Papst Franziskus entlässt den 66-Jährigen aus Rom

Kein Platz mehr im Vatikan für Georg Gänswein

Veröffentlicht am 15.06.2023 um 15:21 Uhr – Von Volker Hasenauer (KNA) – Lesedauer: 

Vatikanstadt/Freiburg ‐ Erzbischof Georg Gänswein zieht in der ersten Juliwoche vom Vatikan zurück in sein Heimatbistum Freiburg – nach mehr als 25 Jahren. Welche Aufgaben der langjährige Papstsekretär aber übernehmen wird, ist völlig offen.

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Als Sekretär von Papst Benedikt XVI. begrüßte Georg Gänswein Staatsoberhäupter und Präsidenten im Vatikan. Er entschied mit darüber, wer Zugang zum Kirchenoberhaupt hatte. Er begleitete Joseph Ratzinger bis zu dessen Tod an Silvester 2022.

Zu Papst Franziskus fand der aus dem Schwarzwald stammende Erzbischof aber nie einen engen Draht. Am Donnerstag teilte der Vatikan nun offiziell und letztgültig mit: Gänswein hat keine Aufgabe mehr im Vatikan und muss Rom auf persönliche Anweisung von Papst Franziskus in Richtung Freiburg verlassen.

Damit haben monatelange Spekulationen ein Ende. Mal hieß es, Gänswein werde Bischof in Bayern – oder vielleicht Papstbotschafter in Costa Rica. Nun geht er als Privatmann nach Freiburg. Doch auch nach der kurzen Mitteilung des Heiligen Stuhls am Donnerstag ist weiterhin unklar, welche Rolle und Aufgaben der prominente Kirchenmann künftig übernehmen soll. Entsprechende Gespräche laufen, denkbar wären beispielsweise Lehrtätigkeiten an einer Hochschule. Mit 66 Jahren ist der vitale Erzbischof zu jung für den kirchlichen Ruhestand. Eine Aufgabe als normaler Gemeindeseelsorger kann sich im Südwesten kaum jemand vorstellen.

Detail lässt aufhorchen

Ein Detail lässt aufhorchen: In der Mitteilung des Heiligen Stuhls heißt es, der Papst schicke Gänswein "vorläufig" ("per il momento") nach Freiburg. Deutet sich da bereits ein Hintertürchen an, ist Freiburg nur eine Zwischenstation? Oder ist die Formulierung eher ein Hinweis darauf, dass der Vatikan nun Freiburg am Ball sieht, um eine passende Aufgabe für Don Giorgio zu finden?

Getuschelt wird viel, öffentlich äußern mag sich kaum jemand. Auch der normalerweise sehr mitteilungsfreudige Gänswein war zunächst nicht zu einer Stellungnahme bereit.

Bild: ©KNA/Sven Hoppe/dpa/Pool

Erzbischof Georg Gänswein mit Benedikt XVI. bei dessen letztem Deutschland-Besuch im Juni 2020.

Kirchenrechtlich jedenfalls ist in einem Erzbistum eigentlich nur Platz für einen Erzbischof. Und der heißt in Freiburg Stephan Burger. Das steht nicht in Frage. Schwieriger zu beantworten ist, ob Gänswein gegenüber Burger der Gehorsamspflicht unterliegt, der sich Priester mit ihrer Weihe grundsätzlich unterwerfen. Sicher kann Gänswein innerhalb der Erzdiözese nicht machen, was er will, der Chef heißt Burger.

Insofern bleibt, was in Konfliktsituationen helfen kann: miteinander reden. Dabei kann Burger von Gänswein nichts verlangen und Gänswein von Burger nichts einfordern. Mutmaßlich müssen die beiden Kirchenrechtler diese Gespräche direkt führen. Ein Ergebnis ist bislang nicht bekannt.

Burger dürfte ein Interesse daran haben, dass der medial dauerpräsente Gänswein – zuletzt mit seinem Buch "Nichts als die Wahrheit" – mit einer neuen Rolle einverstanden ist. Doch selbst, wenn sich beide auf ein statusgerechtes neues Betätigungsfeld einigen, bleibt ein Problem: Wird Gänswein seinen Bekanntheitsbonus nutzen, um sich weiter in kirchenpolitischen Fragen zu äußern – etwa zu dem von ihm kritisch beäugten Reformprozess Synodaler Weg? Das wäre vielen nicht recht.

"Katholikinnen und Katholiken haben andere Sorgen"

Oder nimmt Gänswein zu Burgers Umstrukturierungsplänen für das Erzbistum Stellung? Sie sehen vor, dass ab 2026 zwischen Bodensee und Odenwald aus rund 1.000 Pfarreien 36 Großpfarreien werden. Solche Vorhaben dürften dem weltgewandten Ex-Papstsekretär eher fern liegen. Zudem kann er davon ausgehen, dass seine konservativen Positionen bei den meist als liberal geltenden badischen Katholikinnen und Katholiken wenig Zustimmung finden werden.

An der Basis spielt die Personalie Gänswein überraschenderweise bislang kaum eine Rolle. "Die Katholikinnen und Katholiken haben andere Sorgen", sagt beispielsweise die Vorsitzende des Diözesanrats Martina Kastner im Blick auf die Planungen für die Seelsorge der Zukunft. Vielleicht werde Gänswein ja als Vortragsreisender durch Deutschland touren, vermutet sie.

Finanziell jedenfalls scheint Gänswein abgesichert. Schon während all der Jahre in Rom übernahm sein Heimatbistum einen Teil der Besoldung. Der George Clooney des Vatikans – Gänswein soll eine italienische Modedesignerin zu einer Kollektion inspiriert haben – wird in den kommenden Tagen mit Spannung in Freiburg erwartet.

Von Volker Hasenauer (KNA)