Interview über Religionentreffen, Orthodoxie und die Ukraine

Kurienkardinal Koch: "Krieg ist ein falscher Weg"

Veröffentlicht am 13.08.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Bei der Vollversammlung des weltweiten Ökumenischen Rats der Kirchen in Karlsruhe wird Kurienkardinal Kurt Koch die vatikanische Delegation anführen. Im Interview spricht er auch über ein mögliches Treffen von Papst und Patriarch Kyrill.

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Es wird eines der größten religiösen Treffen des Jahres in Deutschland: Vom 31. August bis 8. September kommt der weltweite Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe zu seiner 11. Vollversammlung zusammen. Dort vertreten sind vor allem evangelische, anglikanische und orthodoxe Kirchen. Die katholische Kirche hat Gaststatus, sieht sich aber als enger Partner. Kurienkardinal Kurt Koch wird die vatikanische Delegation anführen. Im Interview spricht der vatikanische "Ökumeneminister" über seine Erwartungen an das Treffen und den orthodoxen Dialog im Schatten des Ukrainekriegs.

Frage: Kardinal Koch, welche Erwartungen haben Sie an die ÖRK-Vollversammlung in Karlsruhe?

Koch: Ich hoffe, dass das Thema dieser Vollversammlung "Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt" wirklich zeigen kann, was diese Liebe in unserer Welt und auch unter uns Christen bewegen kann. Ich hoffe, dass das in verschiedenen Aspekten deutlich wird.

Frage: Ein Aspekt wird sicherlich die geplante gemeinsame Stellungnahme zum Nahostkonflikt sein. Kann das, gerade mit Blick auf die aktuelle Situation, zu Konflikten führen und wird es am Ende zu einer Erklärung kommen?

Koch: Ich hoffe, dass es eine sinnvolle Perspektive geben wird. Auch hier ist wieder das Motto, dass die Liebe Christi versöhnt, eine wichtige Botschaft. Der Heilige Stuhl hat ja immer wieder betont, dass eine Zwei-Staaten-Lösung angestrebt werden muss. An ihr vorbei kann es kaum Frieden und Versöhnung geben. Ich hoffe, dass das wieder in Erinnerung gerufen wird und Wege aufgezeigt werden können, wie dieser schwere Konflikt gelöst werden kann. Beide, Israel und Palästina, haben das Recht zu existieren.

Natürlich ist dies eine ganz besondere Herausforderung, weil die Vollversammlung in Deutschland stattfindet und Deutschland mit seiner Geschichte, der gewollten Auslöschung des Judentums, hier eine besondere Verantwortung hat.

Frage: Ein weiterer Aspekt könnte der Ukrainekrieg sein. Es sollen Delegierte sowohl aus Russland als auch aus der Ukraine kommen. Glauben Sie, dass es dort fruchtbare Gespräche geben könnte?

Koch: Es gab im Vorfeld die Diskussion, ob die Delegation des russisch-orthodoxen Patriarchats ausgeladen werden soll. Aber der Weltkirchenrat hat entschieden, dass das keine Lösung ist. Die Dialoge, Gespräche und Beziehungen müssen aufrechterhalten werden, sonst kann man gar nichts erreichen.

Also ich denke schon, dass dieses Thema präsent sein wird und hoffe, dass es zu weiterführenden Gesprächen über diese schreckliche Wirklichkeit des Krieges in der Ukraine kommt.

Frage: Es gab zur ÖRK-Vollversammlung auch eine orthodoxe Vorversammlung auf Zypern. Einer ihrer Mitarbeiter hat daran teilgenommen. Wie war die Stimmung dort?

Koch: Pater Destivelle hat im Ganzen eine positive Erfahrung machen können. Es sei möglich gewesen, offen miteinander zu reden, obwohl es natürlich eine sehr schwierige Situation gewesen ist. Die Position des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill hat auch große Spannungen innerhalb der Orthodoxie ausgelöst. Die Orthodoxen versuchen, ihre verschiedenen Positionen klarzumachen, aber trotzdem miteinander im Gespräch zu bleiben.

ACK-Vorsitzender zum Ukraine-Krieg: Front verläuft durch unsere Kirche

Im Ukraine-Krieg sieht der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, Erzpriester Radu Constantin Miron, auch eine "ökumenische Herausforderung". Im katholisch.de-Interview spricht er über den Konflikt und darüber, ob er die Einheit der orthodoxen Kirche in Gefahr sieht.

Frage: Im September reist Papst Franziskus zu einem interreligiösen Kongress nach Kasachstan. Auch Patriarch Kyrill I. hat seine Teilnahme zugesagt. Wird es ein Zusammentreffen der beiden dort geben?

Koch: Ich weiß es nicht. Eine große Herausforderung wird sein – das ist die andere Seite, die man respektieren muss –, dass es in der Ukraine als sehr schwierig empfunden werden würde, wenn der Papst zunächst den russisch-orthodoxen Patriarchen trifft, bevor er die Ukraine besucht hat.

Frage: Halten Sie denn eine Begegnung zwischen Franziskus und Kyrill grundsätzlich für sinnvoll?

Koch: Ich denke, sie wäre dann sinnvoll, wenn es zu einer gemeinsamen klaren Stellungnahme kommen könnte, dass dieser sinnlose und grausame Krieg endlich beendet würde.

Frage: Wie geht es überhaupt weiter mit dem Dialog mit der russisch-orthodoxen Kirche? Kann Kyrill noch Gesprächspartner sein?

Koch: Die orthodoxen Kirchen haben entschieden, dass der theologische Dialog zwischen ihnen und der katholischen Kirche nur multilateral, nicht bilateral geführt wird. An diesem internationalen Dialog nimmt das russisch-orthodoxe Patriarchat nicht mehr teil, seit der Ökumenische Patriarch Bartholomäus I. die Autokephalie, die kirchenrechtliche Unabhängigkeit der orthodoxen Kirche in der Ukraine, erklärt hat. Das betrifft auch unsere Kommission. Deswegen haben wir momentan keinen theologischen Dialog mit Moskau.

Frage: Und über den theologischen Dialog hinaus?

Koch: Wir haben eine bilaterale Beziehung, wie wir sie auch mit anderen orthodoxen Kirchen haben. Diese ist jetzt durch die Position von Patriarch Kyrill zum Krieg in der Ukraine getrübt. Die Positionen sind sehr verschieden, weil für unsere katholische Kirche völlig klar ist, dass ein Krieg niemals eine Lösung ist.

Krieg schafft nur noch größere Probleme, gerade mit dieser hohen Zahl an Opfern, den vielen Flüchtlingen, den Konsequenzen für die weitere Verschmutzung der Schöpfung und den Hunger in der Welt. Da ist die Position des Heiligen Stuhls klar: Krieg ist ein falscher Weg.

Patriarch Kyrill ist der Überzeugung, dass dieser Weg beschritten werden muss. Da sind die Differenzen einfach sehr groß. Aber wenn wir Wege zur weiteren Verständigung suchen wollen, dann müssen wir im Dialog bleiben.

Von Severina Bartonitschek (KNA)