60 Jahre nach dem Konzil

Hünermann: Rückwärtsgewandten Umgang mit Zweitem Vatikanum überwinden

Veröffentlicht am 29.09.2025 um 11:52 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Die Aufbruchstimmung des Zweiten Vatikanums haben die Päpste, beginnend mit dem Konzilspapst Paul VI., eher eingehegt als befördert – bis Franziskus kam: Diesen Impuls gilt es nun aufzunehmen, fordern die Theologen Peter Hünermann und Klaus Vellguth.

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Die Theologen Peter Hünermann und Klaus Vellguth sehen im Pontifikat von Papst Franziskus (2013–2025) die Chance eines neuen verantwortlichen Umgangs mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965). Franziskus hat laut Hünermann und Vellguth dazu eingeladen, restaurative Tendenzen seiner Vorgänger zu überwinden und mit Theologie und Kirche in eine neue Phase der Offenheit einzutreten, schreiben die beiden Theologen in einem Beitrag in der Herder-Korrespondenz (Oktober-Ausgabe). "In all diesen Diskursen müssen Kirche und Theologie neu ausgerichtet werden – sowohl in Geschlechter- und Sexualitätsfragen, in der Vielfalt ihrer Ortskirchen als auch in globaler ökologischer Verantwortung", so Hünermann und Vellguth.

Bereits unmittelbar nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil habe bereits Papst Paul VI. (1963–1978) durch seine Weichenstellungen zum fortwährenden Ausschluss der Zulassung von Frauen zum priesterlichen Amt und zur Absage an künstliche Verhütungsmethoden zu einer Vergrößerung der Kluft zwischen kirchlichem Lehramt und den Gläubigen in weiten Teilen der Weltkirche beigetragen. Weiter habe es die Kirche versäumt, ihre hierarchisch-zentralistischen Strukturen zu überwinden und auf allen Ebenen synodale Strukturen zu entwickeln. Dieser restaurative Umgang mit dem Zweiten Vatikanum habe auch die Pontifikate von Johannes Paul II. (1978–2005) und Benedikt XVI. (2005–2013) geprägt.

Hünermann und Vellguth sehen daher für die Kirche die Aufgabe, strukturelle Reformen zu fördern, synodale Prozesse zu gestalten und umweltethisches Handeln in eine Schöpfungsdiakonie zu integrieren. Die beiden Theologen hoffen darauf, dass Papst Leo XIV. "als Kirchenrechtler die nötige kreative Gestaltungsmächtigkeit für das Erbe von Franziskus entfaltet". Für die Zukunft der Kirche werde es darum gehen, wie die Kirche sich in Fragen der Gendergerechtigkeit entwickle, wie sie als Kirche den hierarchischen Zentralismus zugunsten synodaler Strukturen überwinde und wie sie sich zu den entscheidenden Zukunftsfragen der Menschheit positioniere. Das seien insbesondere die Klimakrise und der dramatische Verlust von Biodiversität. "Damit würde die katholische Kirche dem Erbe und Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils für das 21. Jahrhundert gerecht", sind die Theologen überzeugt. Hünermann, emeritierter Tübinger Dogmatiker, und Vellguth, Pastoraltheologe an der Theologischen Fakultät Trier, sind Mitinitiatoren des Forschungsprojektes "Das Zweite Vatikanische Konzil: Ereignis und Auftrag". (fxn)