Beim Thema Missbrauch in der Kirche "noch kein Ende in Sicht"

Bischof Genn: Kölner Wirren färben auch auf andere Bistümer ab

Veröffentlicht am 24.12.2021 um 10:12 Uhr – Lesedauer: 

Münster/Düsseldorf ‐ Die Ereignisse im Erzbistum Köln hätten viele Menschen kirchenkritischer gemacht, sagt der Münsteraner Bischof Felix Genn. Viele Menschen würden sich zwar "vielleicht über den Bischof ärgern", seien "aber in der Gemeinde vor Ort zufrieden".

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Die Wirren um die Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln strahlen nach den Worten des Münsteraner Bischofs Felix Genn auch auf andere Diözesen ab. "Klar ist, dass die Ereignisse in Köln im Laufe dieses Jahres viele Menschen deutlich kirchenkritischer gemacht haben", sagte er im Interview der "Rheinischen Post" (Freitag). "Wir machen aber auch die Erfahrung, dass Menschen sich zwar vielleicht über den Bischof ärgern, aber in der Gemeinde vor Ort zufrieden sind."

Genn bekundete Verständnis für Frustration vieler Gläubiger darüber, dass der Papst Bischöfe trotz nachgewiesener Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen im Amt belassen hat. Zugleich sagte er: "Die Fälle wurden in Rom genau darauf hin geprüft, was kirchenrechtlich so justiziabel ist, dass eine Abberufung hätte erfolgen müssen." Den Entscheidungen lägen "sehr differenzierte Betrachtungen der jeweiligen Situationen" zugrunde, so Genn, der in der für Personalfragen zuständigen vatikanischen Bischofskongregation mitarbeitet. Papst Franziskus beließ die Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff sowie den Hamburger Erzbischof Stefan Heße in ihren Ämtern, obwohl sie laut einem Gutachten als frühere Personalverantwortliche im Erzbistum Köln Pflichten verletzt hatten.

Seiner Einschätzung nach sollte die Macht der Bischöfe begrenzt werden, so Genn. "Eine Einschränkung der Macht der Bischöfe wäre ein Gewinn und auch eine Entlastung." Gerade in Deutschland hingen zu viele Aufgaben am Bischofsamt. Da müsse man sich fragen, "was das noch mit der Sakramentalität dieses Amtes zu tun hat. Es muss überlegt werden, welche Aufgaben ein Bischof nicht mehr ausüben sollte", sagte er.

Beim Thema Missbrauch in der Kirche "noch kein Ende in Sicht"

Genn schloss nicht aus, dass auch er selbst im Umgang mit Missbrauchsfällen Fehler begangen habe. "Ich denke zwar für mich, dass ich mir nichts habe zu Schulden kommen lassen." Die derzeit laufende wissenschaftliche Untersuchung von Historikern der Universität Münster könne aber auf Dinge aufmerksam machen, "bei denen ich etwas übersehen habe". Wichtig sei ihm, dass die Aufarbeitung "völlig unabhängig" erfolge. "Denn ich möchte, dass alles ans Licht kommt." Mit Ergebnissen wird im kommenden Frühjahr gerechnet.

Beim Thema Missbrauch in der Kirche sei "noch kein Ende in Sicht", sagte Genn. "Eine möglichst lückenlose Aufarbeitung sind wir insbesondere den Betroffenen sexuellen Missbrauchs schuldig."

Die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen sorgt seit Monaten für eine Vertrauenskrise im Erzbistum Köln. Erzbischof Rainer Maria Woelki befindet sich seit Oktober in einer mit dem Papst verabredeten Auszeit, um die Querelen aufzuarbeiten. Franziskus hatte nach einer Untersuchung erklärt, der Kardinal habe "große Fehler" vor allem in der Kommunikation gemacht, aber keine Verbrechen vertuschen wollen. Woelki will am Aschermittwoch (2. März) seinen Dienst wieder aufnehmen. Bis dahin leitet Weihbischof Rolf Steinhäuser als Apostolischer Administrator die rheinische Erzdiözese. (cbr/KNA/epd)