder vorzuweisen habe. Umkehren - ohne mich zurückzulehnen und es mir bequem zu machen. Umkehren - weil ich aus der unbändigen Hoffnung lebe (oder bescheidener: leben will), die aus Johannes‘ Worten spricht: "Das Himmelreich ist nahe!"

Aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 3,1-12)

In jenen Tagen trat Johannes der Täufer auf und verkündete in der Wüste von Judäa: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. Er war es, von dem der Prophet Jesája gesagt hat: Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen!

Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften; Heuschrecken und wilder Honig waren seine Nahrung. Die Leute von Jerusalem und ganz Judäa und aus der ganzen Jordangegend zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen.

Als Johannes sah, dass viele Pharisäer und Sadduzäer zur Taufe kamen, sagte er zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Zorngericht entrinnen könnt? Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt, und meint nicht, ihr könntet sagen: Wir haben Abraham zum Vater.

Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen dem Abraham Kinder erwecken. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. Ich taufe euch mit Wasser zur Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Sandalen auszuziehen.

Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Schon hält er die Schaufel in der Hand; und er wird seine Tenne reinigen und den Weizen in seine Scheune sammeln; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.

Der Autor

Pater Philipp König gehört dem Dominikanerorden an, ist priesterlicher Mitarbeiter (Subsidiar) im pastoralen Raum Neunkirchen und schließt aktuell seine Lehramtsausbildung ab.

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