Pfarrer Peter van Briel über Himmel, Hölle und Vergebung der Sünden

"Wir werden uns wiedersehen"

Veröffentlicht am 30.06.2016 um 13:30 Uhr – Von Johanna Heckeley – Lesedauer: 
Lebensende

Bonn ‐ Was passiert nach dem Tod? Kommen die Guten in den Himmel, die Bösen in die Hölle? Und werden die Sünden vergeben? Im Interview spricht Peter van Briel, Pfarrer und Schulseelsorger über das Jenseits.

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Frage: Herr van Briel, was erwartet Katholiken nach dem Tod?

Peter van Briel: Wir glauben, dass das, was uns erwartet, eine Wirklichkeit ist, und die ist unabhängig davon, ob man vorher daran geglaubt hat oder nicht. Leider sind wir uns der sehr wichtigen Unterscheidung zwischen dem Leben nach dem Tod und der Auferstehung kaum oder gar nicht mehr bewusst. Zunächst ist klar: Der Tod ist die Trennung von Leib und Seele. Menschen, die tot sind, sind deswegen nicht weg, die Seele lebt weiter. Daran glauben wir– und das haben wir mit vielen Religionen gemeinsam. Hinzu kommt aber die christliche Botschaft der Auferstehung. Das bedeutet, dass wir unseren Leib wiederbekommen! Wir werden uns wiedersehen und uns in leibhaftig den Armen liegen!

Frage: Was sagt die Bibel dazu?

Van Briel: Im Alten Testament ist die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod sehr uneinheitlich. Da gab es einerseits die Vorstellung, dass eine unsterbliche Seele der Einzigartigkeit Gottes Konkurrenz machen könnte. Deswegen war man in der Formulierung sehr vorsichtig und hat, wenn überhaupt, von einem "Schattendasein nach dem Tod" gesprochen oder von einem "Versammeln zu den Vätern". In den späteren Schriften, so zum Beispiel in der Weisheitsliteratur, gibt es immerhin schon sehr klare Vorstellungen zur Gerechtigkeit, zum Weiterleben und Erlöstwerden – zum Beispiel, dass die Menschen nach dem Tod "ein wenig gezüchtigt" werden (Weish 3,5). Doch erst im Neuen Testament gibt es klare Aussagen über das Jenseits. Nicht nur in der Predigt Jesu, sondern vor allem an seinem Beispiel wird klar: Als er stirbt, trennen sich Leib und Seele, die dann in der Auferstehung wieder zusammenkommen. So wunderbar verwandelt erscheint er dann den Jüngern. Das ist nicht nur Kern unseres Evangeliums, sondern auch unserer Botschaft über das Leben nach dem Tod.

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Vieles, was sich am Ende unseres Lebens abspielt, entzieht sich unserem Einfluss. Einiges lässt sich jedoch gut vorab regeln. Katholisch.de hat Tipps und Hilfen zur Todesfallvorsorge zusammengestellt.

Frage: Kommen die Guten in den Himmel, die Bösen ins Fegefeuer oder die Hölle?

Van Briel: Um diese Frage zu beantworten, muss man erst einmal klären, was Himmel, Fegefeuer und Hölle eigentlich sind. Das sind nämlich keine Orte, an die man verfrachtet wird – schon gar nicht nach irgendeinem System, nach dem man Punkte für jede gute Tat bekommt. Himmel, Fegefeuer und Hölle sind vielmehr Zustände der Seele. Eine Seele, die in sich verschlossen und beziehungsunfähig ist, ist eine höllische Seele. Eine himmlische Seele dagegen ist eine, die nicht um sich selbst kreist, sondern die beziehungsfähig ist und sich allem entgegenstreckt, also Gott, jeder anderen Seele und der himmlischen Realität insgesamt. Solche himmlischen und höllischen Seelen gibt es schon hier in diesem Leben. Wer zu einer himmlischen Seele werden will, muss vor allem seine Ängste überwinden, falsche Hoffnungen abgeben und Beziehungsfähigkeit einüben. Das ist mitunter anstrengend und schmerzhaft – und es dauert. Deswegen sollten wir unsere ganze Lebenszeit nutzen, um uns auf die neue Wirklichkeit vorzubereiten.

Frage: Wer muss sich vor der Hölle fürchten?

Van Briel: Es gibt ja den Spruch, dass die Menschen, die den Himmel ablehnen, die Hölle nicht zu fürchten brauchen. Nach dem Tod wartet die absolute Liebesbeziehung mit Gott und mit allen, die sich darauf einlassen können. Beides – die Liebesbeziehung zu Gott und die Gemeinschaft der Heiligen – ist untrennbar verbunden. Aber es wird Seelen geben, die das nicht möchten, die davor Angst haben oder Gott immer aus dem Weg gegangen sind. Bei denen kann es sein, dass sie der Überzeugungskunst Gottes bedürfen und noch einmal das durchleiden müssen, was sie vom Himmel trennt. Das könnte man gut mit Fegefeuer umschreiben. Und Menschen, die nicht in die Gemeinschaft mit Gott wollen, denken, ihr Himmel sei die Gottferne – was man als Gegensatz zum Himmel auch als Hölle bezeichnen könnte. Für sie erscheint eine Ewigkeit mit Gott die Hölle – und eine Existenz ohne Gott sehr viel erträglicher. Jeder ist schließlich dort, wo er letztendlich sein will. Das ist damit gemeint, dass sich eigentlich "keiner vor der Hölle fürchten muss".

Pfarrer Peter van Briel
Bild: ©privat

Peter van Briel ist Pastor der Pfarrgemeinde St. Peter und Paul in Hopsten-Halverde, Schulseelsorger und Sprecher der Karl-Leisner-Jugend.

Frage: Wie wird gerichtet über die Toten?

Van Briel: Ich glaube, dass es zunächst einmal ein Selbstgericht ist, das sich in der Gegenwart Gottes vollzieht. Aber Gott wirbt um jede Seele, die sich von ihm abwenden will – und schenkt uns dabei die Gewissheit der Vergebung der Sünden. Wer zum Beispiel Angst vor der Nähe zu Gott und den Menschen hat, weil er befürchtet, dass er dort mit seiner Schuld und Unzulänglichkeit nicht bestehen kann, fasst hoffentlich Mut, wenn er sieht, was Jesus für ihn getan und erlitten hat. Genau darin besteht ja Erlösung. Indem "alles schon bezahlt ist" durch das Leiden Jesu, wird uns die Angst genommen, verworfen zu werden. Unsere Sünden sind schon längst vergeben – aber haben wir das auch wirklich realisiert? Können wir freimütig über unsere Sünden sprechen, ohne Scham? Das wäre der Himmel – beziehungsweise die Voraussetzung, frohen Mutes den Himmel zu wählen. Die Seelen, die nicht in den Himmel wollen, haben diesen Mut nicht – weil sie nicht an die Vergebung glauben wollen, es für einen Werbetrick Gottes halten, zu stolz sind, Vergebung anzunehmen, weil sie Angst vor Strafe haben und nicht glauben, dass Jesus diese schon durchlitten hat – was auch immer.

Frage: Es geht also nur um fehlenden Mut?

Van Briel: Denkbar ist auch der Entschluss eines Menschen, den Himmel nicht zu wollen, weil ihm ein Detail nicht passt – obwohl er gerne hineinkäme. Zum Beispiel weil er zwar Gott mag, aber einem bestimmten Menschen nicht verzeihen will und ihm auch im Himmel noch demütigen will. Dieser wird vielleicht den Hinweis, dass der Himmel nicht teilbar ist, als "Ausschluss" vom Himmel erfahren. Wir können nicht Gott lieben und einzelne Menschen weiter hassen. Aber auch hier kann uns ein Blick auf Jesus erlösen: Er ist für alle Menschen gestorben, sein Heilswille ist universal.

Frage: Stimmt es, dass die Hölle leer ist, weil Gott gnädig ist?

Van Briel: Wenn wir die Hölle als Zustand der Abgeschiedenheit und Ablehnung der Vergebung und Erlösung verstehen, dann ist es kein Widerspruch zur göttlichen Barmherzigkeit, wenn jemand gerade diese Barmherzigkeit bis in die Ewigkeit nicht will. Gott umwirbt alle Menschen und will sie in den Himmel holen. Der Mensch hat aber die Freiheit, sich dieser göttlichen Barmherzigkeit zu verschließen. Die Frage ist also nicht, ob Gott es zulässt, dass Menschen in der Hölle sind – das wird er nämlich zulassen, denn er hat uns die Freiheit dazu gegeben – sondern ob es Menschen gibt, die diese Freiheit bis ins Letzte missbrauchen, weil sie mit Gott nichts zu tun haben wollen. Diese Frage können wir aber in dieser Welt nicht beantworten.

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Frage: Viele Menschen, die eine Nahtoderfahrung gemacht haben, berichten von einem Licht und einem wohligen Gefühl. Wie deckt sich das mit der christlichen Glaubenslehre?

Van Briel: Diese Erfahrungen unterscheiden sich eigentlich nicht von anderen Lebenserfahrungen, die zugleich Glaubenserfahrungen sind: Manche Menschen berichten zum Beispiel, sie haben in der Trauer gespürt, ihr verstorbener Partner sei noch da gewesen. Andere wiederum erzählen, sie haben im Gebet zu einem Heiligen gespürt, dieser habe ihnen zur Seite gestanden. Diese Erfahrungen sind keine Quelle der Theologie, das heißt, wir können daraus keine Aussagen über Gott oder das Jenseits ableiten; dafür haben wir die Offenbarung. Aber sie machen das, was wir glauben, erfahrbar und können uns im Glauben stützen.

Frage: Wie ist das mit meinen Sünden, die ich im Leben begangen habe? Werden sie mir vergeben werden?

Van Briel: Ja, definitiv. Wenn es eine Botschaft im Evangelium gibt, dann ist es die, dass Jesus Christus gekommen ist zur Vergebung der Sünden. Darauf läuft alles hinaus. Das Entscheidende ist, dass mich nicht die Sünde davon abhält, in den Himmel zu kommen, sondern mein Umgang mit ihr. Verstecke ich mich? Mache ich andere für meine Sünden verantwortlich oder behandele sie deswegen schlecht? Habe ich Angst vor Bestrafung? Diese Verhärtung im Anschluss an die Sünde hindert mich unter Umständen daran, ein beziehungsfreudiger Mensch zu sein. Und es ist diese Haltung, die mir vergeben werden muss, denn die Sünden sind mir schon vergeben. Doch um die Vergebung muss ich erst aufrecht bitten. Das geht nicht, wenn ich meine Sünden verstecke, leugne oder auf andere schiebe.

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Video: © Mediaplus X und Bernward Medien

Ein Beitrag der Serie "Katholisch für Anfänger". In dieser Folge geht es um die Auferstehung und ihre Bedeutung im christlichen Glauben.

Frage: Warum sollte ich beichten, auch noch kurz vor meinem Tod?

Van Briel: Aus der Verhärtung und der Beziehungsunfähigkeit, die Sünden verursachen, kann man ausbrechen, indem man beichten geht. In der Beichte muss man zu seinen Sünden stehen, das ist die Voraussetzung dafür, wieder eine Beziehung zu Gott aufzubauen. Die Beichte ist also die Wiederherstellung der Beziehungsfähigkeit. Ich glaube, dass Menschen, die regelmäßig beichten, anderen Menschen gegenüber zunehmend beziehungsfähiger werden. Beichten ist ein Einüben mit dem Sparringspartner Gott, der unendlich gnädig ist. Das bereitet auf Konflikte mit den Mitmenschen vor, die vielleicht nicht so schnell vergeben können. Das ist allerdings ein Langzeitprozess. Deswegen ist es besser, nicht erst kurz vor Lebensende mit dem Beichten anzufangen. Das man jedoch kurz vor dem Tod noch einmal beichten sollte, ist so etwas wie ein Rettungsanker: Der Moment angesichts des Todes ist der der größten Ehrlichkeit, in dem all der Selbstbetrug vom Menschen abfällt. Das Eingeständnis der Schuld in der letzten Beichte nimmt die Tilgung der Schuld vorweg, das ebnet den Weg in den Himmel.

Frage: Wie können wir uns beim Leben nach dem Tod eigentlich sicher sein?

Van Briel: Die Verkündigung der Auferstehung anzunehmen, ist ein Akt des Glaubens. Diese kann man nicht beweisen, aber es ist so schön und herrlich, dass es Gott angemessen wäre. Was das Leben nach dem Tod angeht, haben wir meiner Meinung nach eine natürliche Sicherheit: Das jetzige Leben kann doch nicht alles gewesen sein! All die Liebe, die Hoffnungen, die Enttäuschungen – das kann nicht einfach vergeblich sein, weil plötzlich das Licht ausgeknipst wird. Das ist absurd. Diese Überzeugung teile ich mit sehr vielen Menschen auf der Welt und auch durch alle Zeiten. Wie aber dieses Jenseits aussieht, also das, worüber wir gerade geredet haben, ist natürlich nur ein Modell. Ich glaube jedoch, dass dieses Modell von Himmel und Hölle als seelischem Zustand die heutigen Menschen mehr anspricht als vielleicht die mittelalterlichen Bilder mit Feuer und Teufelskreaturen – auch wenn in diesen Bildern bestimmt ein Körnchen Wahrheit drinsteckt. Nämlich, dass manche Menschen eher bereit sind, Schmerzen und Leid auf sich zu nehmen, als sich von der Sünde zu lösen, von der sie fälschlicherweise glauben, dass es ihre Identität ausmache.

Von Johanna Heckeley