Betroffenenvertreter fordert Anpassung der Anerkennungsleistungen

Norpoth: Bischöfe sollten Missbrauchs-Klagewelle verhindern

Veröffentlicht am 02.08.2023 um 14:54 Uhr – Lesedauer: 

Münster ‐ Nachdem das Urteil im Kölner Schmerzensgeld-Prozess rechtskräftig geworden ist, sieht Betroffenensprecher Johannes Norpoth nun die Bischöfe in der Pflicht: Sie allein könnten das Anerkennungsverfahren ändern.

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Der Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Johannes Norpoth, hat die Bischöfe erneut aufgefordert, das bisherige System der Anerkennungsleistungen zeitnah zu überarbeiten. "Die Bischöfe haben das Heft des Handelns in der Hand, und das Kölner Landgericht hat ihnen deutlich ins Gebetbuch geschrieben: Das, was ihr bisher macht, reicht um ein Vielfaches nicht aus", betonte Norpoth in einem Interview mit dem Internetportal "Kirche+Leben" (Mittwoch). Der Betroffenensprecher reagierte darin auf ein Urteil des Kölner Landgerichts vom 13. Juni. Demnach muss das Erzbistum Köln einem Missbrauchsbetroffenen 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Geklagt hatte der ehemalige Messdiener Georg Menne, der einem inzwischen gestorbenen Priester vorwirft, ihn in den 1970er-Jahren mehrere hundert Male missbraucht zu haben. Das Urteil war am Dienstag rechtskräftig geworden.

Allein die Bischöfe könnten die Verfahrensordnung der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) so ändern, "dass Intransparenzen und das völlig unzulängliche Leistungsgeschehen ein Ende haben", sagte Norpoth. "Sie müssen es einfach nur tun – aber das sehr schnell!" Es sei zu hoffen, dass die Bischöfe es nicht auf eine Klagewelle ankommen ließen, da ein solches Verfahren eine erhebliche Belastung für den jeweiligen Kläger bedeute. "Die Bischöfe täten also gut daran, nun ihrer Verantwortung nachzukommen und gemeinsam mit Betroffenen das UKA-Verfahren so weiterzuentwickeln und anzupassen, dass es keine Klagewelle braucht."

"Und das nicht erst in ein paar Monaten, sondern sofort"

Norpoth betonte, dass nicht nur bei zukünftigen Entscheidungen die Auszahlungsbeiträge "zwingend deutlich steigen" müssten. Dies gelte auch für alle bisher von der UKA beschiedenen Fälle. "Es wäre ein wichtiges und richtiges Zeichen, wenn die Bischöfe nun die Betroffenen aus ihren Bistümern umgehend darüber informieren und sie auf die Möglichkeit einer Neubewertung im UKA-Verfahren (nach § 12 der Verfahrensordnung) aufmerksam machen", so Norpoth. "Und das nicht erst in ein paar Monaten, sondern sofort." Die Ziffer 12 der Verfahrensordnung sieht vor, dass Betroffene ohne Angabe von Gründen schriftlich Widerspruch gegen die Entscheidung der UKA einlegen oder ihren Antrag erneut zur Prüfung vorlegen können, wenn sie neue Informationen vorbringen. Diese Widerspruchsmöglichkeit war am 1. März 2023 in Kraft getreten.

Zuvor hatte der Betroffenenbeirat bei der DBK Georg Menne bereits seinen Dank und seine Anerkennung ausgedrückt. "Dank und Anerkennung für den Mut, den er aufgebracht hat, um gegen das Erzbistum Köln Klage zu erheben. Dank und Anerkennung für das persönliche Engagement, das es braucht, um ein solches Verfahren erfolgreich zu betreiben. Dank und Anerkennung aber vor allem für die Kraft, die es braucht, als Opfer sexualisierter Gewalt den staatlichen Rechtsweg, die dort stets sehr präsente Retraumatisierungsgefahr sowie die extremen psychischen Belastungen durchzustehen", heißt es in einer Pressemitteilung vom Dienstag. Auch Menne habe Phasen der Retraumatisierung und tiefer Verletzung im Laufe des Prozesses durchleben müssen. "Georg Menne hat allen Betroffenen und Opfern von sexualisierter Gewalt einen wohl kaum zu bemessenden Dienst erwiesen."

Mit dem rechtskräftigen Urteil liege nun erstmals ein aktuelles Vergleichsurteil vor "und damit der Maßstab, an dem sich die UKA zu orientieren hat", betonte der Betroffenenbeirat. Bereits nach der Urteilsverkündung im Juni hatte die UKA sich offen für eine Prüfung der Höhe der Anerkennungszahlungen gezeigt. "Die UKA geht davon aus, dass die rechtskräftige Entscheidung über den Streit, über den das Landgericht jetzt in seinem Urteil befunden hat, Einfluss auf den finanziellen Zahlungsrahmen für Anerkennungsleistungen hat", hieß es in einer Pressemitteilung. Die Kommission verwies damals bereits darauf, dass das Urteil als neue Information Betroffene dazu berechtige, nach Abschluss ihres Verfahrens ihren Antrag gemäß Ziffer 12 der Verfahrensordnung erneut zur Prüfung vorzulegen. (cbr)