Uwe Bork über die Anschläge von Paris

Ein Blick in die Hölle

Veröffentlicht am 16.11.2015 um 00:01 Uhr – Von Uwe Bork – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Uwe Bork über die Anschläge von Paris

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Nein, mit dem Islam, so wie ich ihn verstehe und wie er Europa reicher machen könnte, hat er nichts zu tun, dieser fürchterliche Terror von Paris. Seine Basis ist nicht die große Religion, zu deren Erbe Weltoffenheit, gelebte Toleranz und die Errungenschaften einer hochstehenden Kultur gehören. Seine Basis sind Menschenfeindlichkeit, Hass und Machtgier.

Das, was die Terroristen von Paris vertreten, ist in meinen Augen keine Religion, es ist eine blutverliebte Ideologie, die traditionsvergessen ihren Boden verloren hat und gewaltverzückt nach Weltherrschaft strebt. Der französische Islamforscher Olivier Roy dürfte daher nicht falsch liegen, wenn er die selbsterklärten Gotteskämpfer von heute mit den selbstbezogenen RAF-Kämpfern von damals vergleicht: "Für Baader-Meinhof war es die globale Revolution, für diese jungen Leute ist es der globale Dschihad."

Für ihre morbiden Überzeugungen, für die Menschenleben allenfalls noch einen Wert als Beleg der eigenen Stärke besitzen, gibt es keine Rechtfertigung. Das, was diese Mörder mit ihrer gnadenlosen Gewalt vertreten, kann sich nicht auf die Werte des Islams berufen: Wo dieser in den Zeiten seiner Blüte einst Intellekt und Kultur förderte, sind seine modernen Epigonen heute zu deren Feinden geworden.

Die Perspektive, die sich mit den Anschlägen von Paris eröffnet hat, ist ein Blick in die Hölle. Wir werden ihr nur entgehen können, wenn wir uns nicht auf das Spiel der Islamisten einlassen. In dem Moment, in dem wir in eine pauschale Islamfeindschaft ausbrechen, haben die Verbrecher von Paris und ihre Lehrmeister in Mossul oder Rakka gewonnen. Die Antwort auf den blutigen Terror der Islamisten kann nicht sein, dass unsere Gesellschaft in einem verständlichen Streben nach Sicherheit ihre eigenen Werte der Freiheit und Toleranz aufgibt. Vor der Hölle eines Kampfs der Kulturen und Religionen rettet uns nur, wenn es uns gelingt, den entwurzelten Jugendlichen der französischen Vorstädte wie unserer eigenen "Problemviertel" das Gefühl zu nehmen, zu einer abgehängten Generation zu gehören. Sie brauchen von uns die Aussicht auf ein lebenswertes Leben, damit sie ihr Heil nicht bei den Fundamentalisten jeglicher Couleur suchen.

Unsere Angebote müssen besser sein als die von IS und Al Kaida. Mein Selbstbewusstsein als Christ und Europäer sagt mir, dass wir sie machen können.

Zur Person

Uwe Bork ist Leiter der Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks (SWR).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Uwe Bork