Falsch verstandene Reform könnte zu Spaltung führen

Erzbischof: Kirche in Deutschland in größter Krise seit Reformation

Veröffentlicht am 21.09.2023 um 08:59 Uhr – Lesedauer: 

Würzburg ‐ Der Posener Erzbischof Stanisław Gądecki zeichnet ein düsteres Bild der Kirche in Deutschland. Zwar seien Reformen an sich nicht das Problem. Jedoch sehe er einige Tendenzen, die ihm Sorge bereiteten.

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Der Posener Erzbischof und Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Stanisław Gądecki, hat die Situation der Kirche in Deutschland als größte Krise seit der Reformation bezeichnet. "Es besteht die große Gefahr, dass eine falsch verstandene Reform des Christentums erneut zu einer Spaltung der Kirche führt, die auf die Nachbarländer übergreift", sagte er der "Tagespost" am Donnerstag. Dem dürfe man nicht gleichgültig gegenüberstehen, deshalb habe er dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, im Februar vergangenen Jahres einen Brief dazu geschrieben.

Nicht Reformen an sich seien das Problem, so Gądecki weiter, sondern "die Frage, ob sie menschlich oder göttlich" seien. Echte Reformen entstünden nicht aus einem Mangel an Glauben, sondern aus einem Übermaß an Glauben und Treue. Er beobachte allerdings, dass es heute zu viele Reformer gebe, die statt von der Theologie von der Soziologie ausgingen. Sozialwissenschaften enthielten "immer ein gewisses ideologisches Element", wozu er die Gender-Theorie, den Marxismus, Rassismus sowie Eugenik zählt. Es gebe zwar Wissensfortschritte, etwa zur Würde der Frau oder den Rechten von Kindern. "Doch viele 'Entdeckungen' in den Humanwissenschaften sind schlicht die Folgen eines anthropologischen Irrtums."

Ideologisierende Begriffe in "Instrumentum laboris"

Mit Blick auf die im Oktober beginnende Generalversammlung der Weltsynode zur Synodalität beklagte er, dass sich das "Instrumentum laboris" seiner Ansicht nach ideologisierter Begriffe wie "Inklusion" bediene und der Fokus der Frage nach Ämtern zu sehr auf dem Macht- und zu wenig auf dem dienenden Aspekt liege. Bei Machtfragen orientiere man sich zu sehr an der Politik: "Es geht um die Demokratisierung der Kirche, die Kirche ist jedoch von Natur aus hierarchisch." Zudem warnte er davor, die Kirchenlehre zur Empfängnisverhütung infrage zu stellen, denn das wäre gleichbedeutend mit einer Änderung der Lehre zum Schwangerschaftsabbruch.

Gądecki äußerte sich auch zur akademischen Theologie in Deutschland. Ihre Hauptprobleme seien "ihre Abkopplung von der Seelsorge und der pastoralen Verantwortung", die mangelnde Einbettung in die Kirche und eine zunehmende Spezialisierung der Professoren. Er sei aber sehr dankbar für "die intellektuelle Leistung von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI., dessen Gesamtwerk auf Polnisch erschienen ist". (cph)