Söding: Synodalität ist kein leerer Begriff, sondern voller Energie
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In Prag treffen sich diese Woche Vertreter aus 40 Ländern Europas, um über die Zukunft der Kirche zu diskutieren. Thomas Söding ist einer von vier deutschen Teilnehmern des Kontinentaltreffens der Weltsynode. Er hat keine Angst davor, dass die deutsche Delegation ins Abseits gerät, und plädiert dafür, Konflikte offen auszutragen.
Frage: Sie nehmen als Teil der vierköpfigen deutschen Delegation an der Kontinentalversammlung zur Weltsynode in Prag teil. Wie blicken Sie auf diese Versammlung
Söding: Ich empfinde das als einen bemerkenswerten Vorgang, dass bei einem Thema, das auf den ersten Blick völlig abstrakt erscheint, – was ist eine synodale Kirche? – eine Konsultation, ein Fragen, ein Antworten, ein Reflektieren, ein Meditieren organisiert wird, wie es das in der Intensität vorher noch nicht gegeben hat. Es ist zwar nicht das erste Mal, dass man auf die Idee gekommen ist, vor einer Synode Fragen zu stellen und Antworten zu sammeln. Aber der Prozess jetzt hat doch eine andere Dimension. Die katholische Kirche stellt sich tatsächlich als weltweite Organisation dar, die sprach- und handlungsfähig ist. Das können ganz viele andere Organisationen nicht von sich sagen.
Ich bin persönlich der Auffassung: Das Hören auf Volkes Stimme gehört zum Kirche-Sein. Deshalb ist es gut, dass es so etwas wie eine flächendeckende Meinungsumfrage – oder sogar mehr – gegeben hat. Jetzt kommt es darauf an, was daraus gemacht wird.
Frage: Der Vatikan hat das Ganze ja das "größte Mitbestimmungsprojekt der Menschheitsgeschichte" genannt. Trifft es das?
Söding: Ich würde noch nicht einmal widersprechen. Allerdings sage ich auch: Dann muss auch wirklich Mitbestimmung organisiert werden. Da kommen wir an einen der wunden Punkte, ob es bei "Wir wollen aufmerksam hören" und "Schön, dass wir mal drüber gesprochen haben" bleibt oder ob wir uns so vereinbaren können, dass aus der Identifizierung von brennenden Themen ein Erneuerungsschub für die katholische Kirche entsteht.
Söding verteidigt Synodalen Weg gegen Kritik aus dem Vatikan
"Es ist eben kein Top-down-Prozess, wie die katholische Kirche ihn meistens organisiert, sondern setzt breiter an, ist in der Kirchenkritik schärfer und in der Kirchenreform ambitionierter", verteidigt Theologe Thomas Söding den Synodalen Weg.
Frage: Die Kontinentalversammlung ist so organisiert, dass Sie als Laienvertreter nur die ersten Tage da sind. Zum Schluss bleiben nur die Bischöfe und entscheiden, was nach Rom gegeben wird. Verfällt man da nicht wieder in die üblichen katholischen Machtstrukturen?
Söding: Meines Erachtens ist Synodalität Work in Progress. Die katholische Kirche hat sich vorgenommen, Synodalität zu lernen. Sie kennt auch schon einzelne Beispiele, bei denen das mehr oder weniger gut funktioniert hat. Was wir gegenwärtig haben, ist eine wichtige Weichenstellung, kann aber nicht das Ende vom Lied sein.
Auf der theologischen Ebene beobachten wir einen sehr spannenden Prozess. Die römisch-katholische Kirche hat seit langer Zeit ein sehr starkes Bischofsamt. Dieses Bischofsamt ist auch heute stark und durch das Zweite Vatikanische Konzil noch einmal deutlich gestärkt worden, weil die Intention des Konzils nicht zuletzt war, den Papst aus seiner Einsamkeit zu befreien, in die ihn, zugespitzt, das Erste Vatikanische Konzil verbannt hat. Die Kollegialität der Bischöfe wurde betont. Das bleibt wichtig und unhintergehbar.
Was aber nicht auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu Ende gedacht worden ist: Wo bleibt eigentlich das Volk Gottes? Hört das nur, und die Bischöfe lehren? Das ist eigentlich nie – ich rede als Neutestamentler – die Grundidee von Kirche gewesen. Von daher ist das meine Frage auf der theologischen Ebene: Gelingt es uns, die bischöfliche Ordnung, die meines Erachtens zur DNA des Katholischen gehört, mit einer synodalen Ordnung zu verbinden, in der wir neue Formen finden, die Stimme des Gottesvolkes zu Wort kommen zu lassen? Und zwar nicht, um die Bischöfe zum Schweigen zu bringen, sondern um eine neue Form der Gemeinsamkeit aufzubauen.
Da gibt es noch nicht das finale Modell, aber dass die Aufgabe erkannt ist, finde ich doch schon bemerkenswert.
Frage: Das führt aber auch zu ordentlich Reibungspunkten im Moment. Nicht nur aus konservativen Kreisen der Weltkirche, sondern im Vatikan selbst wird dieser Ansatz teils heftig kritisiert.
Söding: Ja klar, weil die Vorstellungen unterschiedlich sind. Das finde ich aber überhaupt nicht schlimm. Auch dass aus der römischen Kurie jetzt Voten kommen, wie man es machen muss. Das hat es alles vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil auch gegeben. Da wird sich dann herausstellen, ob das tatsächlich die zukunftsweisende Linie ist oder nicht. Ich setze auf die Qualität dieser Versammlungen und natürlich auch auf den Heiligen Geist.
Frage: Die Kritik richtet sich meistens exemplarisch an Deutschland und den Synodalen Weg, dessen Vizepräsident Sie auch sind. Haben Sie so ein bisschen Angst vor den Reaktionen in Prag aus den anderen Ländern? Alle gegen Deutschland?
Söding: Was Sie ansprechen, sind Interventionen derjenigen, die die Macht in der katholischen Kirche haben und überzeugt sind, sie behalten zu müssen. Es gibt aber nicht nur diese lauten Stimmen, es gibt unglaublich viele, ich nenne sie jetzt mal ganz bewusst: leise Stimmen. Wir hören sehr viel Zustimmung aus der ganzen Welt. Da heißt es dann: Bitte, versucht mit Euren Möglichkeiten, mit den Erfahrungen, die Ihr auf dem Synodalen Weg in Deutschland sammelt, diesen weltkirchlichen Prozess so voranzutreiben, dass wir wirklich in ein qualifiziertes Gemeinsam in der katholischen Kirche kommen. Natürlich gibt es auch viel Kritik, insbesondere wenn man bestimmte Inhalte formuliert, etwa zu geschlechtlicher Vielfalt oder zu den Frauenrechten. Ich denke allerdings: Im Moment ist in der katholischen Kirche so viel Druck unter dem Kessel, dass wir Formen brauchen, in denen deutlich wird: Es explodiert, wenn die Probleme nicht bearbeitet werden. Ich sehe aber auch viel Kraft, die gestaltet werden muss und kann.
Frage: Das bleibt aber trotzdem ein Konflikt, der sich nicht schönreden oder wegdiskutieren lässt. Der Konflikt existiert ja.
Söding: Ich glaube, dass unterschiedliche Konzepte von katholischer Kirche im Raum stehen. Die kann man identifizieren. Für die gibt es Gründe. Diese Gründe kann man abwägen. Persönlich bin ich der Auffassung, die bischöfliche Struktur der katholischen Kirche muss sich weiterentwickeln, wenn die Impulse, die ich in erster Linie aus der Betrachtung der Heiligen Schrift ableiten würde, sich als fruchtbar erweisen. Und ich bin überzeugt, dass das Bischofsamt am Ende nicht verliert, sondern gewinnt, wenn zum Beispiel die Verpflichtung des Bischofs der Ortskirche gegenüber qualifiziert wird. Das ist ja ein Teil der synodalen Reformagenda. Nun sagen andere, dass durch synodale Strukturen die Bischöfe zu sehr unter Druck gesetzt werden und sie ihre Leitungsfunktion nicht mehr wahrnehmen können. Darauf antworte ich: Es gibt ja aber offensichtlich relativ viele Bischöfe, die sehr daran interessiert sind, dass sie nicht alleine entscheiden. Ich bin positioniert, Sie erkennen es unschwer, aber ich gehöre auch zu denen, die sagen, dass es bei den Debatten nicht um Gut und Böse geht. Sondern um die Frage, wie die Tradition sich weiterentwickeln muss. Den Streit sollte man austragen. Den Missbrauch muss man bekämpfen.
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Frage: Sollten wir als Kirche in Deutschland nicht mehr auf solche Kritik eingehen und sie nicht einfach schön reden? Den Eindruck kann man ja hin und wieder durchaus bekommen.
Söding: Was wohl tatsächlich ein bisschen irritiert, ist vielleicht wirklich eine gewisse deutsche Eigenart: Es werden nicht nur Probleme benannt, sondern auch gleich Lösungswege vorgezeichnet. Da verstehe ich, dass das manchen zu schnell geht oder dass sie fragen, ob die Lösungen kurzschlüssig sind. Dann muss man eben die Argumente austauschen.
Mir ist im Blick auf den Synodalen Weg in Deutschland wichtig, dass das allermeiste, was dort verhandelt wird, insbesondere dort, wo es um Macht und Gewaltenteilung geht, das Eigenrecht der katholischen Kirche in Deutschland betrifft. Die deutsche Situation ist sehr spezifisch. Nicht alles hat gleich weltkirchliche Bedeutung. Wenn man aber in der Kritik an dem, was vor Ort geändert werden soll, nicht auf diese Situation konkret eingeht, sondern im Großen und Allgemein bleibt, dann frage ich mich, ob das alles gewesen sein soll. Aber ich bin optimistisch: Die katholische Kirche wird einen Weg finden, bischöflich und synodal zu sein. Synodalität ist kein leerer Begriff, sondern voller Energie.