Vor 70 Jahren starb Matthias Ehrenfried

Der Widerstandsbischof von Würzburg

Veröffentlicht am 30.05.2018 um 13:30 Uhr – Lesedauer: 
Bischof Matthias Ehrenfried
Bild: © POW
NS-Zeit

Bonn ‐ "Also Sie sind der Bischof, der uns solche Schwierigkeiten macht?" Mit diesen Worten begrüßte einst ein ranghoher NS-Funktionär Bischof Matthias Ehrenfried. Er war ein Gegner des Nazi-Regimes.

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Geht es um den Widerstand katholischer Bischöfe im Dritten Reich, kommen den meisten Menschen wohl zuerst prominente Oberhirten wie Clemens von Galen oder Konrad von Preysing in den Sinn. Mit dem Namen Matthias Ehrenfried können dagegen die wenigsten etwas anfangen. Dabei zählte der Würzburger Bischof innerhalb des deutschen Episkopats zu den energischsten Gegnern des NS-Regimes, wofür er von seinen Zeitgenossen den inoffiziellen Titel des "Widerstandsbischofs" erhielt. Er scheute weder die politische noch die weltanschauliche Auseinandersetzung mit den Nazis und zeichnete sich dabei durch eine beharrliche, nahezu sture Haltung aus. Vor genau 70 Jahren starb Ehrenfried – nachdem er die Diözese Würzburg fast ein Vierteljahrhundert lang durch Höhen und Tiefen, durch Nazi-Diktatur und Krieg  geführt hatte.

Man könnte es als Ironie der Geschichte bezeichnen, dass der spätere Bischof just in dem Jahr das Licht der Welt erblickte, als der Kulturkampf zwischen Deutschem Kaiserreich und katholischer Kirche in seine heiße Phase ging: Am 3. August 1871 wurde Matthias Ehrenfried – der unter den Nazis selbst zum "Kulturkämpfer" avancieren sollte – als Sohn einer Bauernfamilie im mittelfränkischen Absberg geboren. Nach einem herausragendem Abitur 1892 kam er auf Vermittlung des Eichstätter Bischofs Franz von Leonrod († 1905) ans Collegium Germanicum in Rom und studierte Theologie und Philosophie an der Päpstlichen Universität Gregoriana. 1898 empfing er die Priesterweihe, ein Jahr später erwarb er das theologische Doktorat. Nach lediglich einem Kaplansjahr im oberfränkischen Hilpoltstein erhielt Ehrenfried einen Lehrauftrag für Dogmatik am Lyzeum, der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Eichstätt. Später wurde er dort Professor für Apologetik und Exegese des Neuen Testaments.

Am 30. September 1924 ernannte der Heilige Stuhl Ehrenfried zum Bischof von Würzburg. Dabei kamen erstmals die Bestimmungen des kurz zuvor unterzeichneten Bayerischen Konkordats zum Einsatz, nach denen der Papst die bayerischen Bischöfe ernennt und nicht etwa eine Wahl durch die Domkapitel erfolgt. Daher war Ehrenfried auch der erste Würzburger Bischof, der weder aus dem Bistum Würzburg stammte noch aus dessen Domkapitel hervorging. Am 1. Dezember erfolgte die Bischofsweihe im Würzburger Sankt-Kilians-Dom.

Konservativ mit Hang zur Monarchie

Politisch galt Ehrenfried als konservativ mit einem Hang zur Monarchie. In der Weimarer Zeit unterstützte er offen die Bayerische Volkspartei (BVP), die weitaus konservativere Schwesterpartei des katholischen Zentrums, und lehnte reformerische und modernistische Tendenzen in Politik, Kirche und Gesellschaft ab. Schon vor der Machtübernahme Hitlers warnte der Bischof vor dem aufkommenden Nationalsozialismus: Die "sittlichen Verirrungen" der NS-Ideologie würden in Deutschland zwangsläufig "zu einem Neuheidentum führen", schrieb er etwa in seinem Fastenhirtenbrief von 1932. Auch innerhalb der Fuldaer Bischofskonferenz plädierte er bereits ab 1930 für eine deutliche Abgrenzung gegenüber dem Nationalsozialismus und schloss jedwede Zusammenarbeit aus.

Panorama von Würzburg mit dem Kiliansdom im Mittelpunkt.
Bild: ©mojolo / fotolia.com

24 Jahre lang wirkte Matthias Ehrenfried als Bischof von Würzburg. Im Mittelpunkt ist der Kiliansdom zu erkennen.

Rückhalt fand er dabei in seinem Bistum. Vor allem Unterfranken, das einen Großteil der Würzburger Diözese ausmacht, besaß einen vorherrschend katholischen Charakter; 82,5 Prozent der dortigen  Bevölkerung gehörte nach einer Erhebung von 1939 der katholischen Konfession an. Auch nach der Machtübernahme der Nazis blieb die Kirchenbindung in Unterfranken erstaunlich  stabil, was sich an den konstant hohen Gottesdienstbesucherzahlen ablesen lässt. Kurzum: Die Nationalsozialisten hatten in Unterfranken keinen leichten Stand, was noch die Märzwahlen von 1933 zeigten, bei denen die BVP weitaus stärkste Partei wurde.

Ende Mai 1933 begannen die neuen Machthaber mit Durchsuchungen und Verhaftungen von BVP-Funktionären. Dabei wurden auch 42 Priester des Bistums Würzburg verhaftet. Ehrenfried, der sich für die Partei engagiert hatte, geriet dabei ebenfalls ins Visier. Der Würzburger Polizeidirektor konnte im letzten Moment verhindern, dass der Bischof von der SA in sogenannte "Schutzhaft" wurde. In Predigten, Hirtenworten und öffentlichen Kundgebungen kritisierte Ehrenfried das NS-Regime von Beginn an scharf, sodass Rudolf Buttmann, Bevollmächtigter des Reichsinnenministeriums für die Umsetzung des Reichskonkordats, ihn einmal mit den Worten ansprach: "Also Sie sind der Bischof, der uns solche Schwierigkeiten macht?"

Verschärfung des Konflikts

Ab 1934 verschärfte sich die Konfliktsituation. Nachdem Ehrenfried gegen das Sterilisierungsgesetz "zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" deutlich Stellung bezogen hatte, erfolgten zwei Versuche der Nationalsozialisten, das Bischöfliche Palais zu stürmen; 1938 kam es zu einer neuerlichen Demonstration vor dem Bischofspalast, den die Würzburger Parteileitung organsiert hatte. Als die mainfränkischen Kreisleitungen der NSDAP durch einen Erlass vom 25. April 1934 die katholischen Jugendverbände auflösen wollten, intervenierte Ehrenfried beim Reichsinnenminister und beim Apostolischen Nuntius – mit Erfolg: Bereits nach zwei Tagen wurde der Erlass wieder aufgehoben. Ebenso gelang es dem Bischof, die Schließung der Würzburger Theologischen Fakultät im November 1935 zu verhindern. Sein Einsatz für den Erhalt der Konfessionsschulen hingegen blieb erfolglos: Ab dem Schuljahr 1938/39 gab es im  Bistum Würzburg nur noch Gemeinschaftsschulen. Dagegen konnte er 1941 noch einmal einen politischen Erfolg erzielen und gemeinsam mit den übrigen bayerischen Bischöfen die in Bayern angeordnete Kreuzentfernung aus öffentlichen Gebäuden stoppen.

Neben seinem Einsatz für die Wahrung der kirchlichen Rechte fand Ehrenfried durchaus deutliche Worte gegen Mord, Verfolgung und Unterdrückung unter den Nazis. 1942 ließ der Bischof ein ursprünglich als gemeinsamer Text der deutschen Bischöfe gedachtes, dann aber von der Mehrheit abgelehntes Hirtenwort als einer der wenigen Oberhirten in seiner Diözese verkünden: Für alle Völker gelte "das natürliche Recht auf das Leben" hieß es darin und "Wir deutschen Bischöfe werden nicht nachlassen, gegen die Tötung Unschuldiger Verwahrung einzulegen".

Bild: ©KNA

Der "Löwe von Münster": Clemens August Graf von Galen galt unter den deutschen Bischöfen als einer der schärfsten Kritiker des NS-Regimes.

Wo Licht ist, findet sich bekanntlich auch Schatten: Den Völkermord an den Juden nannte Ehrenfried nie beim Namen. In seinem Fastenhirtenbrief von 1942 führte er sogar aus, dass das Christentum "unmöglich eine natürliche Weiterentwicklung des Judentums" sein könne, wodurch eine Distanz zwischen Christen und Juden hervorgehoben wurde. Ebenfalls fand Ehrenfried für den Kriegsbeginn 1939 lobende Worte und rief die Soldaten "zur hingebenden Treue zum Vaterlande" auf. Sie "erfüllen ihre Pflicht gegen Führer und Vaterland opferwilligst mit dem Einsatz ihrer ganzen Persönlichkeit gemäß den Mahnungen der Heiligen Schrift. Mögen sie hinausziehen ins Feld im Vertrauen auf Gott und unseren Erlöser Jesus Christus", so Ehrenfried.

Seelsorge und kirchliches Leben gesichert

Bis Kriegsende versuchte der Würzburger Bischof vor allem, die Seelsorge und das kirchliche Leben in seiner Diözese zu sichern. Mit diesem Ziel vor Augen kündigte Ehrenfried nie die grundsätzliche Loyalität gegenüber der NS-Staatsführung auf. Noch in einem Hirtenbrief vom 1. Februar 1945 schrieb er: "Wer sich der rechtmäßigen Obrigkeit im Staate unterordnet, ordnet sich Gott unter." Mit dieser Taktik hatte der Bischof Erfolg: Trotz vieler Hindernisse durch das Regime ließ sich die Kirche Würzburgs unter Ehrenfried nicht aus dem öffentlichen Leben verdrängen, vielmehr florierte das kirchliche Leben, sodass 1935 sogar eine Belebung und Neuorganisation der Kiliansoktav und der Kiliani-Wallfahrt gelang. Nach der deutschen Kapitulation 1945 setzte sich Ehrenfried vor allem für Flüchtlinge, Umgesiedelte und Ausgebombte ein. Er starb am 30. Mai 1948 in Rimpar bei Würzburg.

Die Biographie Ehrenfrieds wurde von der Wissenschaft bis heute nicht lückenlos aufgearbeitet. In den bekannten Quellen jedoch zeigt sich ausnahmslos seine ablehnende Haltung gegenüber dem NS-Regime. Keinerlei gutheißendes Wort über Hitler in zwölf Jahren Diktatur ist von Ehrenfried überliefert, kein einziges erhaltenes Bild zeigt ihn gemeinsam mit einem NS-Funktionär. Somit zählte er zu jenem Teil des deutschen Episkopats, der statt Diplomatie den Weg der Konfrontation bevorzugte. Am treffendsten hat die Haltung Ehrenfrieds in der NS-Zeit möglicherweise sein langjähriger Sekretär Theodor Kramer im Jahr 1958 zusammengefasst: "Er war stets bereit, dem Staat zu geben, was ihm gebührt, aber die Rechte Gottes und der Kirche wollte er nicht antasten lassen … Darum ließ er sich die Freiheit des Wortes nicht einschränken. Er ist der Widerstandsbischof – ebenso wie die Kardinäle Graf Galen in Münster und Graf Preysing in Berlin."

Von Tobias Glenz

Buchtipp

Maria Anna Zumholz / Michael Hirschfeld (Hrsg.): Zwischen Seelsorge und Politik. Katholische Bischöfe in der NS-Zeit. Aschendorff Verlag 2018. ISBN 978-3-402-13228-9. 29,80 Euro. (darin: Wolfgang Weiß, "Unser Glaube ruht auf Felsengrund" – Matthias Ehrenfried 1871-1948)