Roland Klugmann über seinen Berufungsprozess

Wachsam bleiben

Veröffentlicht am 06.01.2015 um 23:52 Uhr – Von Saskia Gamradt – Lesedauer: 
Berufungsweg

Aachen ‐ Den Beruf des Priesters zu ergreifen, mag manchem ungewöhnlich erscheinen. Für Kaplan Roland Klugmann war es ein langer Weg. Im Interview erzählt er von seinem persönlichen Findungsprozess.

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Frage: Kaplan Klugmann, Sie sind nun frisch zum Priester geweiht worden – wie erleben Sie Ihren Beruf?

Klugmann: Sehr vielfältig und schön. Denn die Aufgaben reichen von der Seelsorge und Liturgie über Einzel- und Gruppengespräche mit Gemeindemitgliedern bis hin zur Verwaltungsarbeit. Ich freue mich über die Begegnung mit Menschen. Was ich besonders hier in der Pfarre so toll finde, ist, dass ich Menschen aus ganz verschiedenen Lebenskontexten treffe. Sie kommen mit ganz unterschiedlichen Anliegen und Dingen, die sie beschäftigen, zu mir. Dann setzen wir uns zusammen und reden nur oder suchen nach einer Lösung. Teilweise kommt es auch vor, dass ich für jemanden zu Behörden gehe und Formalitäten regele, weil er das nicht selber kann.

Frage: Verliert man dabei nicht schon mal den Überblick und den religiösen Hintergrund aus den Augen?

Klugmann: Für Gott und die Menschen da zu sein, wird mein Leben lang ein Weg sein, den ich jeden Tag neu betrachte, um meinem Glauben und meiner Berufung auf der Spur zu bleiben. So wie Eheleute an ihrer Beziehung arbeiten, um sie intakt zu halten, betrachte ich natürlich immer mein Verhältnis zu Gott und bleibe wachsam, wenn es mal aus dem Gleichgewicht gerät.

Frage: Einige Priester und Bischöfe berichten, dass sie von Gott berufen wurden. War das bei Ihnen auch so?

Klugmann: Ich habe keine Stimme gehört, die mir gesagt hat: "Du wirst jetzt Priester". Die klassische Berufung wie Saulus, der vom Esel fällt und vom Ruf Gottes ereilt wird, habe ich nicht erfahren.

Frage: Wieso sind Sie dann Priester geworden?

Klugmann: Ich habe Mal ein Gespräch in der Priesterausbildung geführt mit der Ordensschwester Isa Vermehren, einer bekannten Kabarettistin. Sie sagte: "Das ist so, als wenn der liebe Gott einen Angelhaken auswirft". Ein solches Zupfen, das immer stärker wird, habe ich auch gespürt. Es ist eine Art "Auf-dem-Weg-sein". Ich merkte, wo mich der Glaube hinführte, der immer größere Bedeutung in meinem Leben bekam. Ja, und irgendwann kommt dann die Frage: "Soll ich Priester werden oder nicht?" Man kann natürlich am Anfang des Weges nicht wissen, ob man ihn auch zu Ende geht. Aber man kann darum beten und darauf hoffen.

Kaplan Roland Klugmann, ein junger Mann mit Bart und Brille
Bild: ©katholisch.de

Kaplan Roland Klugmann

Frage: Dann gab es also einen längeren Findungsprozess. Wie hat sich das damals entwickelt?

Klugmann: Ich konnte nicht von vorneherein sagen: "Ich werde Priester" und alles andere ausblenden. Mit 18 Jahren kam zum ersten Mal der Wunsch bei mir auf, Priester zu werden. Damals hatte ich aber eine Freundin und wollte dadurch zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung nicht treffen. Erst nach Jahren kam der Wunsch aber doch immer wieder hoch. Zunächst wollte ich diese Überlegungen mit mir alleine ausmachen. Erst nach längerer Zeit vertraute ich mich jemandem an. In Gesprächen mit zwei befreundeten Priestern sprach ich zum ersten Mal meine Gedanken aus. So bin ich meiner Entscheidung, mich als Priesterkandidat zu bewerben, näher gekommen.

Frage: Wie hat Ihre Familie auf Ihren Entschluss reagiert?

Klugmann: Als ich die Entscheidung für mich selbst getroffen hatte, hat mein Vater, der evangelisch ist, mich unterstützt. Meine Mutter, die katholisch ist, war zunächst etwas traurig darüber, weil sie sich auf Enkelkinder gefreut hatte. Sie hat mich gefragt, ob ich das auch wirklich will, denn als Priester müsste ich dann ja auf Frau und Kinder verzichten. Aber im Laufe der Zeit habe ich sehr viel Unterstützung von meiner Familie erfahren.

Frage: Ihre Priesterausbildung lief über mehrere Jahre. Als Sie dann vor dem Bischof knieten und er Ihnen die Hand auflegte, was ging in diesem Moment in Ihnen vor?

Klugmann: Das Gefühl in diesem Moment lässt sich schwer beschreiben. Es war ergreifend! Zum einen verspürte ich Dankbarkeit, zum anderen war ich froh, weil eine lange Zeit der Ausbildung zu Ende gegangen ist. Ich glaube, dass muss man persönlich erlebt haben, um zu wissen, wie es ist.

Frage: Die heutige Situation des Priesterberufs gestaltet sich schwierig. Die Zahlen der angehenden Priester sinken von Jahr zu Jahr. Denken Sie, dass der Zölibat der Grund für den Priestermangel ist?

Klugmann: Ich glaube, die Priesterzahlen wären nur unwesentlich höher ohne den Zölibat. Das Problem liegt woanders. Seit längerer Zeit ist es so, dass die Generation der jungen Erwachsenen immer weniger mit dem Glauben und der Kirche zu tun hat, weil schon die Eltern keinen Bezug mehr dazu haben. Dort fehlt der fruchtbare Boden. Ich wünsche mir, dass die Eltern ihre Kinder mehr begleiten und unterstützen, etwa wenn sie zu den Messdienern gehen möchten. Wenn Eltern ihre Kinder nicht in den Aktivitäten innerhalb der Gemeinde fördern, dann sind die Jugendlichen nicht lange dabei.

„Meine Mutter war zunächst etwas traurig, weil sie sich auf Enkelkinder gefreut hatte.“

—  Zitat: Roland Klugmann

Frage: Würden Sie sagen, Ihr Beruf hat Zukunft?

Klugmann: Ich denke, dass das Priesteramt trotz schwindender Zahl der Gläubigen Zukunft hat. Denn es gibt auch immer mehr Menschen aus dem nicht kirchlichen Milieu, die sich an Pfarrer und Seelsorger wenden. Je größer die soziale Not der Menschen wird, desto öfter sind wir gefragt.

Frage: Was glauben Sie, woran das liegt?

Klugmann: Die Probleme werden immer existenzieller. Es kommen zu mir Menschen, die nicht mehr wissen, was sie tun sollen. Einige suchen materielle Hilfe, andere Menschen in unserer Gesellschaft, die völlig vereinsamt sind, suchen Kontakt. Aber im ersten Moment haben sie Angst davor, weil sie oft kirchlich nicht mehr sozialisiert sind.

Frage: In welchen Momenten erkennen Sie, dass Sie sich für den richtigen Beruf entschieden haben?

Klugmann: Eigentlich jeden Tag. Wenn ich Gottesdienst mit der Gemeinde feiere oder Krankenbesuche mache. Einfach immer dann, wenn ich merke, dass ich den Menschen Gott ein Stück näher gebracht habe. Ich bekomme viel Positives von den Gemeindemitgliedern zurück. So lebe ich meinen Glauben gemeinsam mit den Menschen und das macht mich glücklich.

Von Saskia Gamradt