Der ganze Mensch im Blick

Veröffentlicht am 07.01.2015 um 02:48 Uhr – Von Ottmar John – Lesedauer: 
Seelsorge von A-Z

Bonn ‐ Seelsorge und Beratung sind zentrale Handlungsfelder der Kirche. In der Begegnung mit diesen kirchlichen Diensten erfahren die Menschen, wozu die Kirche da ist.

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Die Seele des Menschen ist nicht ein vom Leib getrennter Bereich. Die Seelsorge widmet sich dem ganzen Menschen, weil "Seele" die Mitte einer jeden Person bezeichnet. Es geht um das ganze Leben, um seine materielle wie geistig-spirituelle Dimension, um die vorgängige Einheit von Leib und Seele. Die Seelsorge bezieht sich auf das konkrete Hier und Jetzt eines Menschen, aber auch auf seine Vergangenheit und Zukunft.

Beratung ist davon nicht zu trennen. Sie konkretisiert dieses seelsorgliche Handeln in einer begrenzten, methodisch kontrollierten und planvollen Begleitung und Unterstützung eines Menschen in Fragen des Zusammenlebens, aber auch bei Erziehungsproblemen und in ausweglosen Situationen der Verschuldung.

Sehnsucht nach gelingendem Leben

Vor allem die Zukunftsdimension des menschlichen Lebens spielt für das Verständnis von Seelsorge eine wichtige Rolle. In ihrem seelsorglichen Handeln nehmen Christen die Sehnsucht der Menschen nach einem gelingenden Leben ernst. Sie sind der Überzeugung, dass die Sehnsucht der Menschen über den Tod hinaus letztlich nicht ins Leere geht. Denn Gott hat jedem einzelnen Menschen versprochen, dass das durch Sünde und Tod oft beschädigte Leben wieder "heil" wird. Seelsorge ist die Zusage, dass alle Menschen das Heil, das ewige Glück in der Gemeinschaft mit Gott erfahren können. Aus dieser Hoffnung heraus werden Probleme in den verschiedenen Beratungsbereichen angegangen – und verlieren so vielleicht schon jetzt ihre zerstörerische Wirkung.

Seelsorge gilt dem einzelnen Menschen. Sie realisiert den Glauben, dass Gott jeden einzelnen Menschen gewollt und befähigt hat, aus Freiheit sein Leben zu gestalten und das Gute zu tun. Jedoch ist der Einzelne bei der Verwirklichung seiner Freiheit angewiesen auf andere Menschen, letztlich die Gemeinschaft aller Menschen. Nur im Horizont der universalen Menschheit kann Seelsorge dem Einzelnen im Bemühen, seine Freiheit zu verwirklichen, beistehen.

Denn dieser seelsorgliche Beistand der Kirche hat seinen Ursprung in Zuwendung Gottes zur Welt, die im Leben Jesu geschehen ist. Und Jesus Christus ist für alle Menschen gestorben; seine Auferstehung vom Tod gilt allen Menschen. Durch die Auferstehung vom Tod hat Gott allen Menschen verheißen, dass ihre endlichen Kräfte zur Verwirklichung der Freiheit nicht in Absurdität enden, sondern dass durch seine Gnade unendliches Glück gelingt.

Die Quelle seelsorglichen Beistands

Während Seelsorge die Erzählung der befreienden Geschichte der Menschen mit Gott ausdrücklich zur Sprache bringt, setzt Beratung dort an, wo menschliches Leben sich verdunkelt hat. Wenn Biographien zerbrechen und Lebensträume platzen, fühlen sich Menschen oft von dieser Heilszusage ausgeschlossen oder sie zweifeln daran, dass es überhaupt einen Gott gibt, der die Menschen liebt.

Seelsorge und Beratung sind kommunikative Handlungen. Authentisch sind Seelsorge und Beratung nur dann, wenn in ihnen auch die Hilfsbedürftigen und Ohnmächtigen, die durch ihr Schicksal zu Passivität verurteilt sind und am Boden liegen, als Subjekte anerkannt werden. In Seelsorge und Beratung muss etwas vorscheinen von dem guten Gott, der das Leben jedes Einzelnen will und allen Menschen Rettung verheißen hat. Das heißt auch, dass die Unterscheidung von Helfern und Hilfsbedürftigen, ausgebildeten Berater und Ratsuchenden nur sekundär ist – Seelsorge und Beratung sind eingebunden in ein wechselseitiges Geben und Nehmen schenken und beschenkt werden, in eine Kultur der Solidarität.

Von Ottmar John

Zur Person

Ottmar John ist Referent im Bereich Pastoral des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn.