Zürcher Kantonalkirche erlaubt keine Kündigung wegen Privatleben mehr
Der Entzug der bischöflichen Beauftragung (Missio canonica) wegen der privaten Lebensführung ist für Seelsorgerinnen und Seelsorger im Schweizer Kanton Zürich künftig kein absoluter Kündigungsgrund mehr. Das Parlament der römisch-katholischen Körperschaft hat die Anstellungsordnung so geändert, dass die private Lebensführung kein Grund mehr für eine Kündigung ist, wie die Körperschaft am Donnerstag mitteilte. "Was im bürgerlichen Recht längst garantiert ist, gilt nun auch für Anstellungen in der Kirche", heißt es in der Mitteilung. Die Änderung sei mit dem Bischof von Chur abgesprochen. Die neuen Bestimmungen treten am 1. April 2026 in Kraft, sofern nicht ein Referendum darüber beantragt wird.
In der Schweiz sind nicht die Bistümer und Pfarreien Rechts- und Anstellungsträger, sondern staatskirchenrechtliche Körperschaften. Diese Körperschaften sind demokratisch organisiert und decken das Gebiet eines Kantons ab, das nicht deckungsgleich mit Bistümern ist. Die Zürcher Körperschaft liegt aber vollständig auf dem Gebiet des Bistums Chur. "Es entspricht der gesellschaftlichen Realität in der Schweiz, dass heutzutage gegenüber früher tabuisierten Lebensformen eine grössere Offenheit besteht", heißt es in der Begründung des Antrags. Dieser gesellschaftliche Wandel solle mit der Anpassung der Anstellungsordnung nachvollzogen werden. In der Begründung wird ausdrücklich auf die Änderung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes in Deutschland verwiesen, an die deutsche Grundordnung angelehnte Formulierungen finden sich künftig in der Zürcher Anstellungsordnung.
Formulierungen in Anlehnung an die deutsche Grundordnung
Konkret wurde die Bestimmung gestrichen, dass der sachlich begründete Entzug der kirchlichen Ernennung oder der Missio nach einer Anhörung der Betroffenen zwingend zur Kündigung führte. Stattdessen verlangt die Anstellungsordnung nun als allgemeine Voraussetzung für eine Anstellung im Verkündigungsdienst "eine positive Grundhaltung und Offenheit gegenüber der Botschaft des Evangeliums" und die Bereitschaft, "den christlichen Charakter der Einrichtung zu achten und dazu beizutragen, ihn im eigenen Aufgabenfeld zur Geltung zu bringen". Der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung bleibe "unbeachtet": "Das Beziehungsleben, die sexuelle Orientierung und Lebensführung, insbesondere die Intimsphäre, bleiben rechtlichen Bewertungen entzogen und bilden kein Anstellungskriterium." Ausgenommen sind besondere kirchliche Anforderungen an Priester, Diakone und Ordensleute.
Ausdrücklich ist das Privat- und Intimleben keine zulässige Begründung für eine Kündigung aufgrund "unbefriedigenden Verhaltens". Außerdienstliches Verhalten ist den neuen Regeln nach nur rechtlich relevant, wenn es öffentlich wahrnehmbar ist, grundlegende Werte der katholischen Kirche verletzt und dadurch deren Glaubwürdigkeit beeinträchtigt. Wenn künftig eine bischöfliche Beauftragung entzogen werden sollte, muss die kirchliche Körperschaft keine Kündigung aussprechen. Dagegen kann der Bischof Rekurs einlegen. Eine Rekurskommission entscheidet dann abschließend, ob sachlich begründete Argumente für eine Kündigung vorliegen oder nicht.
Debatte um arbeitsrechtliche "Standortbestimmung" der Schweizer Bischöfe
Mitte November hatte die Schweizer Bischofskonferenz eine "Standortbestimmung zur Praxis in den Schweizer Bistümern im Blick auf den Zusammenhang zwischen der bischöflichen Beauftragung" für die Pastoral veröffentlicht. Darin sprechen sie sich gegen einen "starren Regelkatalog" aus und betonen stattdessen die "Einzigartigkeit jeder Lebenssituation". Die verantwortlichen kirchlichen Instanzen seien gefordert, "die Dienstverhältnisse so zu gestalten, dass sowohl die kirchlichen Vorgaben als auch das Privatleben und die Intimsphäre von Seelsorgerinnen und Seelsorgern respektiert werden". Das Papier ist auf Kritik gestoßen, weil damit Kündigungen aufgrund des Privatlebens weiterhin nicht ausgeschlossen sind. Anfang der Woche nannten fünf Luzerner Theologinnen und Theologen das Papier "Machtmissbrauch" und forderten die Bischöfe zum Umdenken auf.
Anders als in der Schweiz sind Fragen der Lebensführung von kirchlichen Beschäftigten einschließlich der Seelsorgerinnen und Seelsorger in Deutschland bundesweit klar geregelt. 2022 haben die deutschen Bischöfe eine neue Grundordnung des kirchlichen Dienstes beschlossen, die mittlerweile in allen deutschen Diözesen gilt. Darin ist festgehalten, dass der "Kernbereich privater Lebensgestaltung, insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre", rechtlichen Bewertungen entzogen bleibt. Ausgenommen davon sind besondere kirchliche Anforderungen an Kleriker und Ordensleute. 2023 verabschiedeten die deutschen Bischöfe eine neue Musterordnung für die Verleihung der Missio canonica, mit der sie die Änderungen der Grundordnung auch für Religionslehrkräfte eingeführt haben. (fxn)
