Erzbistum bestätigt Briefwechsel

Bericht: Ratzinger wusste schon 1986 von Missbrauch durch Priester H.

Veröffentlicht am 22.02.2023 um 11:48 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Vor rund einem Jahr belastete das Münchner Missbrauchsgutachten den emeritierten Papst Benedikt XVI. schwer. Nun ist ein Briefwechsel Ratzingers mit dem Erzbistum München und Freising aufgetaucht, der weiteren Zündstoff birgt.

  • Teilen:

Als Präfekt der Glaubenskongregation lagen dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger Medienrecherchen zufolge bereits 1986 Informationen über die Sexualstraftaten des Priesters H. vor. Der stellvertretende Generalvikar des Erzbistums München und Freising, Bernhard Egger, habe in einem Brief im August 1986 an den Vatikan um Erlaubnis für den damaligen Priester H. gebeten, dass dieser wegen "absoluter Alkoholunverträglichkeit" die Messfeiern mit Traubensaft statt mit Wein feiern dürfe, berichteten der "Bayerische Rundfunk" und das Recherchezentrum "Correctiv" am Dienstag. H. war zuvor wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs vor dem Amtsgericht Ebersberg zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Das Erzbistum München und Freising habe auf Anfrage von "Correctiv" und BR mitgeteilt, dass das Schreiben auch Sexualstraftaten an Kindern erwähne, "die in alkoholisiertem Zustand begangen wurden". Ratzinger antwortete dem Erzbistum demnach schriftlich und unterzeichnete den Brief mit der Erlaubnis persönlich, auf die Sexualstraftaten sei er jedoch nicht eingegangen. "Damit ist belegt, dass Ratzinger Informationen über den mehrfachen sexuellen Missbrauch des verurteilten Täters H. vorlagen, der damals weiterhin in der Gemeindeseelsorge eingesetzt werden sollte", heißt es im BR-Bericht.

Ratzinger betonte zeitlebens, nichts von Vorwürfen gewusst zu haben

Das Missbrauchsgutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) über sexualisierte Gewalt im Erzbistum München und Freising widmet dem Fall H. einen Sonderband mit 350 Seiten. Die im Januar 2022 veröffentlichte Untersuchung wirft dem späteren Papst Benedikt XVI., der von 1977 bis 1982 Erzbischof von München und Freising war, persönliches Fehlverhalten in mehreren Fällen vor. Ein Sprecher des Erzbistums bestätigte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Dienstag, dass der nun bekannt gewordene Schriftwechsel auch der Kanzlei vorgelegen habe. Der Priester soll über Jahrzehnte Jungen im Bistum Essen und im Erzbistum München und Freising sexuell missbraucht haben und immer wieder versetzt worden sein. Im Juni 2022 ist H. aus dem Klerikerstand entlassen worden.

Der Sprecher der Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, forderte den Vatikan unterdessen auf, die eigenen Akten herauszugeben. Die Recherchen zeigten, wie wichtig die Auswertung der Akten wäre, die im Vatikan über Tausende von Missbrauchsfällen aus aller Welt gelagert würden, sagte er der dpa. Der Schriftwechsel zwischen Ratzinger und dem Erzbistum zeige auch, warum die Kirche Widerstand gegen unabhängige Untersuchungen leiste: Sie wisse, dass sich dort die Belege für Schuld und Verantwortung ihrer Bischöfe und Päpste fänden. (cbr)