Speyerer Bibelbeauftragte bringt Buch der Bücher nah zu den Menschen

Weinberg statt Pfarrsaal: Über Bibelarbeit an ungewöhnlichen Orten

Veröffentlicht am 31.05.2025 um 12:10 Uhr – Von Gabriele Höfling – Lesedauer: 

Bonn ‐ Raus aus Kirchen und Pfarrzentren, hin zu den Menschen: Walburga Wintergerst vom Bistum Speyer hat sich besondere Orte für die Bibelarbeit ausgedacht. Im katholisch.de-Interview erklärt sie, warum das Buch der Bücher im Weinberg oder am Wasser besonders inspirierend wirkt.

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Bibel am Wasser im Weinberg oder auf der Burg, Bibel und Käse: Mit ihrer Bibelarbeit bringt Walburga Wintergerst vom Bistum Speyer das Buch der Bücher an ungewöhnliche Orte und in ungewöhnliche Zusammenhänge. Die Hoffnung: Die Bibel noch einmal neu und anders erschließen. Im Interview mit katholisch.de spricht sie über ihre Erfahrungen.

Frage: Frau Wintergerst, Sie betreiben Bibelexegese an ungewöhnlichen Orten: wie muss man sich das vorstellen?  

Antwort: Die Bibelarbeit muss raus aus den Kirchen und Pfarrzentren hinein in die Welt und zu den Menschen. Ich will die Bibel an Orte bringen, die selbst etwas über den jeweiligen Text erzählen können. Ein Beispiel: Viele Bibelstellen handeln von Wein – Jesus reicht Wein beim letzten Abendmahl, der Weinberg steht im Alten Testament für das Volk Israel. Bei unserer Bibelarbeit "Bibel im Weinberg" haben wir an einem Aussichtsturm Rast gemacht – passend zu einer Bibelstelle, die von einem Turm im Weinberg erzählt (Jes 5,2).  Wenn Sie darüber vor Ort sprechen, haben Sie direkt einen lebendigeren Zugang zu dem Text und eine viel größere Chance, sein Potential zu heben. Ähnlich funktioniert das auch an anderen Orten: Bei "Bibel am Wasser" denken wir an die Psalmen, die von Quellen sprechen, oder an Bilder vom Tempel, der überfließt mit heilendem Wasser (Ez 47,1-12). Und bei Bibelarbeit im Garten liegt der Gedanke an den Garten Eden nahe. All solche Orte in der Natur haben eine schöne, inspirierende Atmosphäre für Bibelarbeit.

Walburga Wintergerst im Pfälzer Weinanbaugebiet
Bild: ©privat/Walburga Wintergerst

Walburga Wintergerst, Bibelbeauftragte des Bistums Speyer, unterwegs im Pfälzer Weinanbaugebiet.

Frage: Sie haben gerade von Bibelarbeit gesprochen statt von Exegese. Warum ist dieser Unterschied wichtig?

Antwort: Mein Anliegen ist es, den Menschen Lust auf die Bibel zu machen. Sie sollte nicht als etwas Schweres, Kompliziertes daherkommen, das man nur mit Hilfe von Fachleuten wie Pfarrern oder Theologinnen und Theologen verstehen kann. Das Gegenteil ist der Fall. Jede und jeder darf sich zutrauen, selbst in der Bibel zu lesen. Wir bauen schon eine Barriere auf, wenn wir die Bibel ständig nur von der Kanzel oder im Pfarrsaal verkünden – und sie nur einer auslegt, während die anderen still zuhören. Wenn sich alle einbringen, dann entsteht ein lebendiger Austausch. Plötzlich wird klar, wieviel die Texte mit dem eigenen Leben zu tun haben. Sich der Bibel statt vom Bücherregal aus in der Natur, im Gehen, im Erleben nähern, aktiviert alle Sinne. Das verstehe ich als Bibelarbeit.

Frage: An wen richtet sich die Bibelarbeit an ungewöhnlichen Orten?

Antwort: Sie ist offen für alle. Es sind einmal ehrenamtliche Mitarbeitende der Kirche, die die Ideen dann als Multiplikatoren in ihre Gemeinden weitertragen. Zum Beispiel, wenn sie dort selbst Bibelarbeit machen. Unter den Teilnehmenden sind aber auch solche, die einfach etwas für sich mitnehmen wollen. Ich frage nicht nach, welche Religion oder welchen Beruf die Menschen haben. Wie gesagt: Ich bin überzeugt, dass die Bibel viel leichter zugänglich ist, als wir oft denken. Jesus hat schließlich auch nicht erst einen Vortrag gehalten. Er war mit den Menschen unterwegs, hat mit ihnen gegessen, gefeiert, geredet – vor allem mit denen am Rand. Er war lebensnah und das braucht es auch in der Bibelarbeit.

Frage: Wie sind Sie auf die Idee für das Format gekommen?

Antwort: Im Rahmen einer Fortbildung im Bereich Bibelpastoral sollte jeder auch ein praktisches Projekt konzipieren. Beim Brainstormen hatte ich dann diese Idee, Bibel an ungewöhnliche Orte oder in ungewöhnliche Zusammenhänge zu bringen. Das Gute daran ist, dass sich die eine Idee so vielseitig durchbuchstabieren lässt. Wir hatten 2024 eine bistumsweite Bibelwoche unter dem Motto "Die Bibel muss an die frische Luft". Da gab es Bibelarbeit an der Quelle, Bibel zum Sonnenaufgang, Bibel für die Ohren, oder auch Bibel am Schwenker, also am Grill. Der einzige Ort, der nicht an der frischen Luft war, war der Dom. Dort haben wir an verschiedenen Stellen das ganze Markus-Evangelium gelesen, das war richtig toll. In dieser Woche gab es für mich viele Gänsehaut-Momente. Insgesamt haben rund 1.000 Menschen mitgemacht.

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Frage: Sie verbinden die ungewöhnlichen Bibel-Orte mit Bewegung und kurzen Wanderungen – was ist dann noch der Unterschied zum Pilgern?

Antwort: Pilgern ist in der Regel mit einem längeren Weg verbunden. Oft gehen Pilgerinnen und Pilger mit einem konkreten Anliegen los. Bei uns ist außerdem mehr Bibel drin als beim Pilgern. Aber es gibt da durchaus Schnittmengen – gerade in den Prozessen, die in den Menschen losgetreten werden und sie hoffentlich näher zu sich und zu Gott bringen.

Frage: Gibt es die Idee der Bibelarbeit an ungewöhnlichen Orten auch in anderen Bistümern?

Antwort: Es ist mir zumindest nichts dergleichen bekannt. Es gibt schon die Verbindung zwischen Bibel und Wandern, aber eben nicht in Verbindung mit besonderen Orten. Die Bibelbeauftragten in den Bistümern treffen sich aber regelmäßig zu einer Bundeskonferenz und dort habe ich das Projekt auch vorgestellt.

Frage: Haben Sie noch mehr Ideen für Bibelarbeit an ungewöhnlichen Orten oder in ungewöhnlichen Zusammenhängen?

Antwort: Im Juli steht eine Bibelarbeit zu "Bibel und Käse" an, im September dann "Bibel am Wasser". Wir hatten schon "Bibel auf der Burg". Es gibt in der Bibel viele symbolische Momente, wo Gott unsere Burg, unser Retter ist. Das kann man auf so einer Pfälzer Burg ganz gut nachempfinden. Was ich mir auch noch gut vorstellen könnte, ist "Bibel und Feuer", "Bibel am See" oder "Bibel auf dem Berg". An all solchen Orten, in all solchen Zusammenhängen können Potentiale der Bibel herausbrechen, die im Gemeindesaal möglicherweise verborgen bleiben.

Zur Person: Die Gemeindereferentin Walburga Wintergerst ist Bibelbeauftragte des Bistums Speyer und dortige Diözesanbeauftragte des katholischen Bibelwerks.  

Von Gabriele Höfling