Verfahren gegen früheren Vatikanbotschafter beginnt im Juli

Missbrauchsprozess im Vatikan

Veröffentlicht am 16.06.2015 um 14:30 Uhr – Lesedauer: 
Vatikan

Vatikanstadt ‐ Er ist der bislang ranghöchste kirchliche Würdenträger, gegen den der Vatikan wegen sexuellen Missbrauchs vorgeht: Dem ehemaligen Nuntius Jozef Wesolowski wird ab 11. Juli im Kirchenstaat der Prozess gemacht. Die Vorwürfe wiegen schwer.

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Am Montag gab nun der Vatikan bekannt, dass der strafrechtliche Prozess des Kirchenstaats gegen den früheren päpstlichen Botschafter in der Dominikanischen Republik am 11. Juli beginnt. Wesolowski drohen bis zu sieben Jahren Haft.

Dem 66-Jährigen Polen wird vorgeworfen, während seiner Zeit als Nuntius in der Dominikanischen Republik zwischen 2008 und 2013 sieben Kinder in kirchlichen Einrichtungen sexuell missbraucht zu haben. Zudem sollen die Ermittler auf seinem Dienstcomputer in der Apostolischen Nuntiatur 86.000 kinderpornographische Fotos sowie 130 Videos gefunden haben. Auch nach seiner Abberufung im August 2013 soll der Mann noch kinderpornografisches Material besessen haben.

Jozef Wesolowski im Porträt
Bild: ©picture alliance/AP Photo/Manuel Diaz

Dem früheren vatikanische Botschafter in der Dominikanischen Republik, Jozef Wesolowski, wird sexueller Missbrauch vorgeworfen.

Wesolowskis Fall bekommt wohl auch deswegen so viel Aufmerksamkeit, weil er der bislang ranghöchste kirchliche Würdenträger ist, gegen den der Vatikan wegen sexuellen Missbrauchs vorgeht. Bei dem nun angekündigten Verfahren handelt sich aber nicht um einen kirchen- sondern um einen strafrechtlichen Prozess.

Prozess nach dem Strafrecht für Vatikanbürger

Als Diplomat des Heiligen Stuhls ist Wesolowski vatikanischer Staatsbürger und muss sich daher auch vor der weltlichen Gerichtsbarkeit des Vatikanstaats verantworten. Dessen Staatsanwalt hat für das Verfahren Unterlagen der Ermittler in der Dominikanischen Republik sowie eines früheren kirchenrechtlichen Prozesses der Glaubenskongregation erhalten. Für das Verfahren wird nach Angaben von Vatikansprecher Federico Lombardi aufgrund der Tatzeit noch das alte, weniger strenge vatikanische Strafrecht angewendet, das bis 2013 galt.  

In dem kirchenrechtlichen Prozess  der vatikanischen Glaubenskongregation war Wesolowski bereits im Juni 2014 zu der zweithöchsten Strafe verurteilt worden, die es neben der Exkommunikation gibt: Er wurde aus dem Priesterstand entlassen. Von September bis Dezember 2014 war er zudem unter vatikanischen Hausarrest gestellt. Seitdem ist er auf freiem Fuß, darf den Vatikan aber nicht verlassen.

In den Fall des 66-Jährigen hatte sich sogar der Papst eingeschaltet. Ende 2014 hatte er mit dem Generalstaatsanwalt der Dominikanischen Republik, Francisco Rodriguez Brito, gesprochen und betont, beide Staaten müssten die Ermittlungen "mit voller Freiheit und innerhalb der gesetzlichen Vorschriften" führen. Der hohe Rang des Beschuldigten dürfe keine Rolle spielen. Auch an anderer Stelle hatte Franziskus betont, er wünsche, dass ein "derart schwerwiegender und delikater Fall ohne Verzögerungen und mit der rechten und notwendigen Strenge" behandelt werde.

Diese Äußerungen des Kirchenoberhaupts stehen für dessen "Null-Toleranz"-Politik im Kampf gegen sexuellen Missbrauch, die Franziskus von seinem Vorgänger Benedikt XVI. übernommen hat. Erst in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Vatikan ein eigenes Gericht für Bischöfe einrichtet, die sexuellen Missbrauch vertuschen. Für solche Fälle hatte es bisher noch keine festgelegten kirchenrechtlichen Sanktionen gegeben. Amtsmissbrauch von Bischöfen war nicht als eigener Straftatbestand vorgesehen.

Wird Wesolowski nun in dem ersten Prozess dieses neuen Gerichts verurteilt, könnte er möglicherweise in der gleichen Zelle inhaftiert werden, die auch schon einen anderen prominenten Strafgefangenen des Vatikan beherbergte: den früheren päpstlichen Kammerdiner Paolo Gabriele, der 2012 vertrauliche Dokumente des Vatikan an Journalisten herausgab und damit die "Vatileaks"-Affäre auslöste. (gho/KNA)

Linktipp: Bischöfe sind verantwortlich

Im Kampf gegen sexuellen Missbrauch in ihren eigenen Reihen hat die katholische Kirche nach Skandalen in vergangenen Jahren viel unternommen. Jetzt wird eine weitere Lücke geschlossen: Der Vatikan richtet ein eigenes Gericht für Bischöfe ein, die Missbrauch vertuschen.