Missbrauchs-Studien hätten für Betroffene kaum etwas zum Positiven verändert

Betroffenenbeirat kritisiert Bischofskonferenz und Aufarbeitung

Veröffentlicht am 10.01.2023 um 10:06 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Systematische Fehler bei der Missbrauchs-Aufarbeitung in Bistümern, mangelnde Sensibilität der Deutschen Bischofskonferenz: Der Freiburger Betroffenenbeirat übt deutliche Kritik – hebt aber die eigene Erzdiözese positiv hervor.

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Der Freiburger Betroffenenbeirat sieht systematische Fehler bei der Aufarbeitung von Missbrauch und sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche. Beispielsweise hätten die auf Ebene der Bistümer veröffentlichten Studien für die Betroffenen kaum etwas zum Positiven verändert, sagte Beiratssprecherin Julia Sander der "Badischen Zeitung" (Dienstag). "Man tut so, als sei die Veröffentlichung des Gutachtens alles, was man für Betroffene tun kann."

Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk sprach sich Sander für regelmäßige Spendensammlungen für Betroffene und Opfer aus. Der Missbrauch habe viele Betroffene ihrer Lebenschancen beraubt. Daher sollte sich jede Katholikin und jeder Katholik überlegen, welche Hilfen möglich seien. "Bei jeder Naturkatastrophe und bei jedem Krieg wird ein Spendenkonto eingerichtet. Warum geschieht das nicht für Missbrauchsüberlebende?", fragte Sander. "Die Kirche sollte regelmäßig eine Kollekte für Betroffene machen und diese Gelder als Schmerzensgelder an Betroffene auszahlen."

Der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) warf Sander mangelnde Sensibilität vor. Das bestehende Antragsverfahren für Anerkennungszahlungen sei intransparent, langwierig und die gezahlten Summen meist zu niedrig, kritisierte sie. Interesse an Verbesserungen gebe es bei der Bischofskonferenz kaum, so ihr Vorwurf. Daher habe sie ihre Mitarbeit im Beirat der Bischofskonferenz aufgekündigt.

Kritik an Benedikt XVI.

Auch am verstorbenen früheren Papst Benedikt XVI. übte sie Kritik. Er hätte mehr für ein Ende von Missbrauch und Vertuschung tun können, sagte Sander. "Ich glaube, dass Joseph Ratzinger Handlungsoptionen hatte, die er nicht genutzt hat. Ich sehe Betroffene, denen er viel Leid hätte ersparen können, wenn er sich die Mühe gemacht hätte, genau zu schauen: Was war da los? Was habe ich getan? Und das genau aufzuklären."

Im Erzbistum Freiburg erlebe sie dagegen, dass besser auf Betroffene zugegangen werde. "Man ist hier einen Schritt weiter als die Bischofskonferenz." Positiv würdigte sie beispielsweise die monatlichen Unterstützungszahlungen des Erzbistums an Betroffene in sozialer Not. Hier werden aktuell rund 40 Personen unterstützt.

Auch im Erzbistum Freiburg ist für April eine Studie zur Aufarbeitung von Missbrauch, sexualisierter Gewalt und Vertuschung durch Kirchenmitarbeiter angekündigt. Der Bericht will auch die Verantwortung des früheren Erzbischofs und Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, beschreiben. Erzbischof Stephan Burger hat vollständige Transparenz angekündigt. Er ist auch bundesweit für die Aufarbeitung mitverantwortlich. (KNA)

10.1., 13:20 Uhr: Ergänzt um weitere Ausführungen.