Zustimmung, Erleichterung, aber auch offene Wünsche

"Überfälliger Schritt", "Teilerfolg": Stimmen zum neuen Arbeitsrecht

Veröffentlicht am 22.11.2022 um 14:41 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wer in einer homosexuellen Partnerschaft oder in zweiter Ehe lebt, wird künftig von der katholischen Kirche nicht mehr gekündigt: Ist das neue kirchliche Arbeitsrecht also der große Wurf? Vertreter aus Kirche und Politik äußern sich.

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Vertreter aus Kirche und Politik haben vielerorts mit Zustimmung und Erleichterung auf das neue katholische Arbeitsrecht reagiert. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, bezeichnete die Reform als "überfälligen Schritt": "Ich sehe vor allem, dass es pragmatisch möglich ist, Menschen das Leben zu erleichtern. Das ist gut so. Was daraus in der Lehre folgt, steht auf einem anderen Blatt."

Wer bei der katholischen Kirche arbeitet und in zweiter Ehe oder in einer homosexuellen Partnerschaft lebt, muss künftig nicht mehr mit einer Kündigung rechnen. Die deutschen Bischöfe hatten sich am Dienstag auf den Entwurf eines neuen Arbeitsrechts für die rund 800.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der katholischen Kirche und bei der Caritas geeinigt. Abgesehen von Ausnahmefällen bleibt der Austritt aus der Kirche ein Einstellungshindernis beziehungsweise ein Kündigungsgrund. Auch eine "kirchenfeindliche Betätigung" steht einer Einstellung und Weiterbeschäftigung entgegen.

Caritas erleichtert

Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, sprach von einem "Paradigmenwechsel". Die Reform sei überfällig gewesen. Entscheidend sei nun, dass die neue Ordnung so schnell wie möglich in allen Bistümern in Kraft gesetzt werde, damit es in ganz Deutschland ein einheitliches Arbeitsrecht gebe. Sie erinnerte aber auch daran, dass sich viele Verantwortliche in der Caritas zusätzlich einen offeneren Umgang mit Fragen des Kirchenaustritts dringend gewünscht hätten.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf Twitter: "Als Katholik begrüße ich jeden Schritt, mit dem sich die Kirche der Wirklichkeit liebender Menschen öffnet." Die religionspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Sandra Bubendorfer-Licht, sieht in der Reform ein "wichtiges und dringend notwendiges Signal". Viele Menschen im kirchlichen Dienst hätten unter der "veralteten und diskriminierenden" Grundordnung gelitten.

Bild: ©KNA/Torben Weiß (Archivbild)

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße sieht im neuen Arbeitsrecht "wichtige und notwendige Reformen".

Hamburgs Erzbischof Stefan Heße sieht im neuen Arbeitsrecht "wichtige und notwendige Reformen". "Ich halte es für sehr wichtig, dass wir so der komplexen Lebenswirklichkeit der Menschen besser Rechnung tragen", sagte er. Im Erzbistum Hamburg solle die reformierte Grundordnung voraussichtlich im ersten Quartal des kommenden Jahres in Kraft treten. Auch Münsters Bischof Felix Genn will das neue Arbeitsrecht "baldmöglichst" in Kraft setzen. Die Reform sei ein "wichtiger Schritt", damit Kirche gerade für die Mitarbeitenden ein "angstfreier Raum" werde.

Erzbistum Berlin begrüßt Reform

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch und Generalvikar Manfred Kollig sehen in der Reform "einen wichtigen und entscheidenden Beitrag auf dem Weg zu einer 'Kirche ohne Angst'". Die Neufassung der Grundordnung stärke die katholische Identität einer Einrichtung "durch die Betonung christlicher Organisations- und Führungskultur und durch Vermittlung christlicher Werte und Haltungen". Auch der Trierer Bischof Stephan Ackermann begrüßte die Reform: "Ich bin froh über diese Entscheidung hin zu einem kirchlichen Arbeitsrecht, das sowohl zeitgemäß ist, also der Lebenswirklichkeit der Menschen gerecht wird, als auch den kirchlichen Auftrag ernst nimmt." Ackermann kündigte an, die Neufassung der Grundordnung so schnell wie möglich für das Bistum Trier zu übernehmen.

Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann sagte, er "habe der neuen Grundordnung mit Überzeugung zugestimmt". Sie leiste "auf einem vielfach leidvollen und im Hinblick auf die sexuelle Orientierung als diskriminierend erfahrenen Hintergrund einen wesentlichen Beitrag für eine vielfältige und angstfreie Kirche". Er wolle die Grundordnung zeitnah in diözesanes Recht umsetzen, so der Bischof. Der Generalvikar im Bistum Essen, Klaus Pfeffer, bezeichnete die Neuregelung als "großen Fortschritt". Dass ein kirchenamtliches Papier Vielfalt als Bereicherung bezeichne, "mag in aufgeklärten Ohren selbstverständlich klingen – für die römisch-katholische Kirche ist das eine Revolution". Er würdigte insbesondere Reformkräfte wie die Initiative "#OutInChurch", die die Veränderung "vorangetrieben" hätten.

Die Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Mechthild Heil, betonte: "Das ist ein wichtiger Meilenstein für alle Angestellten in der Kirche." Man könne sich jedoch erst "wirklich freuen", wenn die deutschen (Erz-)Bistümer die neue Grundordnung rechtswirksam umsetzten. "#OutInChurch"-Mitinitiator Jens Ehebrecht-Zumsande sprach im Interview des Münsteraner Online-Portals "kirche-und-leben.de" von einem "Teilerfolg". Die Grundordnung orientiere sich "weiter an einem binären Geschlechtermodell, wonach es nur Frauen und Männer gibt". Auch sei unklar, was genau unter "kirchenfeindlichem Verhalten" zu verstehen sei, was weiterhin als Kündigungsgrund gilt. (tmg/KNA)

22.11., 15:35 Uhr: Ergänzt um Ackermann. 15:40 Uhr: Ergänzt um kfd. 17 Uhr: Ergänzt um Wiesemann.