Standpunkt

Das Kreuz mit dem Kreuz

Veröffentlicht am 15.07.2025 um 00:01 Uhr – Von Schwester Gabriela Zinkl – Lesedauer: 

Bonn ‐ In Bayern ticken die Uhren anders, schreibt Schwester Gabriela Zinkl. Sie ist im Freistaat geboren und aufgewachsen – und blickt gelassen auf die jüngste Debatte um das Kruzifix-Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.

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"Gott mir dir, du Land der Bayern" beginnt die erste Strophe der Bayern-Hymne. Das Lernen und Singen beider Strophen der Nationalhymne ist nach wie vor fester Bestandteil des Musik-Lehrplans an bayerischen Grundschulen. Wie jede Hymne erklingt sie bei offiziellen Anlässen. Dass dieses Lied noch dazu im katholischen Gotteslob fast aller bayerischen Bistümer abgedruckt ist, finden Außenstehende kurios, doch Kenner wissen: die Bayern-Hymne zählt zum Standardrepertoire jeder Fronleichnamsprozession, schließlich ist sie ein Kirchenlied mit eindeutigem Gottesbezug.

Die bayerische Verfassung nennt "Ehrfurcht vor Gott" und "Achtung vor religiöser Überzeugung" als oberste Bildungsziele. Doch ist vor allem Ersteres nicht unumstritten. Kritiker sehen im Gottesbezug eine Verletzung der Religionsfreiheit und eine Bevorzugung bestimmter religiöser Überzeugungen, hier der christlichen Konfession.

Das jüngste Kruzifix-Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ließ einige bayerische Politiker lauthals aufschreien. Dagegen wunderte man sich im Rest Deutschlands, wie es sein kann, dass in Bayern 30 Jahre nach dem Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (1995) immer noch Kruzifixe in Klassenzimmern und Schulen hängen.

Bekanntlich ticken die Uhren in Bayern anders. Tatsächlich behielt man hier die Kreuze und Kruzifixe auch nach 1995 an den Wänden. Es gilt die Vorgabe, sie nur in begründeten "atypischen Ausnahmefällen" auf Klagen einzelner Schüler oder Lehrer temporär zu entfernen. Die Anzahl solcher Klagen bewegt sich im Promillebereich, der jetzt verhandelte Fall zählte dazu, sodass aus den Klassenzimmern der Klägerinnen, zweier Schülerinnen, die Kreuze entfernt wurden. Nur eben das Kreuz im Foyer der Schule mit "furchteinflößendem" Christus-Corpus nicht. Wie das aktuelle Urteil besagt, hätte zumindest der Christus-Corpus entfernt werden müssen. Da der ganze Vorfall in der Vergangenheit liegt, weil die betreffenden Schülerinnen die Schule seit einigen Jahren beendet haben, darf das Kruzifix weiter hängen bleiben. So hat es das bayerische Kultusministerium kurz nach der Urteilsverkündung beschieden. Diese Schlussfolgerung ist absolut korrekt und, auf Bayerisch gesagt, ausgefuchst.

Von Schwester Gabriela Zinkl

Die Autorin

Schwester Dr. Gabriela Zinkl SMCB ist Ordensschwester bei den Borromäerinnen, promovierte Theologin (Kirchenrecht) und in der Ordensleitung in Kloster Grafschaft.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.