Verständnis hat sich in Geschichte und Konfessionen gewandelt

Zwischen Kultdiener und Sozialarbeiter: Priesterbilder in der Krise

Veröffentlicht am 02.05.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Priester haben in der Geschichte viele Bilder erfüllt: charismatische Lehrer, erhabene Kultdiener, innovative Streetworker. Die Konfessionen kennen unterschiedliche Zugangsbedingungen und Aufgabenfelder. Wie wird sich die Rolle des Priesters in der Krise wandeln? Ein Blick zurück und nach vorne.

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Noch bis in die frühe Nachkriegszeit gehörte der Priester neben dem Arzt und dem Lehrer zu den unangefochtenen Autoritäten des Ortes. Er vermittelte nicht nur religiöses Wissen und den Zugang zu den kirchlichen Heilsgütern, sondern war auch Repräsentant einer gesellschaftlichen Ordnung, die sich neben ihrer politischen Führung auch aus religiösen Überzeugungen speiste. 1950 gehörten noch über 96 Prozent der Bevölkerung Westdeutschlands einer der beiden großen christlichen Kirchen an. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert: In diesem Jahr dürfte erstmals weniger als die Hälfte der Deutschen Mitglied in einer der früheren Volkskirchen sein; der katholische Anteil lag zuletzt bei knapp 27 Prozent, ist im vergangenen Jahr aber nochmals deutlich gesunken.

Diese Entwicklung bleibt auch für die Priester der katholischen Kirche nicht ohne Auswirkung. Ihre Zahl geht seit Jahren stark zurück: Gab es Ende der 90er-Jahre noch knapp 18.000 katholische Priester in Deutschland, hat sich ihre Gesamtzahl bis 2020 um rund ein Drittel reduziert. Bundesweit haben im vorvergangenen Jahr gerade noch 54 Priesteramtskandidaten in diözesanen Seminaren und 16 in einem Orden ihre Ausbildung begonnen – erfahrungsgemäß empfangen am Ende des Studiums nur ein Bruchteil davon tatsächlich die Weihe. 20 Jahre zuvor war die Zahl der Seminaristen noch mehr als dreimal so groß. Da gegenwärtig die zahlenmäßig starken Jahrgänge der Nachkriegszeit aus dem aktiven Dienst ausscheiden oder versterben, gleichzeitig aber immer weniger Neupriester nachkommen, wird die Gesamtzahl in der kommenden Zeit vermutlich noch schneller einbrechen.

Das reiche Erbe, durch das das Priestertum in der katholischen Kirche getragen wird, droht ihm in der heutigen Zeit zunehmend zur Last zu werden. Selbst erfahrene Priester stehen vor einer Identitätskrise: Was bedeutet es, wenn der eigene Lebenseinsatz von vielen nicht mehr als ermutigendes Zeichen verstanden, sondern als störendes Relikt wahrgenommen wird – sogar innerhalb der kirchlichen Reihen? Lediglich zwölf Prozent der Deutschen gaben bei einer Umfrage des forsa-Instituts Anfang des Jahres an, noch großes Vertrauen in die katholische Kirche zu haben. Die vielen engagierten Priester, die trotz andauernder Missbrauchskrise und zähem Fortschritt kirchlicher Reformen mit Herzblut ihren Dienst tun und der Kirche ein menschenfreundliches Gesicht geben, können am negativen Image offenbar nur wenig ändern. Für viele wird die Situation zur Belastung. Wo soll sich ein Priester im säkularen Umfeld verorten zwischen seinen Rollen als Kultdiener und Seelsorger, Sozialarbeiter und Verwalter?

Die Heilige Kommunion
Bild: ©Fotolia.com/wideonet

Heute verbindet man den Priester vor allem mit der Feier des Gottesdienstes. Rituelle Handlungen wurden aber erst verhältnismäßig spät Teil seines Amtes.

Biblische Ursprünge und historische Entwicklung

Betrachtet man die biblischen Ursprünge des Priestertums, so finden sich bereits im Alten Testament priesterliche Gestalten: Aaron, der ältere Bruder des Mose, wird von diesem im Auftrag Gottes zum ersten Hohepriester der Israeliten eingesetzt. Wie seine Nachfolger stand Aaron als Mittler zwischen Gott und seinem Volk, allerdings in einem streng auf den kultischen Bereich begrenzten Sinn. Nach der Grundüberzeugung des Judentums steht jeder Gläubige direkt vor Gott und vollzieht den göttlichen Bund, indem er sein Leben an den Geboten der Tora ausrichtet. Dementsprechend gibt Gott Mose am Berg Sinai den Auftrag, seinem Volk zu verkünden: "Mir gehört die ganze Erde, ihr aber sollt mir als ein Königreich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören" (Ex 19,6). Alle Gläubigen sind nach diesem Verständnis Priesterinnen und Priester.

Die besondere Tätigkeit der Hohepriester und ihrer priesterlichen Angehörigen beschränkte sich auf den Opferkult: das Zerlegen der Opfertiere, das Darbringen der Schaubrote und die Sorge für die Öllampen im Allerheiligsten des Jerusalemer Tempels. Und so büßten die jüdischen Hohepriester ihre Funktion mit der Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahr 70 nach Christus auch vollständig ein. Die Rabbinen und Kantoren in der Synagoge, die den Tempel als religiösen Vergewisserungsort des Judentums ablöste, sind theologisch gebildete Bedienstete, die bestimmte Aufgaben bei den Gottesdiensten erfüllen, aber ihr Amt nicht mehr priesterlich verstehen.

Vom Gemeindevorsteher zum Kultpriester

Im Neuen Testament wird der Titel des Hohepriesters aufgegriffen und exklusiv auf Christus angewendet. "Richtet euren Sinn auf den Apostel und Hohepriester unseres Bekenntnisses: Jesus", heißt es im Hebräerbrief, der eine eigene Theologie des Priestertums Christi entfaltet. Alle, die sich durch die Taufe mit ihm verbinden, sind demnach durch sein einmaliges Opfer für immer mit Gott versöhnt. Wie auch das rabbinische Judentum kennt das Christentum in seiner Anfangszeit kein kultisches Priestertum. Die Christengemeinden des ersten Jahrhunderts waren auf unterschiedliche Weise aufgebaut und wurden von den Aposteln und anderen reisenden Autoritäten angeführt. Der Presbyter (griechisch: Ältester), von dem sich das deutsche Wort Priester ableitet, hatte ebenso wie der Episkopos (Aufseher), der Vorläufer des heutigen Bischofs, zunächst nur ordnende Aufgaben. Eine Mittlerfunktion wird für diese Ämter noch abgelehnt. "Denn: Einer ist Gott, einer auch Mittler zwischen Gott und Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle" (Tim 2,5-6).

Eine stärker herausgehobene und zunehmend sakramentale, also heilsvermittelnde Rolle erhielt der Priester erst in den Auseinandersetzungen des Christentums mit seiner antiken Umwelt: So machte die Abwehr der pseudochristlichen Gnosis eine Stärkung der Lehrautorität notwendig. Den Priestern und Bischöfen wurde kraft ihrer Weihe eine besondere Geistbegabung zugesprochen, durch die sie die Reinheit der Lehre sicherstellen sollten. Und als das Christentum unter Kaiser Konstantin offizielle Staatsreligion wurde, übernahmen die Priester zudem Funktionen der griechischen und römischen Kultreligion, was die sakramentale Ausgestaltung des Amtes beförderte.

Sakramentale Vollmacht und sozialer Aufstieg

Durch die Ausformung einer eigenen Sakramentenlehre gewann die Rolle des Priesters im Mittelalter an Bedeutung. Die Sakramente wurden in ihrer Anzahl und Spendungsform festgelegt und erhielten die Bedeutung sichtbarer Heilszeichen: Die einmalige Erlösungstat Jesu sollte in ihnen wirksam werden. Dabei stellte der Priester durch sein rituelles Handeln die Gegenwart Jesu sicher. Dieses Amtsverständnis wurde so prägend, dass sich eine Kaste sogenannter Messpriester entwickelte, die alle geistlichen Aufgaben einbüßten und nur noch die Messe feierten – zum Teil wohl, ohne überhaupt die lateinischen Worte zu verstehen, die sie sprachen. Entscheidend war nur noch die sakramentale Vollmacht.

Das änderte sich wiederum grundlegend mit dem aufkommenden Humanismus und der Reformation: Neben den liturgischen Pflichten traten nun die Bildung der Priester und ihre seelsorgerlichen Aufgaben in den Mittelpunkt. Auf diesem Weg wurde das Priesteramt zu einer anerkannten Bildungselite und innerhalb der Ständegesellschaft zu einem der wenigen sozialdurchlässigen Berufsfelder: Priester oder Mönch konnten Männer aus alle Schichten werden und bekamen so Zugang zu Bildung, die sonst den Adeligen und wirtschaftlich Bessergestellten vorbehalten war. Noch bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts war der Pfarrer neben dem Arzt und Lehrer oft die einzige studierte Person im Ort – zumindest in den ländlichen Regionen.

Ein altkatholischer Priester, eine evangelische Pfarrerin und ein katholischer Priester stehen nebeneinander
Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Archivbild)

Obwohl die Amtsträger ähnliche Aufgaben haben, unterscheiden sich die Zugangsmöglichkeiten und das Priesterverständnis zwischen den Konfessionen.

Besondere Zugangsbedingungen

Zumindest in Europa hat sich der Standeswechsel als Anziehungsfaktor des Priesteramts heute größtenteils erübrigt: Sozialer Aufstieg ist in allen gesellschaftlichen Bereichen möglich, ohne die Bindung an ein sakramentales Weiheamt. Dieses wird häufig als Relikt vergangener Zeiten und eines überholten Religionsverständnisses betrachtet. Zumal sich seine speziellen Zugangsbedingungen unter heutigen gesellschaftlichen Gesichtspunkten als wenig anziehende Hürden entpuppt haben: Priester werden können in der katholischen Kirche ausschließlich Männer – weil sie nach bestimmender Lehre auch durch ihre physische Gestalt den Mann Jesus von Nazareth verkörpern –, die zudem zölibatär, also unverheiratet leben müssen.

Beide Eigenschaften, die Beschränkung der Weihe auf Männer und der im Mittelalter verbindlich eingeführte Zölibat, sind in der öffentlichen Wahrnehmung regelrecht zu Synonymen für das katholische Priestertum geworden – und zu Symptomen seiner Krise. Dabei erregt insbesondere der Ausschluss von Frauen vom Weiheamt auch innerhalb der Kirche Anstoß. Schon seit Jahrzehnten steht die Forderung nach einer Öffnung des Priesteramtes für Frauen im Raum und gewinnt an wachsender Sprengkraft: Auch einige Bischöfe teilen heute die Überzeugung, dass eine weitere Ablehnung der Frauenordination existenzbedrohend für die Kirche werden könnte. Was noch kürzlich als dogmatisch entschieden galt – Papst Johannes Paul II. hatte 1994 festgehalten, die Kirche besitze keine Vollmacht, Frauen die Weihe zu spenden –, wird in verschiedenen Teilen der Weltkirche mittlerweile offen diskutiert.

Konfessionelle Unterschiede

Wie stark die Frage, wer unter welchen Umständen Priester werden kann, vom jeweils vorherrschenden Priesterbild abhängt, zeigt ein Blick in die anderen Konfessionen. Die meisten Kirchen der Reformation haben sich ab dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts für die Frauenordination geöffnet. Wegen der anders gelagerten Amtstheologie ließ sich die gesellschaftliche Emanzipation der Frau im Protestantismus leicht integrieren. Mit der Reformation war es zu einer deutlichen Veränderung im Priesterverständnis gekommen: Die protestantische Theologie stellte die biblische Idee des Priestertums aller Gläubigen in den Vordergrund und lehnte ein davon unterschiedenes sakramentales Priesteramt ab.

Mit der Ordination erhalten die Pfarrerinnen und Pfarrer nach evangelischem Verständnis keine besondere rituelle Vollmacht, sondern ordnen die Spendung der Sakramente lediglich und leiten die Gemeinde durch die Predigt – wozu sie eine vergleichbare theologische Ausbildung absolvieren wie ihre katholischen Kollegen. In der landläufigen Wahrnehmung dürften die amtstheologischen Unterschiede eher wenig ins Auge stechen: Für die meisten Gläubigen sind die evangelischen Amtsträger ebenso Priester wie die katholischen und ihre gottesdienstlichen Handlungen – wenn auch rituell weniger ausgeprägt – religiös genauso verbindlich. Deutlicher wird der Unterschied im Selbstverständnis der Konfessionsdiener: So identifizieren sich katholische Priester in der Regel stärker über die Feier der Liturgie und die Sakramentenspendung, während für evangelische Pfarrerinnen und Pfarrern oft die persönliche Seelsorge und der Predigtdienst im Vordergrund ihrer Tätigkeit stehen.

Priester mit Bart – und Familie

In sakramentaler Hinsicht näher steht die Orthodoxie dem katholischen Priesterbild. Dort wird die Weihe ebenfalls als unaustilgbares Wesensmerkmal verstanden, das den Priester bevollmächtigt, in der Person Jesu zu handeln. Orthodoxe Priester, die zur katholischen Kirche konvertieren, können daher in der Regel ihr Amt weiterhin gültig ausüben. Die Frauenweihe wird aus ähnlichen Gründen wie in der katholischen Kirche abgelehnt. Dagegen sind die Priester in der orthodoxen Kirche üblicherweise verheiratet – zölibatär leben dort nur Mönche und die Bischöfe, die deshalb meistens aus den Klöstern stammen. Für das Bild des Popen aber, wie der gewöhnliche Priester genannt wird, ist es völlig normal, dass er nach dem Sonntagsgottesdienst in schwarzer Soutane zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern vor der Kirche steht. Ein eheloser Pfarrer würde in der Orthodoxie eher für Misstrauen sorgen – ebenso wie einer ohne Bart. So verschieden sind auch die äußerlichen Faktoren des Priesterbildes.

Orthodoxe Geistliche in einer Kirche
Bild: ©KNA (Archivbild)

Auch die Optik unterscheidet sich: Während Priester der römischen Kirche meistens rasiert sind, tragen ostkirchliche Geistliche grundsätzlich Bart.

Verheiratete Priester gibt es aber durchaus auch in der katholischen Kirche, namentlich in den unierten Ostkirchen. Dabei handelt es sich um 23 Teilkirchen, die zwar den orientalischen Ritus feiern und ein eigenes Kirchenrecht haben, aber den Papst als Oberhaupt anerkennen und in voller Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche stehen. In den unierten Kirchen, zu denen die syrisch-katholische und die ukrainische griechisch-katholische Kirche zählen, besteht für die Priester keine Zölibatspflicht. Heiraten dürfen die Priesteramtskandidaten allerdings nur vor der Diakonenweihe – wer einmal die Weihe empfangen hat, ist von der Ehe ausgeschlossen. In seltenen Fällen gibt es sogar römisch-katholische Priester, die verheiratet sind, etwa wenn ein evangelischer Pfarrer mit seiner Familie zum Katholizismus konvertiert. Ihm wird dann mit päpstlicher Sondererlaubnis trotz seiner bestehenden Ehe die katholische Priesterweihe gespendet.

Der "mittlere Weg": Anglikaner und Alt-Katholiken

Verheiratete Priesterinnen und Priester kennen außerdem die anglikanische und die alt-katholische Kirche. Beide Konfessionen stellen gewissermaßen eine Mischform zwischen katholischem und protestantischem Kirchenverständnis dar: Sie verstehen sich als sakramental verfasste Kirchen mit bischöflicher Sukzession, beanspruchen also apostolische Weihevollmacht, haben sich aber von der Autorität des Papstes losgesagt – im Fall der anglikanischen Kirche von England anlässlich des Ehestreits König Heinrichs VIII. im 16. Jahrhundert, im Fall der Alt-Katholiken im Anschluss an das Erste Vatikanische Konzil von 1870. Besucht man in einer anglikanischen oder alt-katholischen Kirche den Sonntagsgottesdienst, so kann man dort das für Katholiken ungewohnte Bild erleben, wie eine Pfarrerin in vollem Ornat mit Weihrauch, Kniebeuge und altvertrauten Liedern die Messe feiert. Nicht ohne Grund stehen die alt-katholische und anglikanische Kirche untereinander in voller Sakramenten- und Kirchengemeinschaft.

Unterschiede macht dagegen die katholische Kirche in ihrer Bewertung: Während die apostolische Sukzession der alt-katholischen Kirche anerkannt wird und die Priesterweihe und die übrigen Sakramente dort als gültig betrachtet werden – vorausgesetzt sie werden an und von Männern vollzogen –, gilt das für die anglikanische Kirche nicht. Das zeigt sich etwa, wenn ein anglikanischer Geistlicher zum Katholizismus konvertiert und dann erneut die Priesterweihe empfangen muss, egal ob er zuvor bereits als Priester oder gar Bischof tätig war. So geschah es im vergangenen Jahr mit dem anglikanischen Bischof von Rochester, Michael James Nazir-Ali, der seine Kirche aus Widerwillen über deren Reformkurs verließ und katholischer Priester wurde. Den umgekehrten Konversionsweg gehen dagegen meist Personen auf der Suche nach einem dezidiert liberalen Umfeld oder aus dem Wunsch, als katholischer Priester mit seiner Partnerin oder seinem Partner ein gemeinsames Leben zu führen, ohne den eigenen Beruf aufgeben zu müssen. So waren rund 90 Prozent der alt-katholischen Geistlichen in Deutschland zuvor römisch-katholische Priester.

Ein Mann wird zum Priester geweiht
Bild: ©KNA/CIRIC/Corinne Simon

Bei der Priesterweihe wird dem Amtsträger nach katholischem Verständnis ein unauslöschliches Wesensmerkmal verliehen, das ihn dazu befähigt, in persona Christi die Sakramente zu spenden.

Herausforderungen für die Zukunft

Umwälzungen und Verwerfungen gibt es aber auch im Priesterbild innerhalb der katholischen Kirche selbst: Längst ist der Pfarrer nicht mehr der Kultdiener im engelsgleichen Stand, sondern wird aufgerieben zwischen den Erwartungen als einfühlsamer Seelsorger und Sozialarbeiter, als innovativer Jugendberater und leistungsorientierter Manager. Die Lebensideale eines diesseitsenthobenen Asketen kollidieren mit dem Anspruch, ganz in der Welt und bei den Bedürfnissen der Menschen von heute zu sein. Dass bei der zweiten Synodalversammlung in Frankfurt eine knappe Mehrheit dafür stimmte, der Synodale Weg solle sich auch mit der Frage befassen, ob die Kirche überhaupt noch Priester brauche, zeigt, wie prekär es um das überkommene Repertoire an Priesterbildern steht.

Der Jesuit Stephan Kessler, der Mitglied des Synodalforums II zum Thema "Priesterliche Existenz heute" ist, kritisierte, dass das vorherrschende Priesterbild bis heute von vormodernem Standesdenken geprägt ist. Die Kirche lebe "in einem selbstgewählten Ghetto" und versuche das Priestertum mit Ideen des 19. Jahrhunderts zu verteidigen, "die aber undemokratisch, ausgrenzend und nicht freiheitlich sind", sagte er im Interview. Seiner Ansicht nach braucht es kreative Formen des Priestertums, die es schaffen, seinen eigentlichen Zweck wieder zur Geltung zu bringen: "Der Priester hat den Auftrag, mich als Gläubigen zu meiner priesterlichen, prophetischen und königlichen Sendung zu befähigen … Christen brauchen dieses Empowerment, dass Gott in der Mitte ist und uns zu Neuem ermutigt."

Von Moritz Findeisen