Lateinamerika-Missionare kein "Abschaum der Priester Deutschlands"

Bischof Nann: Auslandspriester nicht unter Generalverdacht stellen

Veröffentlicht am 12.08.2022 um 11:36 Uhr – Lesedauer: 

Caraveli ‐ Die Untersuchung der Auslandspriester-Entsendung "Fidei Donum" brachte Missbrauch und Vertuschung ans Licht. Bischof Reinhold Nann, selbst von Freiburg nach Peru entsandt, weist nun einen Generalverdacht zurück.

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Der Prälat von Caraveli (Peru), Bischof Reinhold Nann, verteidigt die Fidei-Donum-Auslandspriester gegen einen Generalverdacht. Auf seinem Blog betonte der aus der Erzdiözese Freiburg stammende Bischof am Donnerstag, dass die von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Hilfswerk Adveniat beauftragte unabhängige Untersuchung von Fidei Donum einen ähnlichen Prozentsatz an Missbrauchstätern unter den Auslandspriestern wie die MHG-Missbrauchsstudie unter allen Geistlichen ausgemacht hat. "Fidei-Donum-Priester sind nicht der Abschaum der Priester in Deutschland, der dann nach Südamerika abgeschifft wurde. Sie sind genauso gut und genauso schlecht wie andere Priester auch", betonte Nann, der selbst 1991 als Fidei-Donum-Priester nach Peru kam. Der Bischof zeigte sich "zutiefst enttäuscht" über die aufgedeckten Taten: "Besonders betroffen macht es mich, dass auch der von mir zuvor bewunderte Bischof Emil Stehle sehr dunkle Seiten sowohl als Täter als auch als Vertuscher hatte."

Nann wies darauf hin, dass die Essener Fidei-Donum-Koordinationsstelle keinerlei rechtliche Verantwortung für die entsandten Priester trägt. Die Verantwortung liege bei den jeweils entsendenden Diözesanbischöfen. "Sollte der Priester vorher in Deutschland strafbar geworden sein, so hat der deutsche Bischof die Aufsichtspflicht, sollte er in Südamerika strafbar geworden sein, fällt das unter die Aufsichtspflicht des südamerikanischen Bischofs", erläutert Nann. Zudem würden die Missionare auf eigenen Wunsch ausgesandt: "Die Bischöfe 'entledigen' sich daher nicht unliebiger Priester, aber straffällig gewordene Priester können unter Umständen auf diese Weise aus Deutschland geflüchtet sein." In der Untersuchung wurde die mangelnde Struktur und Verbindlichkeit der Koordinationsstelle bemängelt. Sie empfiehlt Anstrengungen, "um sich zu einem kirchlichen Qualitätsbegriff zu entwickeln". Insbesondere müsste die Eignung und Bereitschaft zur Fortbildung in Präventionsfragen der potentiellen Entsandten überprüft werden.

Etwa 400 deutsche Auslandspriester seit 1960er-Jahren

Papst Pius XII. hatte 1957 in seiner Enzyklika "Fidei Donum" ("Geschenk des Glaubens") dazu aufgerufen, Priester in den globalen Süden zu entsenden, um dem dortigen Priestermangel zu begegnen. Aus Deutschland wurden seit den 1960er-Jahren etwa 400 Priester für Einsätze in verschiedenen südamerikanischen Ländern freigestellt. Die deutsche DBK-Koordinationsstelle Fidei Donum besteht seit 1971. Seit 1973 ist sie beim Südamerika-Hilfswerk Adveniat angesiedelt. Trotz der Schattenseiten gelte, dass die südamerikanische Kirche dankbar für den großartigen Einsatz der ganz überwiegenden Zahl der Fidei-Donum-Missionare sei, betonte Nann. Das Programm habe viel für die Ärmsten der Armen getan. "Fidei Donum geht also weiter, muss aus seinen Fehlern lernen, genauso wie der Rest der deutschen und internationalen Kirche.Der Schatten des Missbrauchs trübt auch das Licht von Fidei Donum, löscht es aber nicht aus", blickt der Bischof in die Zukunft.

Die DBK und Adveniat hatten nach ersten Vorwürfen, die 2021 bei der Vorstellung der Missbrauchsstudie des Bistums Hildesheim bekannt wurden, eine Untersuchung in Auftrag gegeben und damit die Kölner Rechtsanwältin Bettina Janssen beauftragt. Der am Montag veröffentlichte Bericht belastet insbesondere den früheren Adveniat-Geschäftsführer (1972–1988) und Fidei-Donum-Leiter (1972–1984) Emil Stehle schwer. Stehle, der später Bischof des ecuadorianischen Bistums Santo Domingo de los Colorados wurde, werden sowohl selbst Übergriffe vorgeworfen als auch die Vertuschung von Taten anderer Priester. (fxn)