Kirche sei ihrem Wesen nach von Anfang an synodal

Zulehner: Vom Papst begonnener Reformprozess "unumkehrbar"

Veröffentlicht am 24.10.2022 um 12:34 Uhr – Lesedauer: 

Wien ‐ Paul Zulehner ist sich sicher: Der weltweite synodale Prozess schreibt das Zweite Vatikanische Konzil konsequent fort. Dem Papst attestiert er einen klugen Umgang mit der Weltkirche – auch wenn er keine großen Reformen umsetzen könne.

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Der Wiener Theologe Paul Zulehner hat den Umgang von Papst Franziskus mit der "Riesenorganisation Weltkirche" als klug hervorgehoben. Der Papst könne "vielleicht nicht allzu viele Reformen durchsetzen", aber er habe "zumindest einen unumkehrbaren Reformprozess in Gang gebracht", schreibt Zulehner in einem Gastkommentar für die "Wiener Zeitung" (Sonntag). Der von Franziskus initiierte weltweite synodale Prozess setzt aus Sicht des Theologen das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) konsequent fort.

Dabei sei die Kirche grundsätzlich eine "Weggemeinschaft, die der Welt von heute dient" und schon ihrem Wesen nach synodal, so Zulehner. Die Schlüsselbegriffe im Untertitel des weltweiten synodalen Prozesses – Mission, Gemeinschaft, Partizipation – drückten diese synodale Weggemeinschaft bereits aus. Schon die Versammlungen der Urkirche seien egalitär gewesen, da alle durch die Taufe die gleiche Würde und Berufung gehabt hätten, so Zulehner.

Entsynodalisierung durch Zweites Vatikanum überwunden

Im Laufe der Zeit habe sich dieses Grundverständnis allerdings gewandelt. Besonders mit dem Eintritt in das Römische Reich sei aus der vormaligen Untergrundbewegung eine "durchorganisierte Reichskirche" geworden. Durch schnelle Taufen sei eine "Massenkirche" entstanden, bei der die fundamentale Gleichheit der Getauften aufgegeben wurde zugunsten einer Zweiteilung in Klerus und Volksmasse. "Ihren Höhepunkt erreichte diese entsynodalisierte Kirchengestalt auf dem Ersten Vatikanischen Konzil (1869/1870)", so Zulehner. Das Konzil habe eine Zwei-Stände-Kirche festschreiben wollen, in der Kleriker ihren Dienst in gewaltförmige Vollmacht hätten umwandeln können. "Es ist jene Form der Amtsausübung, die Papst Franziskus heute mit dem Begriff 'Klerikalismus' geißelt und überwinden will", schreibt der emeritierte Theologie-Professor.

Im Zweiten Vatikanischen Konzil sei die Kirche dann hinsichtlich der sozialen Gestalt zu den "biblischen Gründungsurkunden" zurückgekehrt. "Die Entsynodalisierung sollte beendet und das pastorale Grundschisma überwunden werden", so Zulehner mit Blick auf die Spaltung zwischen Klerus und Kirchenvolk in den Jahrhunderten vor dem Konzil.

Der von Papst Franziskus ausgerufene synodale Prozess ist ein weltweit angelegter Konsultations- und Beratungsprozess, der die im Oktober 2023 und Oktober 2024 tagende Weltsynode zum Thema Synodalität vorbereiten soll. Dieses zweite Treffen war erst vor rund einer Woche angekündigt worden. Laut Synodensekretariat soll diese Verlängerung dazu dienen, nicht nur die Mitglieder der Bischofssynode, sondern "die gesamte Kirche" an den Beratungen zu beteiligen. (cbr)