Wilsnack war im ausgehenden Mittelalter einer der wichtigsten Wallfahrtsorte Europas

Kleiner Ort mit großer Kirche

Veröffentlicht am 11.10.2015 um 11:40 Uhr – Von Christiane Neuhausen (KNA) – Lesedauer: 
Pilgern

Wilsnack ‐ Sie galt als das Santiago Nordeuropas: Die Stadt Wilsnack zählte einst zu den wichtigsten Pilgerorten des Kontinents - bis die Reformation der Wallfahrt ein Ende setzte. Die deutsche St.-Jakobus-Gesellschaft will diese große Geschichte ergründen.

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Bekannt in der ganzen abendländischen Christenheit zog die Stadt Pilger von den britischen Inseln ebenso an wie aus dem Baltikum, aus Ungarn oder Skandinavien. Europa pilgerte an die Elbe, denn Wilsnack galt als Santiago Nordeuropas. An diese große Wallfahrtstradition erinnert die Deutsche St. Jakobus-Gesellschaft mit ihrer Jahrestagung, die noch bis Sonntag in Wilsnack stattfindet, wo mit sechs Vorträgen die Geschichte des ehemaligen Wallfahrtsortes wissenschaftlich untersucht wird.

Die Kirche als Zeichen des Pilgerbooms

Am Anfang des Wallfahrtsbooms stand eine Fehde. Im August 1383 ließ der Ritter Heinrich von Bülow den Ort und die Kirche niederbrennen, der Überlieferung nach fand der Pfarrer auf dem Altar in der Ruine drei Hostien mit roten Flecken, die man für Blut hielt - ein Wunder. Diese Nachricht verbreitete sich rasend schnell durch Europa, schon im folgenden Jahr kamen die ersten Pilger. Die verarmten Bewohner des Ortes nützten die Gunst der Stunde und bauten ein Gotteshaus, das, 58 Meter lang und mit 59 Meter hohem Turm, noch heute als Wunderblutkirche St. Nikolai sichtbares Zeichen des einstigen Pilgerbooms ist.

Die Wunderblutkirche St. Nikolai in Bad Wilsnack: Im Mittelalter zählte sie zu den wichtigsten Wallfahrtsorten Europas.
Bild: ©picture alliance / dpa / Bernd Settnik

Die Wunderblutkirche St. Nikolai in Bad Wilsnack: Im Mittelalter zählte sie zu den wichtigsten Wallfahrtsorten Europas. Mitte des 16. Jahrhunderts zerstörte der erste evangelische Pfarrer von Wilsnack die Bluthostien, womit die Wallfahrt endete.

Die Wilsnacker erbaten und erhielten großzügige Ablässe vom Papst, was einer offiziellen Anerkennung gleichkam. So konnte der einst kleine unbedeutende Ort in Konkurrenz zu den großen anderen Wallfahrtsorten treten und sich dort erfolgreich behaupten. Die Pilger stimmten mit den Füßen ab, Wilsnack war ihnen eine Wallfahrt wert. Doch war das Wunder innerkirchlich nicht unumstritten. Der deutsche Kardinal Nikolaus von Kues (1401-1464) war grundsätzlich gegen Wunderhostien aller Art und wollte die Wallfahrt verboten wissen, aber er konnte sich angesichts des Pilgerbooms nicht durchsetzen.

Das Ende kam mit der Reformation

Martin Luther wetterte 1520 in seiner Schrift "An den christlichen Adel Deutscher Nation", Wilsnack solle "bis auf den Grund zerstöret" werden. Das Ende kam tatsächlich mit der Reformation, als 1552 der erste evangelische Pfarrer von Wilsnack, Joachim Ellefeld, die Überreste der Wunderhostien verbrannte. Erhalten blieb der eicherne Wunderblutschrein, vermutlich aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, der heute noch in der Kirche zu besichtigen ist.

Dossier Pilgern: Auf dem Weg zu Gott

Die Nähe Gottes spüren - das ist das Ziel vieler Gläubiger, die sich zu religiösen Stätten in aller Welt aufmachen. Jährlich begeben sich etwa 40 Millionen Christen auf eine Pilgerreise. Katholisch.de stellt die Tradition der Wallfahrt, wichtige Bräuche und bekannte Pilgerziele vor.

Danach versank der Ort in Vergessenheit. Heute kann man wieder nach Wilsnack pilgern, ein Angebot, das von zahlreichen Wanderern gerne angenommen wird. Der Wunderblutpilgerweg von Berlin nach Bad Wilsnack wurde vor 10 Jahren eingerichtet. Der Verlauf folgt einem historischen Wegabschnitt, der über Waldwege, naturbelassene Feldwege und entlang verkehrsarmer Landstraßen über eine Gesamtstrecke von 130 Kilometern bis zur Wunderblutkirche führt. Ebenso ist seit der Eröffnung 2008 die 75 Kilometer lange Pilgerstrecke von Bad Wilsnack nach Tangermünde in Sachsen-Anhalt an das ausgeschilderte europäische Wegenetz nach Santiago de Compostela angeschlossen.

Von Christiane Neuhausen (KNA)