Zwei Zäsuren: Die Erkenntnisse aus der Trierer Missbrauchsstudie
"Zwei Amtszeiten, zwei Zäsuren", überschreibt die Forschungsgruppe die Einleitung ihres Berichts über sexueller Missbrauch im Bistum Trier in den Amtszeiten der Diözesanbischöfe Reinhard Marx (2002 bis 2008) und Stephan Ackermann (seit 2009). Die Zäsuren entstanden durch die wachsende Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sowie später auch der Kirche selbst, und sie prägten jeweils deutlich, wie ernst Missbrauch durch kirchliche Verantwortliche genommen wurde.
Die erste Zäsur liegt zu Beginn von Marx' Trierer Amtszeit. 2002 verabschiedete die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche. Die waren eine Reaktion auf die zuvor in den USA offenbar gewordenen Missbräuche – auch wenn der damals amtierende DBK-Vorsitzende, Kardinal Karl Lehmann, dem "Spiegel" trotzig entgegenhielt, dass er sich den Schuh der Amerikaner nicht anziehen müsse. Wie gut ihm der Schuh passte, zeigte das 2023 erschienene Mainzer Gutachten.
Als Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz war Stephan Ackermann lange die prominente Stimme der Kirche in Deutschland zu allen Fragen des Missbrauchs.
Die zweite Zäsur gab es 2010, als Betroffene von Missbrauch an der Berliner Jesuitenschule Canisiuskolleg mit Hilfe des damaligen Schulleiters, Pater Klaus Mertes, eine Welle der Empörung und Aufmerksamkeit für Missbrauch in Deutschland auslösten. Spätestens dann konnte niemand leugnen, welches Ausmaß sexualisierte Gewalt in der Kirche hat. Die DBK reagierte mit ihrer MHG-Missbrauchsstudie, die 2018 erschien. Ein erstes Studienprojekt scheiterte an Zerwürfnissen zwischen Bischofskonferenz und Forschungsteam.
Leitungsverantwortung an fünf Pflichtenkreisen messen
Auf die MHG-Studie folgte seither eine Vielzahl von Studien, die eine oder mehrere Diözesen, einzelne Fall- und Täterkomplexe in Einrichtungen, Chören, Schulen und Hilfswerken aufarbeiteten. Trotz der großen Bandbreite an Umfang und Methoden ziehen sich die beiden im nun in Trier erschienenen Bericht festgestellten Zäsuren durch die Bank durch: Bis etwa zur Jahrtausendwende wurden Täter und Beschuldigte gedeckt, verschont und innerhalb Deutschlands wie in der Weltkirche versetzt, um zu vertuschen. Ein größeres Problembewusstsein wuchs mit der ersten Zäsur, umfassend wurden stringente Konzepte nach 2010 implementiert.
In dieser Hinsicht ist der Trierer Bericht daher keine Überraschung. Methodisch orientiert sich die Bewertung der beiden Amtszeiten (Ackermanns laufendes Episkopat wird nur bis 2021 in den Blick genommen) an den im Kölner Gercke-Gutachten entwickelten fünf Pflichtenkreisen, an denen sich das Handeln der Kirche messen lässt: die Pflicht zur Aufklärung, zu Anzeige und Information staatlicher und kirchlicher Behörden, zur Sanktionierung, zur Prävention sowie zur Betroffenenfürsorge. An diesen Pflichten misst das Trierer Gutachten die Bistumsleitungen unter Marx und Ackermann.
Das Kölner Missbrauchsgutachten hat methodisch wichtige Grundlagen geschaffen, um die Verantwortung für den Umgang mit Missbrauch zu systematisieren.
Tatsächlich lässt sich die Zäsur um die Jahrtausendwende direkt ablesen. Die in den vergangenen Jahren veröffentlichten Berichte zu den Amtszeiten der Trierer Bischöfen Bernhard Stein (1967 bis 1980) und Hermann Josef Spital (1981 bis 2001) stellten große Defizite im Umgang mit Missbrauch fest: fehlende Empathie mit Betroffenen, nachgiebiges Handeln gegenüber Beschuldigten, keine Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden. Mit den Leitlinien von 2002 wird es besser – wenn auch lange noch nicht perfekt.
Erste Entwicklungen hin zum Positiven in der Amtszeit Marx
Der Aufklärungspflicht sei in der Amtszeit von Marx "im wesentlichen bistumsintern nachgekommen" worden. Acht von zwölf Fällen, die in dieser Zeit der Diözese neu bekannt wurden, sei nachgegangen worden. Defizite gab es vor allem bei Intensiv- und Mehrfachtätern, stellt die Studie fest. "Offensichtlich passten deren Gefährdungsprofil und kriminelle Energie nicht in das Bild, das sich die Verantwortlichen von beschuldigten Klerikern machte", liest man dazu. Anzeige- und Informationspflichten seien noch vernachlässigt worden. Nur ein Altfall sei an die Staatsanwaltschaft Koblenz weitergegeben worden. Immerhin wurden Zuständige und Gremien vor Ort in den Pfarreien über manche Fälle informiert.
Bemerkenswert ist, dass die fehlende Information nicht nur ein Problem auf Seiten der Kirche wahr: Deutlich bemängelt der Bericht, dass Strafverfolgungsbehörden das Bistum "nur unzureichend bzw. nachlässig" über Ergebnisse von Untersuchungen informiert hatte: "Eine routinierte Form der Kommunikation zwischen den örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften und dem Bistum hinsichtlich der Meldung von bekanntgewordenen Fällen sexualisierter Gewalt entwickelte sich erst nach 2010."
Bevor er zum Erzbischof von München und Freising ernannt wurde, war der heutige Kardinal Reinhard Marx Bischof von Trier.
Mit diesen Kommunikationsproblemen begründet die Studie, dass Meldungen in vier von zwölf Fällen keine Konsequenzen für die Beschuldigten hatten. Immerhin habe in der Amtszeit von Marx das Verschieben von Beschuldigten aufgehört, in einem, so die Autoren, "deutlichen Bruch" mit dem Vorgehen seines Vorgängers Spital. Dennoch blieben viele Beschuldigte und Täter weiterhin seelsorglich aktiv, indem sie in die kategoriale Seelsorge, vor allem in die Krankenhausseelsorge, versetzt wurden. Dazu kamen Therapien als "Sanktion" für die Priester (die Anführungszeichen setzten auch die Studienautoren).
Auch das Fazit zur Prävention fällt durchmischt aus: Fünf von elf Beschuldigten scheinen nach Sanktionen keine neuen Taten mehr begangen zu haben, drei weitere seien trotz ausbleibender Sanktion nicht noch einmal in Verdacht geraten. "Drei Täter begingen weiter Missbrauch", schließen die Autoren.
Vor allem bei der Übernahme von Verantwortung für die Betroffenen stellt der Bericht der Ära Marx ein schlechtes Zeugnis aus: "Hier lässt sich jedoch lediglich das Versagen der Bistumsleitung konstatieren, denn dieser Pflichtenkreis wurde nicht annähernd erfüllt."Auch ein selbstkritischer Blick auf Strukturen habe gefehlt. Das sei erst viel später erkannt worden.
Strukturelle Ursachen in der Amtszeit Ackermanns im Blick
Die folgende Amtszeit war dagegen gerade vom Blickwechsel auf strukturelle Ursachen und systematische Lösungen geprägt. Ackermann kam 2009 ins Amt – zuvor war er Weihbischof in Trier – und wurde bereits 2010 Missbrauchsbeauftragter der Bischofskonferenz. Damit war er in einer Doppelrolle: Für die deutschen Bischöfe koordinierte er den Rahmen von Aufarbeitung und Prävention, als Ortsbischof musste er selbst diesen Rahmen umsetzen. 2010 entstanden so neue Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch, die die Zuständigkeit des Diözesanbischofs stärker betonten und eine stringente Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden verlangten.
Tatsächlich konnten die Studienautoren feststellen, dass Ackermann mit jedem einzelnen der 16 Fälle befasst war, die in seiner Amtszeit neu bekannt wurden, zumindest indem er informiert wurde. Die Studienautoren stellen fest, dass die Diözese in 15 der 16 Fälle ihrer Aufklärungspflicht nachgekommen sei, in einem Fall wurde eine Meldung nach einer ersten Prüfung nicht weiterverfolgt. 13 Fälle wurden an die Staatsanwaltschaft oder den Vatikan gemeldet. Bei einem beschuldigten Laien wurde der Vatikan nicht informiert, weil die Meldepflicht nur bei Klerikern besteht, in einem Fall eines Priesters wurde nur der Bischof von Innsbruck informiert, wo der Beschuldigte lebte.
Vor seiner Ernennung zum Bischof von Limburg war Georg Bätzing Generalvikar von Trier.
In zehn Fällen habe das Bistum Sanktionen verhängt, in einem Fall war Trier nicht mehr zuständig für einen Ordenspriester. Die beiden Fälle des Laien und des in Österreich lebenden Priesters wurden nicht sanktioniert. Dieser letzte Fall wird im Bericht deutlich problematisiert: Der damalige Trierer Generalvikar (2012 bis 2016) und heutige Limburger Bischof Georg Bätzing (seit 2016) hat ausweislich einer von ihm angefertigten Gesprächsnotiz mit dem Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer unter Verweis "auf die zunehmend desolate Situation des alternden Emeritus hin" um eine fürsorgliche Behandlung gebeten. Scheuer zeigte sich im Gegenzug nicht darüber überrascht, dass über den ehemaligen Hochschullehrer "solche 'Geschichten'" im Umlauf seien. In diesem speziellen Fall sehen die Studienautoren einen Rückfall in Verhaltensmuster der Zeit vor 2000.
Ansonsten habe es eine große Bandbreite an Sanktionen gegeben. Ackermann habe dabei den ausdrücklichen Wunsch geäußert, "die konsequente Umsetzung der Richtlinien mit der Fürsorgepflicht für die Beschuldigten zu verbinden". Im Ergebnis stellen die Studienautoren fest, dass sich bei drei Fällen der Eindruck ergeben, die Bistumsleitung habe nachlässig oder allzu großzügig gehandelt.
Im Bereich der Prävention sei ab 2010 viel passiert, wobei nicht alle Maßnahmen als wirksam erachtet werden. Vor allem die Auflage an alle Priester, polizeiliche Führungszeugnisse vorzulegen, wird sowohl von den damaligen Protagonisten wie von den Studienautoren nicht als wirksam erachtet. "Eher [werde] es so sein, dass auch solche Priester, die durch die Meldung von Opfern in den vergangenen Monaten als Täter bekannt geworden sind, ein Zeugnis ohne Eintrag vorlegen können, das sie als unbescholten ausweist", zitiert der Bericht aus einem Brief Bätzings aus seiner Zeit als Regens an den damaligen Generalvikar Georg Holkenbrink aus dem März 2011. Dennoch ziehen die Autoren ein positives Fazit zur Prävention weiterer Taten durch bekannte Beschuldigte: Lediglich in einem Fall habe eine Sanktionierung keine Wirkung gezeigt.
Problematisch bleibt weiterhin die Fürsorge gegenüber Betroffenen, heißt es im Bericht: Hier sei eine abschließende Bilanz besonders schwierig. Die Entwicklung des Systems der Anerkennungsleistungen wie die persönlichen Bemühungen von Bischof Ackermann, jedem Betroffenen persönlich zu schreiben, werden gewürdigt. Auf Seite der Betroffenen seien diese Bemühungen aber sehr unterschiedlich bewertet worden: "Einigen erschienen und erscheinen diese Gesten des Bischofs als unzureichend und unauthentisch, andere bedankten sich ausdrücklich für diese Zuwendung und fanden sie angemessen."
Keine großen Überraschungen, aber Bestätigung der Trends
Die Auswertungen der Amtszeiten von Marx und Ackermann enthalten damit keine großen Überraschungen: Trier steht zwar nicht zuletzt durch die langjährige Zuständigkeit Ackermanns als Missbrauchsbeauftragter besonders im Fokus der Öffentlichkeit. Die Diözese hebt sich aber nicht wesentlich von anderen ab, deren jüngste Vergangenheit aus anderen Studien und Berichten bekannt ist.
Der Ansatz der Forschungsarbeit führt auch nicht dazu, dass wesentliche neue Aspekte zum Verständnis des Missbrauchs in der katholischen Kirche ans Licht gebracht werden. Produktive Erkenntnisse wie in Münster und Essen zur Verantwortung der Gemeinden als ermöglichendes Umfeld bleiben zum jetzigen Zeitpunkt ebenso aus wie prägende methodische Systematisierungen, wie die das Team um Björn Gercke in der Kölner Studie entwickelt hat. Noch handelt es sich aber um einen Zwischenbericht; ein Abschlussbericht des Forschungsteams der Uni Trier ist angekündigt und dürfte weitere Systematisierungen und Erkenntnisse bringen.
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Die Zahlen und die Schlussfolgerungen
Im aktuellen Bericht stechen vor allem zwei Aspekte hervor: eine vergleichende Auswertung absoluter Zahlen, an der sich die Wirksamkeit der Bemühungen um Prävention und Intervention bewerten lässt, und ein Blick auf die Hilflosigkeit und Dilemmata, vor der sich die Kirchenleitung bei der Sanktionierung von und Aufsicht über beschuldigte und verurteilte Kleriker sieht.
Schon die Entwicklung über die Zäsuren von 2002 und 2010 bis heute zeigt eine gewachsene Aufmerksamkeit für sexualisierte Gewalt. Wesentlich dabei: "Anders als noch in den 1980er Jahren wurde nun den Berichten der Betroffenen Glauben geschenkt." Seit 2000 ist die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen rückläufig. Der Anstieg der bekannten Fallzahlen vor allem nach 2010 betraf vor allem zurückliegende Fälle. Zwischen 1946 und 2021 seien 734 betroffene Minderjährige im Bistum Trier bekannt. Bei 49 von ihnen fallen die Taten in die Amtszeiten von Marx und Ackermann: In 28 Prozent des Betrachtungszeitraums fallen sieben Prozent der Fälle. Im Schnitt gab es pro Jahr Amtszeit 13,5 Fälle bei Stein, 9 bei Spital, 6 bei Marx und 2 bei Ackermann.
Halbiertes Risiko seit den 1970er Jahren
Angesichts einer sinkenden Kirchenbindung bilden diese Rechnungen mit absoluten Zahlen das bekannte Tatgeschehen nicht umfassend ab. Die Autoren der Studie setzen die Zahlen daher in Relation zu den von der Kirche erreichten Kindern und Jugendlichen, konkret die Zahl der Kinder, die zur Erstkommunion gehen. Diese Zahl ist seit den 1970er Jahren deutlich, nämlich um die Hälfte, zurückgegangen, die Zahl der betroffenen Minderjährigen auf ein Viertel gesunken: "Das Risiko, Opfer sexueller Übergriffe von Priestern zu werden, hat sich seit den 1970er Jahren damit rein statistisch halbiert", stellen die Autoren fest.
Ähnliche Ergebnisse zeigen sich, setzt man die Zahl der Beschuldigten in Relation zu den Priestern und Laien im Kirchendienst. Seit den 1980er Jahren sinkt laut den Autoren der Anteil der Beschuldigten. "Das ist hervorzuheben, weil in den Diskussionen über die Ursachen sexuellen Missbrauchs durch Kleriker zwei Sachverhalte immer wieder als unveränderliche, zeitunabhängige Risikofaktoren benannt werden: der Zölibat und die Homosexualität", bemerkt der Bericht. Wäre dieser Zusammenhang tatsächlich unabhängig von der jeweiligen Zeit, müsste, so die Autoren, auch der prozentuale Anteil von Beschuldigten gleichbleiben. Inwiefern diese These trägt und wie die Autoren sie plausibel machen, soll aus ihrem Abschlussbericht hervorgehen.
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Ein weiterer Erfolg der gewachsenen Sensibilität und Prävention sei, dass seit 2002 kein neuer Fall eines Intensivtäters bekannt geworden sei – im gesamten untersuchten Zeitraum ab 1946 waren 42,8 Prozent der 734 betroffenen Minderjährigen Opfer von Intensivtätern.
Als Grund für diese positiven Entwicklungen sieht die Studie einen Erfolg der Maßnahmen zur Intervention: Tatsächlich hätten sie bewirkt, dass Bistumsleitungen anders und aufmerksamer mit Missbrauch umgehen. Der erhoffte Perspektivwechsel weg vom Institutionenschutz hin zu einer Aufmerksamkeit auf sexualisierte Gewalt scheint Erfolge zu zeitigen. Vor allem die sich durchsetzende Erkenntnis, dass strukturelle Probleme Missbrauch begünstigen, habe dazu beigetragen.
Zum ganzen Bild gehört aber auch, dass die Kirchenverantwortlichen erst auf Druck von außen hin diese Lernfortschritte gemacht haben. Beide Zäsuren waren Reaktionen auf Skandale: 2002 auf die Recherchen der Zeitung "Boston Globe" zu Missbrauch in den USA, 2010 auf den Tatkomplex Canisiuskolleg. Öffentlicher Druck wirkt, zugleich schien man sich in Trier mit der Öffentlichkeit schwer zu tun, wie an mehreren Stellen des Berichts erwähnt wird – sowohl gegenüber den Medien als auch gegenüber Gemeinden, in denen Taten stattfanden.
Ringen um den Umgang mit Beschuldigten und Tätern
Im säkularen Staat hat die Kirche ihren Klerikern und erst recht ihren Angestellten gegenüber nicht die Druck- und Sanktionsmittel, die sie früher hatte. Kirchliche Strafen wirken oft nur so weit, wie die Bestraften kooperativ sind und Strafen akzeptieren. Die Entfernung aus dem Klerikerstand, die oft als schärfste kirchliche Strafe bezeichnet wird, hat zwar einschneidende Konsequenzen für die Priester, die mit dieser Strafe belegt werden. Zugleich verliert die Kirche damit aber die Kontrolle über sie. Durchsetzbare Auflagen kann sie so bestraften Geweihten nicht mehr machen.
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Im Bericht zeigt sich so deutlich wie in wenig anderen Missbrauchsstudien eine gewisse Hilflosigkeit im Umgang mit Beschuldigten. Beispielhaft ist ein Briefwechsel Ackermanns mit dem damaligen Präfekten des Klerusdikasteriums, Kardinal Mauro Piacenza. Darin geht es um einen beschuldigten Priester, gegen den noch keine strafrechtlich relevanten Beweise vorgebracht werden konnten. Der Priester verweigerte sich einer psychiatrischen Untersuchung. "Schon seit längerem wissen wir, dass es ein Fehler war, Herrn G. zu den heiligen Weihen zuzulassen. Daran ist heute nichts mehr zu ändern. Aber in der allgemeinen Seelsorge ihn einzusetzen, ist für mich nicht vorstellbar. Als Seelsorger in Altenheimen fühlt er sich nicht ausgelastet. Aber kein Mitbruder fragt ihn für priesterliche Aushilfsdienste. Wen verwundert es? Was können Sie mir raten, was ich als Bischof in dieser Situation tun soll bzw. rechtlich auch tun kann?", schreibt Ackermann. Am Ende findet sich eine Möglichkeit, den Priester des Amtes zu entheben und ihn in den vorläufigen Ruhestand zu schicken, und zwar "unter Gewährleistung eines angemessenen Unterhalts und der erforderlichen sozialen Versicherungen".
Kritik und Leerstellen
Der Studienauftrag, minderjährige und schutzbedürftige Betroffene sexualisierter Gewalt in den Blick zu nehmen, sorgt für eine Verengung der erzielbaren Erkenntnisse. Der weite Bereich von Übergriffen vor allem gegen erwachsene Frauen im beruflichen Kontext und allgemein Übergriffe auf Erwachsene ebenso wie spirituellen Missbrauch bleibt unausgelotet. Der Fall "Weißenfels" kam laut Aussagen der Forscher bei der Pressekonferenz in der Studie nicht vor, weil sie nicht unter den Begriff der hilfs- und schutzbedürftigen Erwachsenen fiele, der für die Studie zugrunde gelegt wurde. Damit harrt dieser Fall weiter der Aufarbeitung. Gegenüber katholisch.de betonte "Karin Weißenfels", dass sie von der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Juli 2022 als "schutz- und hilfsbedürftige Erwachsene" anerkannt worden sei.
Bei allen positiven Entwicklungen fällt das Gesamtfazit der Studie den Bischöfen und dem Bistum gegenüber zwar eher wohlwollend, aber nicht euphorisch aus. Neben den Erfolgen werden in beiden Amtszeiten systematische Fehler, Defizite in der Öffentlichkeitsarbeit und mühsame Veränderungsprozesse festgestellt – aber immerhin nicht mehr die aktive Vertuschung und Verschleierung vergangener Jahre. Manche Aspekte sind in der Studie betont nüchtern und zurückhaltend geschildert – die konfliktreiche Beziehung mit der Betroffenenorganisation MissBiT etwa. Der Bericht spricht von einer nicht aufgelösten "Frontstellung" trotz des "Aufeinanderzugehens und der konstruktiven Kontaktaufnahmen". Diese Darstellung wurde von MissBiT bereits zurückgewiesen.
Für Bischöfe ist es, das wird an diesen Konflikten deutlich, ein Lernfeld, mit so deutlichem Widerspruch umzugehen. Ackermann selbst wird in der Studie zitiert mit einer Bewertung der Situation als "umgekehrtes Stärkeverhältnis", das von den Betroffenen "wenn auch unbewusst" genutzt werde: "Nun befand sich der sonst so 'allmächtige' Bischof in der Rolle und Position des Schwächeren", gibt ihn die Studie wieder.
31. Oktober 2025, 8.30 Uhr: Weitere Details zur Behandlung des Falls Weißenfels ergänzt.
